„Erst einmal die schlechte Nachricht zu Beginn: Langfristiger unternehmerischer Erfolg ist zu 99 Prozent leider harte Arbeit. Wenn sie da keinen Bock drauf haben, dann sitzen sie auch noch in zehn Jahren da unten.“ Stefan Raab braucht nicht lange um das Publikum des Gründer-Festivals Bits & Pretzels auf seiner Seite zu haben. Seine Keynote zur Eröffnung ist launig genug. „Das unternehmerische Erfolgsrezept ist leider nicht ganz identisch mit dem Programm dieser Veranstaltung. Sie hören sich hier zwei Tage Vorträge an und networken. Am dritten Tag saufen sie dann beim Oktoberfest. Zwei Tage arbeiten, einen Tag saufen. Das ist natürlich in der Realität ganz anders: Da wird zwei Tage gesoffen, ein Tag gearbeitet.“ Der Saal im Internationalen Congress-Zentrum München war schon in Stimmung.

Immer nach Referenzen fragen

Bits & Pretzels sagt Ihnen nichts? So ging es Stefan Raab auch. Vor anderthalb Jahren haben ihn die Gründer von Bits & Pretzels das erste Mal angerufen, um ihn für die letztjährige Veranstaltung zu gewinnen. Raab: „Bits & Pretzels - das sagte mir gar nichts.“ Wer denn da sonst so komme, wollte er wissen. Richard Branson und Kevin Spacey? „Da habe ich gesagt: ‚Sag ab, das sind Hirnis’. Also nicht Branson und Spacey, sondern die Veranstalter. Die erzählen irgendeinen Scheiß, das kennt man ja. Da wird erstmal dick aufgetragen und am Ende ist doch nur Luft in der Buxe. Ein paar Wochen später schlage ich dann das Internet auf und lese: Richard Branson und Kevin Spacey waren da.“ Das überzeugte ihn. „Im Herbst klingelte dann wieder das Telefon (…) und ich hab gesagt: Ich überleg’ mir das mal. Aber nur wenn Ilse Aigner auch wieder da ist.“

Hartnäckig bleiben

Immer wieder erzählt Raab an diesem Mittag Anekdoten - und verknüpft sie mit Ratschlägen für seine Zuhörerinnen und Zuhörer. „Hartnäckigkeit ist auch ein ganz wichtiges Thema. Bleiben sie hartnäckig, auch wenn sie damit manchen Leuten auf den Sack gehen wie die Bits & Pretzels-Leute mir zum Beispiel. Die haben das ganze Jahr über immer wieder angerufen, aber: Heute stehe ich hier - damit Ruhe ist.“ Raab erzählt von seiner Vorbereitung: „Ich hab mir mal ein paar Clips angeschaut, um zu sehen, was die Leute hier so erzählen und ich habe festgestellt: Fast alle erzählen davon, wie geil sie sind. Alle erzählen wie viel Business sie machen, wie es geboomt hat, wie sie mehr Umsatz gemacht haben, wie sie mehr Profit gemacht haben, wie sie mit noch weniger Umsatz noch mehr Profit gemacht haben, wie sie demnächst zum Mars fliegen und Rapsöl in Ziegenpisse verwandeln für was auch immer. Da hab ich gedacht: Was erzähl ich denn jetzt? Da kann ich ja gar nicht mehr mithalten.“

Aus Misserfolgen lernen

„Deswegen will ich ihnen gar nichts von Erfolgen erzählen. Erstens kennen sie die meisten und zweitens sind doch die Geschichten viel lustiger, die nicht so funktioniert haben. Deswegen erzähle ich etwas von Misserfolgen, auch um mich mit ihnen zu solidarisieren“, so der Moderator, TV- und Musikproduzent unter Gelächter aus dem Publikum. Er schiebt hinterher: „Das ist nicht bös’ gemeint, aber bei ihnen steht doch der Erfolg noch bevor. Sonst säßen sie ja nicht da unten sondern stünden hier oben.“ Stichwort Musikproduzent: „Ich hatte also Abitur und abgeschlossene Metzger-Lehre. Ich konnte keine Noten lesen, ich konnte keine Noten schreiben. Ich hatte kein Tonstudio und keine Toningenieursausbildung. Und da hatte ich die super Idee: Ich werd’ jetzt Musikproduzent“, erzählt Raab über seine Anfänge.

Stefan Raab© Andreas Gebert


Raabs Anfänge als Musikproduzent

„Heute ist das so: Sie kaufen sich einen Laptop, ein bisschen Software, zwei Boxen und ein Mikrofon. Da können Sie für drei- oder viertausend Euro Musik machen, die man in der Welt verkaufen kann. 1989 war das anders. Da brauchte man für einigermaßen professionelle Musik ein Equipment für etwa 80.000 Mark. Ich war 22 Jahre alt. Woher nehmen?“ Zur Bank ging er mit Amateuraufnahmen, die er auf Instrumenten eingespielt hatte, die er sich selbst beigebracht hatte. „Ich musste eine gute Story haben. Jetzt war damals MC Hammer ein Riesenstar und ich dachte mir: Das geht doch bestimmt auch auf deutsch und in lustig. Also habe ich mich MC Behämmert genannt. Für mich war das der heißeste Scheiß. Der erste Track von MC Behämmert hieß ‚Ich bin behämmert‘. Den hatte ich auf Kassette mitgenommen zum Termin mit dem Bankberater.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

„Leider merkte ich zu Beginn des Gesprächs: Der ist nicht so im Thema MC Hammer drin.“ Also hat Raab dann erst einmal in der Firma seines Vaters gearbeitet und konnte sich etwas später mit Unterstützung der Familie sein Equipment leisten. „Mit dem Equipment hätte ich den nächsten ‚Star Wars‘-Soundtrack machen können - in bester Qualität.“ Es wurde aber stattdessen ein Werbejingle für feine und grobe Teewurst von Rügenwalder und ein Werbespot für einen Kölner Friseur. „Fast wie Star Wars“, merkt Raab schmunzelnd an. „Ich bin mit MC Behämmert auch noch zu Plattenfirmen gegangen. Der Bankangestellte hatte es nicht verstanden, aber ich wusste das wird der Riesen-Hammer!“ Nun ja, das Urteil des ersten Plattenbosses war ernüchternd: „Weißt du was das ist? Das ist Bullenscheiße!“

Bewertungen sind subjektiv

Einen roten Faden hat Raabs Vortrag in München nicht. An dessen Kurzweiligkeit ändert das allerdings nichts. „Haben Sie gemerkt, dass ich eben auf die Bühne getanzt bin? Richtig schlecht sogar. Aber sie fanden es nicht so schlimm, weil sie es lustig fanden. Wissen sie, ich bin Realist. Gut tanzen kann ich schlecht, aber schlecht tanzen kann ich gut.“ Bewertungen bekämen erst durch Erwartungen Kontext: Niemand im Saal hätte erwartet, dass er gut tanzen könne. Raab setzt noch kurz zur Anekdote an: „Irgendwann war DJ Bobo mal bei mir in der Sendung und sagt zu mir: ‚Ich kenn keinen, der so gut schlecht tanzen kann wie du‘. Da habe ich gesagt: ‚Ich kenn einen.‘“ Mit einem Blick ins zum Teil schon Oktoberfest-bereite Publikum schiebt Raab ein Beispiel hinterher: „Wenn sie in Bayern eine Lederhose tragen, dann gelten sie als traditionell, als verwurzelt, als bodenständig, als seriös. Wenn sie in Köln eine Lederhose tragen, sieht das ganz anders aus.“