Wer in den vergangenen Wochen die Nachrichten und Magazine von RTL gesehen hat, dürfte besonders häufig auf Berichte über Hartz IV gestoßen sein. Das hängt damit zusammen, dass der Kölner Privatsender den ganzen Mai über einen entsprechenden Schwerpunkt im Programm hatte, der von "Guten Morgen Deutschland" über "Explosiv" bis hin zum "Nachtjournal" reichte. "Leben mit Hartz IV" nannte RTL den Themenmonat, für den die Reporterinnen und Reporter des Senders durch Deutschland reisten - vorwiegend, um mit Betroffenen zu sprechen, aber auch um eigene Erfahrungen zu sammeln.

"Wir haben uns dazu entschieden, weil das Thema Hartz IV nach wie vor so stark polarisiert wie kaum ein anderes. Wir merken das immer wieder in unserer regelmäßigen Berichterstattung", sagt RTL-Chefredakteur Michael Wulf im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Ähnliches bekommen derzeit auch die Kollegen von RTL II zu spüren, wo seit geraumer Zeit Formate wie "Hartz und herzlich" oder "Armes Deutschland" für starke Quoten sorgen. Den Ausschlag für den RTL-Themenmonat gab jedoch Gesundheitsminister Jens Spahn, der mit seiner Aussage, Hartz IV bedeute nicht Armut, vor wenigen Wochen polarisierte.

Um ein möglichst umfassendes Bild zu liefern, hat RTL im Laufe des Monats knapp 60 Beiträge gesendet. Diese hätten bei den Zuschauern "nahezu ausnahmslos" sehr gut funktioniert, so Wulfs Fazit mit Verweis auf Analysen, die man durchgeführt habe. Vor allem nah an den Menschen sollte die Berichterstattung sein, weshalb sich RTL - wie schon einmal vor elf Jahren - an ein Experiment wagte. Einen Monat lang versuchte eine Reporterin, in einer kleinen Wohnung in Chemnitz mit dem Hartz-IV-Satz von 416 Euro über die Runden zu kommen.

"Es war uns wichtig, einen direkten und unmittelbaren Eindruck von einem Leben mit Hartz IV zu bekommen", erklärt der RTL-Chefredakteur und sagt, dass es elf Jahre nach dem ersten Experiment dieser Art keineswegs einfacher geworden sei für die, die von von Hartz IV leben. "Es gibt eine über ein Jahrzehnt gefestigte Stigmatisierung, viele Bürger glauben nicht, dass Hartz-IV-Empfänger wirklich daran arbeiten, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Und unsere Reporter haben auch tatsächlich Menschen getroffen, die eigentlich aufgegeben haben - aber auch viele, die mit aller Kraft versuchen, aus Hartz IV rauszukommen. Beides aufzuzeigen und auch ein bisschen verständlich zu machen, war unser Ziel, und das ist uns auch geglückt."

Leben mit Hartz IV© MG RTL D / Kati Hennig

14,74 Euro hatte Reporterin Hanna Klouth am Ende ihres Experiments übrig. "Und ich habe mich wirklich extrem eingeschränkt diesen Monat", so die Journalistin, die am Ende mit Arbeitsminister Hubertus Heil sprach und ihm ihre persönlichen Erfahrungen schilderte. "Da wurde deutlich, dass solche lebensnahen Erfahrungen auch den Profi-Politiker berühren und interessieren - sicherlich auch, weil Heil und sein Bruder auch von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurden", betont Chefredakteur Michael Wulf gegenüber DWDL.de, der sich bereits weitere ähnlich aufwendige Themenmonate vorstellen kann.

Zufrieden zeigt sich Wulf auch mit der Resonanz auf ein live bei Facebook übertragenes Gespräch, das Klouth mit zwei alleinerziehenden Müttern und zwei Chemnitzer Bundestagsabgeordneten in ihrer Wohnung führte. Parallel dazu hatte RTL-Reporter Daniel Spliethoff im Mai rund 6.000 Kilometer durch Deutschland zurückgelegt und in dieser Zeit fast 100 Gespräche geführt. "Was noch zu oft fehlt: Individuelle Betreuung beim Amt, Arbeitgeber, die die Lebensrealität der Arbeitnehmer berücksichtigen und natürlich müssen Arbeitslose auch einen Job wollen", erzählt Spliethoff. "Dann könnte ein Themenmonat 'Leben mit Hartz IV' in einigen Jahren vielleicht gar nicht mehr nötig sein."