RTL II ist aus einer schwierigen Ausgangslage heraus in die neue TV-Saison gestartet: Langgediente Formate wie "Frauentausch" oder "Die Kochprofis" gerieten 2016/17 ins Schlingern, zudem gingen auch die Quoten der Vorabend-Soaps zurück. Im Rückblick auf die damalige Saison urteilte DWDL.de: "RTL II braucht neue Stützpfeiler". Nun lässt sich zwar nicht sagen, dass RTL II in den vergangenen Monaten all seine Quotensorgen losgeworden ist, neue Stützpfeiler hat man aber finden können. RTL II hat in der zurückliegenden TV-Saison viel versucht - und als einer der wenigen Sender für die Zukunft wohl auch viel gewonnen.

Nennen muss man auf der Haben-Seite des Senders vorneweg natürlich die Sozial-Dokumentationen, die den Sender in den vergangenen Wochen und Monaten in kaum mehr geahnte Quotenhöhen trieben. Mit "Hartz und herzlich" und "Armes Deutschland" holte man zuletzt regelmäßig zweistellige Marktanteile am Dienstag und sicherte sich damit auch den Primetime-Sieg. Die Formate, die RTL II eine neuen Ernsthaftigkeit bescheinigen, haben voll eingeschlagen und werden künftig wohl noch viel präsenter. Zuletzt hat man mit "Hartes Deutschland" eine sehr ähnlich gelagerte Doku auch am Donnerstagabend getestet - damit lief es sogar so gut, dass RTL II den besten Tag des Jahres feiern konnte.

Neben den Sozial-Dokus sehen viele andere Formate von RTL II ganz alt aus: "Die Kochprofis" und "Frauentausch" haben zuletzt weiter verloren. Die Versuche, die Sendungen mit Specials aufzumöbeln, sind vorerst gescheitert. Auch "Zuhause im Glück" erlebte zuletzt einen großen Einbruch, die Marktanteile liegen nur noch knapp über fünf Prozent. "Die Geissens" konnten sich zuletzt wieder etwas stabilisieren und lagen deutlich über der Marke von fünf Prozent Marktanteil, dieses Niveau erreichten auch die "Reimanns". Von einstigen Quotenhöhen ist die Millionärs-Familie aber weit entfernt, ihre neue Spielshow war ebenfalls kein Erfolg.

Neben den Sozial-Dokus ist das Programm von RTL II auch sonst spürbar ernster geworden: Mit "Die Gruppe" und "Voller Leben" hat man zuletzt zwei Formate gestartet, in denen es um todkranke Menschen und Personen mit psychischen Problemen ging. Während "Die Gruppe" am späten Dienstagabend schon sehr gut funktionierte, war "Voller Leben" am Dienstag zur besten Sendezeit starken Schwankungen unterworfen. "Promis auf Hartz IV" war zwar weniger ernsthaft, doch auch hier ging es, wie oft in den Sozial-Dokus, um das Thema Armut - vielleicht waren die Quoten auch deshalb sehr gut. Andere neue Formate gingen dagegen völlig baden. So gingen mit "Traut Euch", "Voll vertraut" und "Traumhochzeit zum Schnäppchenpreis" gleich drei Formate zum Thema Hochzeit unter. "Echt Familie - Das sind wir" und "Stahl:hart gegen Mobbing" waren ebenfalls Flops. "Extrem sauber" war mit im Schnitt 5,4 Prozent zwar kein Überflieger, lieferte aber solide Quoten, auch wenn es am Ende spürbar nach unten ging.

Dass RTL II derzeit im Aufwind ist, liegt aber auch an den erstarkten Soaps am Vorabend. Nach einer Schwächephase konnten sich "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" zuletzt wieder spürbar steigern, nicht selten liegen die beiden Formate mittlerweile auch wieder im zweistelligen Bereich. Dass RTL II die beiden Serien inzwischen auch um 14 und 15 Uhr wiederholt, hat die Situation auf diesen Sendeplätzen ebenfalls verbessert. Andere Formate haben am Anfang der Saison um 15 Uhr jedenfalls nicht funktioniert: Da stand zunächst der Versuch, mit "Detlef Soost" das Talkshow-Genre wiederzubeleben. Aber Soost erzielte ebenso wie das "Trödel-Duell" und "Dein Krempel oder ich" keine guten Quoten.

Auch darüber hinaus hat man zuletzt viel ausprobiert, wirklich gut funktioniert hat nur eins: Sozial-Dokus. In einer Testwoche erzielte "Hartz und herzlich - Tag für Tag Benz-Baracken" im Schnitt 7,5 Prozent Marktanteil - damit wird es ziemlich sicher wohl schon bald ein Wiedersehen geben. Kein anderes um 16 Uhr getestetes Format lief besser: "3 Boxen, Dein Style" mit Daniela Katzenberger versagte ebenso wie eine Dokusoap über Friseure. Und "Hilf mir!" läuft ohnehin seit einiger Zeit sehr schlecht.  Um 17 Uhr hat man mit "Krass Schule" und "Workout" aber zumindest zwei neue Format getestet, die recht solide Marktanteile eingefahren haben. "Station B1" und die Telenovela "Schwestern - Volle Dosis Liebe" sind dagegen gefloppt. Kurzum: Kann RTL II den Nachmittag zwischen seinen Soaps künftig mit einer täglichen Ausgabe der Sozial-Dokus bespielen und ein weiteres Format um 17 Uhr dauerhaft on Air schicken, dürften die größten Probleme hier behoben sein. Die Tests der vergangenen Monate haben jedenfalls gezeigt, was funktioniert und was nicht.

Mit deutscher Fiction tut sich RTL II schwer

Der Versuch, noch einmal mit klassischer deutscher Fiction zu überzeugen, ist RTL II derweil nicht geglückt. Die Pilotfolge von "Call the Boys" scheiterte zu Beginn der Saison. "Wir haben das ausprobiert und festgestellt: Sobald deutsche Fiction auf RTL II vergleichbar wird mit dem Angebot der anderen großen Sender, verlieren wir", räumte RTL-II-Chef Andreas Bartl zuletzt im Interview mit DWDL.de ein. Wenn man fiktional für die Primetime produziert, wolle man das künftig im Stil von "Berlin - Tag & Nacht" machen, so Bartl. Bei den Lizenz-Serien ergibt sich ein gemischtes Bild. Mit Events wie "Game of Thrones", "Fear the Walking Dead" oder "The Walking Dead" war man erfolgreich. Einen Dauerbrenner, mit dem man Strecke machen könnte, hat der Sender aber nicht gefunden. Die dritte Staffel von "Marvel’s Agents of SHIELD" ging beispielsweise komplett unter. Die freitags gezeigten Filme performen unterdessen meist recht gut und liegen über dem Senderschnitt.

Der große Erfolg aus der TV-Saison 2016/17, "Naked Attraction", war übrigens auch in diesem Jahr wieder für richtig hohe Quoten gut. Zum Finale gab es sogar einen neuen Rekord. Der Versuch, noch weitere neue Formate am späten Montagabend zu etablieren, ist aber nicht von großem Erfolg gekrönt gewesen. "Undressed" lag im Schnitt bei fünf, "Was kann ich?" nur bei vier Prozent Marktanteil. Da muss es in der nächsten Saison dann wieder Milka Loff Fernandes richten, die auch das mit großen Erwartungen gestartete "Love Island" in den Schatten stellte. Im Schnitt erreichte die Show mit Jana Ina Zarrella 5,9 Prozent Marktanteil - da wird man sich sicherlich mehr erhofft haben. Aufgrund guter Online-Abrufzahlen geht es dieses Jahr aber dennoch weiter. 

Blickt man nur auf die Zahlen, könnte man meinen, es wäre eine enttäuschende Saison für RTL II gewesen: Kein einziges Mal erreichte der Sender mehr als 6,0 Prozent Marktanteil, in vier von neun Monaten lag man unter dem Vorjahresniveau. Doch RTL II hat die Weichen gestellt: Am Nachmittag weiß man durch die vielen Tests nun ganz genau, was funktioniert. Und in der Primetime wird man künftig noch stärker als bislang auf die Sozial-Dokus setzen, die in den zurückliegenden Monaten ihren Durchbruch gefeiert haben. Ganz klar: RTL II hat die zurückliegenden Monate effektiv genutzt und hat dabei auch neue Leuchttürme gefunden.