Als Constantin Schreiber vor wenigen Tagen nach Deutschland zurückkehrte, hatte er ein ungewöhnliches Interview mit Gepäck. In Wien hatte der ARD-Journalist zuvor die österreichische Außenministerin Karin Kneissl getroffen – und sie auf Arabisch befragt. Es war das erste Mal, dass die FPÖ-Politikerin mit ihren fließenden Arabisch-Kenntnissen ein Interview gab. Erschienen ist das halbstündige Gespräch bei WDRforyou und damit auf einer Plattform, mit der sich der Westdeutsche Rundfunk explizit an Flüchtlinge richtet.
Kurz nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hatte der öffentlich-rechtliche Sender im Jahr 2016 das Projekt gestartet, mit dem Ziel, den Neuankömmlingen Information, Orientierung und Unterhaltung auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi zu bieten. Ein Jahr später bekam die Redakteurin Isabel Schayni gemeinsam mit ihrer Redaktion dafür den Sonderpreis des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis überreicht. Mit WDRforyou stellten sie sich "der journalistischen Aufgabe und Verantwortung, gesellschaftliche, kulturelle und politische Auseinandersetzungen vor allem mit Informationen zu erhellen", hieß es damals zur Begründung.
Auch heute noch wird das Angebot gut genutzt, vor allem die Facebook-Seite erfreut sich mit mehr als 400.000 Abonnenten großer Beliebtheit. Weitere 40.000 Abonnenten zählt der YouTube-Kanal, und auch auf Instagram versucht der WDR, mit seinen Themen Gehör zu finden. "Diese Kanäle wachsen, weil der Informationsbedarf bei Menschen, die neu nach Deutschland kommen, nach wie vor enorm groß ist", erklärt der WDR gegenüber DWDL.de. Seit dem Start hat sich das Angebot jedoch spürbar weiterentwickelt. "Wir versuchen, uns biografisch weiterzuentwickeln und nicht nur das Nothilfe-Programm zu sein, so wie wir es am Anfang waren."
Das spiegelt sich auch in der Wahl der Themen wider. So gibt es etwa Diskussionen um Schwarzarbeit oder Probleme in Schulen. "Wenn man länger hier ist, entstehen neue Fragen und anderer Informationsbedarf. Der ist aber unverändert groß", heißt es aus Köln. Das sieht auch Constantin Schreiber so, der vor zwei Jahren, als er noch für den privaten Nachrichtensender n-tv arbeitete, den Grimme-Preis für das Format "Marhaba – Ankommen in Deutschland" erhalten hatte. "Der Bedarf nach besonderen Informationsangeboten für Flüchtlinge besteht nach wie vor", sagt Schreiber heute. "Das umfasst das Erklären praktischer Fragen für das Leben in Deutschland, aber eben auch die Wiedergabe des politischen Diskurses."

ARD-Journalist Constantin Schreiber interviewt die österreichische Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ)
In weiten Teilen der arabischen Welt werde weiterhin sehr aufmerksam verfolgt, wie sich die EU oder auch die einzelnen Mitgliedsstaaten in Sachen Flüchtlings- und Asylpolitik positionieren, betont der Journalist im Gespräch mit DWDL.de. "Die Diskussion darüber, was Integration denn nun bedeutet, wird in Online-Foren von und für Flüchtlinge sehr intensiv und durchaus kontrovers geführt. Auch nach dem Interview mit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl, die ja für eine konservativere Politik steht, war das zu sehen: Da gab es solche, die sich sehr kritisch über diese politische Linie äußerten, aber auch jene, die selbst sagten: Integration und Zuwanderung kann nur nach klaren und auch durchaus strengeren Regeln erfolgen."
SWR und ZDF haben ihre Angebote eingestellt
Neben WDRforyou betreibt der Westdeutsche Rundfunk inzwischen mit WDRforall auch ein Programm mit russischen Wurzeln. Beide sollen in diesem Jahr auf jeden Fall weiterlaufen, betont der Sender. Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt der zum SWR, dessen "News for Refugees" erst vor wenigen Wochen eingestellt wurden – und das, obwohl die Facebook-Seite weit mehr Abonnenten zählt als die der "Landesschau". Begründet wird der Schritt mit sinkenden Zuzugszahlen und dem Umstand, dass viele der nach Deutschland gekommenen Geflüchteten ausreichend Deutsch gelernt haben, um den regulären Angeboten des SWR folgen zu können.
Man könne stolz darauf sein, in einer schwierigen Zeit so viele Menschen mit einem zielgruppengerechten Angebot erreicht zu haben, erklärt der Sender und betont, das Projekt sei von Anfang an befristet gewesen und bereits zwei Mal verlängert worden. Dass jetzt Schluss ist, wird vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg jedoch scharf kritisiert. "Es ist kaum vorstellbar, dass die wichtigen und nützlichen Informationen für die Zielgruppe der Geflüchteten in den anderen Angeboten des SWR ausreichend Berücksichtigung finden werden", heißt es da.
Verschwunden ist inzwischen auch das Flüchtlings-Angebot des ZDF, das etwa die Untertitelung von "heute" und "logo" umfasste. Anders als die "News for Refugees" oder "WDRforyou" fand das Projekt aber offensichtlich kaum Zuspruch. "Wir haben es bereits eingestellt, weil die Nutzungszahlen kommt mehr messbar waren. Sie waren vernachlässigbar", erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut jüngst. Es müsse das Ziel sein, Migranten eher über die üblichen Programme anzusprechen, "indem das Bild dieser deutschen Wirklichkeit vermittelt wird". Ein genaues Zielgruppen-Programm habe sich dagegen "nicht als sinnvoll herausgestellt", so Bellut.