Welche Serien wollen die Zuschauer sehen? Mit dieser Frage müssen sich derzeit vor allem die privaten Fernsehsender auseinandersetzen, schließlich sind amerikanische Serien kaum gefragt und gleichzeitig deutsche Serien-Erfolge die absolute Ausnahme. Während sich Sat.1 gerade erst von seinen beiden Eigenproduktionen getrennt hat, nimmt auch bei RTL die Unsicherheit zu - erst recht, nachdem jüngst weder die zweite Staffel von "Beck is back!" noch "Die Klempnerin" im Schlepptau das Publikum überzeugen konnten. Marktanteile zwischen zehn und elf Prozent in der Zielgruppe sind auf Dauer zu wenig für die - ohnehin gesunkenen - Ansprüche des Marktführers aus Köln.

"Wir sind bei 'Beck is back' mit der Erwartungshaltung ins Jahr gestartet, den Aufwärtstrend aus der ersten Staffel fortsetzen zu können. Das hat sich leider nicht erfüllt, was wirklich schade ist", räumt RTL-Fictionchef Philipp Steffens im Gespräch mit DWDL.de ein. "Dadurch hat sich auch unser Neustart 'Die Klempnerin' beim Publikum möglicherweise nicht so stark durchgesetzt wie erhofft." Zwar seien beide Serien nicht eingebrochen, sie konnten die Zuschauer "aber leider nicht signifikant über Senderschnitt verfangen", so Steffens. Das vermeintlich starke Gegenprogramm dürfe jedenfalls nicht allein aus Ausrede herhalten.

Aus diesem Grund seien die jüngsten Quoten letztlich "kein befriedigendes Ergebnis, zumal wir uns genau überlegen müssen, wie wir mit den Talenten, allen voran den wunderbaren Headautoren, weiter zusammenarbeiten zu wollen". Deshalb hat sich RTL dazu entschlossen, sowohl "Beck is back!" als auch "Die Klempnerin" nicht fortzusetzen, wie Steffens gegenüber DWDL.de bestätigt. Im Zuge dessen ist auch die Entscheidung gefallen, die Sitcom "Beste Schwestern" mit Mirja Boes in der Hauptrolle zu beenden. Mit Headautor Mark Werner, den Steffens als "einzigartiges Talent" bezeichnet, arbeite man aber schon an einem neuen Projekt.

Marktanteils-Trend: Beck is back
Beck is back

Drei Absetzungen also - es ist gewiss kein guter Start ins Jahr für die RTL-Fiction. Umso mehr ruhen die Hoffnungen jetzt auf die neue, von UFA Serial Drama produzierte Serie "Nachtschwestern", die von der kommenden Woche an dienstags im Zusammenspiel mit "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" ihr Publikum finden soll. Im Zuge dessen geht auch "Sankt Maik", der erfolgreichste Neustart der vergangenen Saison, an den Start - eine Stunde später als bisher, was Philipp Steffens jedoch nicht als Risiko verstanden wissen will. "Die höchsten Reichweiten werden gegen 21 Uhr erreicht", sagt er, "daher glauben wir, dass 'Sankt Maik' auch auf dem späteren Sendeplatz gut performen kann."

Nachtschwestern© TVNOW / Christoph Assmann
Szene aus der neuen RTL-Serie "Nachtschwestern" 

Gelingt das Vorhaben nicht, bliebe RTL mit "Jenny - echt gerecht!" in der laufenden Saison nur noch eine Chance. Dabei hatte die Anwaltsserie mit Hauptdarstellerin Birte Hanusrichter im vorigen Jahr alles andere als erfolgreich abgeschnitten, sodass die Fortsetzung entsprechend überraschend kam. "Für die zweite Staffel haben wir uns für ein neues Line-Up entschieden und werden dem Format einen eigenständigen Sendeplatz geben", kündigt Philipp Steffens an, ohne bereits den konkreten Ausstrahlungstermin nennen zu wollen. "Sowohl die Hauptdarsteller als auch die Headautorinnen haben sich von der ersten zur zweiten Staffel noch einmal stark entwickelt. Auf diesem Potenzial wollen wir weiter aufbauen."

"Die besteingeschaltete abgesetzte Serie"

Mit Blick auf die neue Saison arbeitet die Fiction-Mannschaft von RTL aber auch an neuen Formaten, doch trotz der jüngsten Rückschläge will der Sender nicht vollends von seiner Strategie abweichen. "Es wäre falsch, mit der Programmfarbe, die wir mit dem 'Lehrer' aufgebaut haben, aufzuhören. Allerdings wird man die Form sicher weiterentwickeln müssen", sagt Steffens und stellt mit "Lucie - geheult wird nicht" eine neue Dramedy mit Cristina do Rego in Aussicht, die aus der Feder von Nicholas Hause stammt und von Eikon Film produziert wird. In Brandenburg entstehen zunächst zehn Folgen.

Bereits bekannt war, dass Tommy Wosch an einer neuen Sitcom mit Caro Frier, Anna Julia Kapfelsperger und Christian Tramitz arbeitet. Der Titel der Produktion von UFA Fiction: "Schwester, Schwester - Hier liegen Sie richtig!". Die Serie soll das Line-Up um den Quoten-Erfolg "Magda macht das schon" ergänzen, von dem im nächsten Jahr bereits die vierte Staffel laufen wird. Und dann ist da auch noch ein überraschendes Comeback: Nach sechs Jahren produziert Bantry Bay eine zweite Staffel von "Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5", erneut mit Ellenie Salvo González, Nina Vorbrodt, Susan Hoecke und Jochen Horst in den Hauptrollen.

Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5© MG RTL D / Guido Engels
"Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5" aus dem Jahr 2013

"Das ist vermutlich die besteingeschaltete abgesetzte Serie, die RTL je ausgestrahlt hat", sagt Philipp Steffens über das Format, das einst sogar für den Grimme-Preis nominiert war. "Dementsprechend sehen wir darin viel Potenzial." Tatsächlich hatten die Wiederholungen der Serie in der Vergangenheit stets gut funktioniert, obwohl es durchaus gute Gründe dafür gab, dass sich RTL einst gegen eine Fortsetzung entschied - nach gutem Start lagen die Marktanteile damals am Ende im einstelligen Bereich. Doch die Quoten-Ansprüche haben sich in Köln mit den Jahren durchaus verändert, wie man im Übrigen auch bei "Alarm für Cobra 11" erkennen kann.

Zuletzt kämpfte der Dauerbrenner mit rückläufigen Zuschauerzahlen und ein passendes Begleitprogramm hat Philipp Steffens noch immer nicht ausmachen können, sodass RTL regelmäßig um 21:15 Uhr in den Wiederholungs-Modus übergehen muss. "'Cobra' ist eben immer Vollgas und die Herausforderung ist es, etwas zu finden, das danach keine Vollbremsung einlegt. Gleichzeitig wissen wir, wie herausfordernd es in der heutigen Zeit ist, einen neuartigen Krimi zu entwickeln." Derzeit verfolge man jedoch verschiedene Ansätze in diese Richtung. "Auch unabhängig von 'Cobra 11' ist der Krimi ein Genre, in dem wir stetig mit Talenten an gute Ideen weiterentwickeln." 

Um in Zukunft neue Erfolge im seriellen Erzählen feiern zu können, wird RTL ohne Zweifel auch neue Wege gehen müssen. "Wir sind stetig dabei, all unsere Formate selbstkritisch anzuschauen, neue Erkenntnisse zu ziehen und sie inhaltlich weiterzuentwickeln", betont der Fiction-Chef des Senders im Gespräch mit DWDL.de. Doch das alleine wird nicht reichen. Steffens: "Wir glauben auch, dass wir neue Marketing-Ansätze entwickeln müssen, um diese Serien dann auch für das Publikum auffindbar zu machen. Dafür arbeiten wir inzwischen bereits ab der Entwicklung mit dem Marketing zusammen, um ein Gespür für stärkere Vermarktungsanker zu bekommen."

Neue RTL-Serien auf einen Blick

"Schwester, Schwester - Hier liegen Sie richtig!"
Mit Caro Frier, Anna Julia Kapfelsperger und Christian Tramitz
Autor: Tommy Wosch

UFA Fiction, Tommy Wosch

"Lucie - geheult wird nicht!"
Mit Cristina do Rego
Autor: Nicholas Hause
Eikon Film, Michaela Nix, Dorothea Seeger, Kristin Schade


"Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5"
Mit Ellenie Salvo González, Nina Vorbrodt, Susan Hoecke und Jochen Horst
Autorinin: Tanja Sawitzki
Bantry Bay, Eva Holtmann, Tobias Ketelhut