Ende 2018 hat SWR-Intendant Peter Boudgoust überraschend angekündigt, vorzeitig aus seinem Amt ausscheiden zu wollen (DWDL.de berichtete). "Ich werde im nächsten Jahr mein 65. Lebensjahr vollenden. Auch wenn meine dritte Amtszeit als Intendant des SWR über dieses symbolträchtige Ereignis hinausreicht, hielte ich es für Hybris, bis zum letztmöglichen Tag den Kurs bestimmen zu wollen", sagte er damals. Und nun wird es tatsächlich ernst: Am Donnerstag stimmen Rundfunk- und Verwaltungsrat über die Nachfolger des langjährigen Intendanten ab. Mit Stefanie Schneider und Kai Gniffke stehen zwei Kandidaten zur Wahl - ganz unumstritten ist das aber nicht.

Vor allem die Tatsache, dass nur eben diese beiden Personen zur Wahl stehen, sorgte zuletzt für Unmut. Die Findungskommission, die sich mit der Suche nach einem Boudgoust-Nachfolger beschäftigte, habe sich zu früh auf diese beiden Kandidaten festgelegt, hieß es. "Es stört mich, dass man keine Vorstellung der fünf besten Bewerber bekommt, sondern nur zwischen zwei Personen wählen darf", sagte etwa Volker Stich, der als Vertreter des Beamtenbundes Baden-Württemberg im SWR-Rundfunkrat sitzt. Tatsächlich interessierten sich auch andere Führungskräfte innerhalb der ARD für die SWR-Intendanz.

Einer von ihnen, Jan Büttner, zog seine Bewerbung Mitte März zurück und machte seinem Unmut über das Verfahren in einer Rundmail Luft. Das "Gegeneinander von Direktionen und Standorten in den letzten Jahren stark zugenommen", so Büttner, der damit vielen Mitarbeitern im Sender aus der Seele sprach. Er ziehe seine Bewerbung zurück, so Büttner damals, um noch mehr Schaden vom SWR abzuwenden. Doch neben dem SWR-Verwaltungschef wollten eigentlich auch NDR-Fernsehchefredakteur Andreas Cichowicz und Clemens Bratzler, der beim SWR die Hauptabteilung Multimediale Aktualität leitet und stellvertretender Direktor des Landessenders Baden-Württemberg ist, ins Rennen um die SWR-Intendanz gehen. Allein: Die Gremien entschieden sich gegen sie und schlugen sich auf die Seite der Findungskommission.

Das wiederum veranlasste den ehemaligen SWR-Intendanten Peter Voß zu einer deutlichen Kritik. Voß kritisierte das Wahlverfahren als "mehr als misslich" und sieht darin "ein Armutszeugnis für die Gremien des Senders". Es sie zwar "eben noch legal", aber nicht legitim, wenn sich drei Kandidaten nicht selbst vorstellen dürften. Diese Bewerber seien "ohne Not vorgeführt und beschädigt worden - und der SWR selbst gleich mit". Während Schneider und Gniffke am Donnerstag vor den Gremien ihre Pläne für den SWR vorstellen können, wurden die drei anderen Interessenten gar nicht erst angehört.

SWR-Verwaltungsratschef Hans-Al­bert Stechl hat die Kritik am Wahlverfahren zuletzt immer wieder zurückgewiesen und auch der Justitiar der Senders, Hermann Eicher, will davon nichts wissen. Stattdessen hieß es aus den Gremien, das Wahlverfahren sei eben auch sehr kompliziert, weil es nicht nur eine Mehrheit im gesamten Gremium geben muss, sondern auch in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg. Voß dagegen wittert hier Kungelei und sagt, dass viele Gremienmitglieder bei nur zwei Kandidaten bessere Chancen sehen würden, "ihren" Kandidaten durchzubekommen. "Die [...] nahezu einmütige Selbstentmachtung der SWR-Gremien erscheint mir dagegen nicht nur opportunistisch und kurzsichtig, sondern geradezu unklug", so Voß.

Und dann wären da auch noch die Gleichstellungsbeauftragten der ARD, die sich einstimmig für eine weibliche Nachfolge von Boudgoust entschieden haben. Noch nie wurde der SWR von einer Frau geführt. Das sei "schon lange an der Zeit", sagte MDR-Gleichstellungsbeauftragte Claudia Müller zuletzt im Gespräch mit DWDL.de. Auch die Kommission der Gleichstellungsbeauftragten hoffte vergeblich, dass die SWR-Gremien das Bewerberfeld noch einmal öffnen würde.

Das ist nicht geschehen - und so stehen am Donnerstag mit Stefanie Schneider und Kai Gniffke zwei Personen zu Wahl. Einer oder eine von ihnen wird demnächst Chef des SWR, doch die Gefahr ist groß, beschädigt in das Amt zu starten. Dafür war die Vorauswahl der möglichen Boudgoust-Nachfolger für viele Beobachter innerhalb und außerhalb des Senders zu undurchsichtig. In jedem Fall muss der neue SWR-Intendant, egal wer es wird, eine große Aufgabe bewältigen. Er oder sie muss den SWR wieder einen. Denn das ist ganz offensichtlich auch 20 Jahre nach der Fusion von SDR und SWF noch immer nicht geschehen.