Bei den diesjährigen Screenforce Days fragten sich viele: Wo ist eigentlich die Präsentation des Nachrichtensenders "Welt" abgeblieben, der in den beiden Vorjahren noch mit von der Partie war. "Welt"-Vermarkter Visoon konzentrierte sich diesmal einzig auf die Viacom-Kanäle und Zee One. Auf Nachfrage kündigte "Welt" damals an, diesmal eine eigene Veranstaltung zu planen, um dort das eigentliche Alleinstellungsmerkmal der Marke besser herausstellen zu können.

Am Donnerstagabend war es in den Düsseldorfer Rudas Studios nun soweit, erstmals präsentierte die gesamte "Welt"-Familie gemeinsam gegenüber potentiellen Werbekunden ihre "wunderbare Dreifaltigkeit", wie man die Aufstellung mit einem Augenzwinkern auf der Bühne nannte. "'Welt' ist die einzige Marke in ganz Europa, die Print, TV und Digital kann", hob Kai Ladwig von Visoon hervor, das gemeinsam mit dem zweiten Vermarkter der "Welt"-Gruppe Media Impact eingeladen hatte. Damit übrigens nicht genug: Ab dem kommenden Jahr mischt dann auch noch die Ad Alliance bei der Digitalvermarktung mit.

Ulf Poschardt, Chefredakteur der "Welt"-Gruppe, erklärte zur Positionierung der "Welt": "Wir gelten sicherlich als Marke, die am streitbarsten ist. Wer ausgewogenen sowohl-als-auch-Journalismus nach dem Motto 'Man kann's so oder so sehen' sucht, der ist bei uns falsch. Bei uns wird sich zum Teil richtig gefetzt." Dabei gehe es darum, verschiedene Meinungen darzustellen und so mündigen Lesern und Medienkonsumenten Inspiration für die eigene Meinungsbildung zu liefern. "Wir verstehen andere Meinung nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung", so Poschardt.

Er lieferte zugleich allerdings auch den seltsamsten Moment der gesamten Präsentation. Denn nachdem gerade noch in fast schon pathetischer Weise das Hohelied auf die freie, unabhängige Presse gesunden worden war, präsentierte Poschardt es voller Stolz nochmal als geradezu brillante Idee, den CEO von Volkswagen - also einem großen Werbekunden des Unternehmens - zum "Chefredakteur" einer gesamten Ausgabe über die Zukunft der Mobilität zu machen. Auf einer Bock-Gärtner-Skala ein kaum noch zu messender Fehlgriff, der hinterher auch vom Presserat missbilligt wurde, weil er das Ansehen der Presse geschädigt habe.

"Mehr Platz für Meinung" als Antwort auf die Debatte um Meinungsfreiheit - in diese Kerbe schlug auch "WamS"-Chefredakteur Johannes Boie, der im Anschluss die Sonderstellung der Sonntagszeitung im "Welt"-Kosmos erklärte und dabei auch die mit 1,5 Stunden erstaunlich lange Lesezeit der "WamS" hervorhob. Ob sich dafür das Wort "wamsen" durchsetzen wird, wie Moderatorin Laura Karasek vorschlug, bleibt freilich abzuwarten. Anschließend präsentierte Icon/Iconist-Chefredakteurin Inga Griese charmant die Mode/Lifestyle/Luxus-Marken der Gruppe.

Torsten Rossmann schließlich erläuterte, wie sich der Nachrichtensender "Welt" verändert - und war besonders stolz darauf, dass man als klassisches TV-Angebot insbesondere bei ganz jungen Zuschauerinnen und Zuschauern zuletzt zulegen konnte. In einer Zeit, in der jede und jeder zu jederzeit über die sozialen Medien live gehen könne, gewinne der Live-Anteil auch bei einem Nachrichtensender an Relevanz, während der klassische Ablauf aus Beitrag, Moderation, Beitrag seltener werde. Stattdessen gehe es darum, schnell mit eigenen Mitarbeitern bei Breaking-News-Situationen vor Ort zu sein und das ganze im Studio mit Einordnung durch Experten zu ergänzen.

Auf der Bühne begrüßte Rossmann US-Korrespondent Steffen Schwarzkopf, Michel Friedman, der neben der Fortführung seines Talks auch weitere Ausgaben der Reportagereihe "Friedman schaut hin" (nun u.a. vor Ort bei Krisenherden ganz unterschiedlicher Art: Bei Flüchtlingen auf Lesbos und beim nächsten SPD-Parteitag) ankündigte, sowie Food-Truckerin Felicitas Then, die seit mehreren Jahren in kulinarischer Mission für "Welt" unterwegs ist - was ganz gut die Bandbreite des Senders darstellte.  Eine Berlin-Spezial-Folge mit Felicitas Then ist für den 1. Dezember angekündigt - dann geht's natürlich unter anderem um den Döner, aber auch der Rote Amerikanische Sumpfkrebs, den man im Stadtteil Neukölln fangen kann, ist Teil der Folge. Abgeschlossen wurde die Präsentation von einer erneut sehr stimmungsvollen Inszenierung des Dokuprogramms, die live auf dem Cello begleitet wurde.

Neuigkeiten gab es an diesem Abend eigentlich nicht - viel mehr diente das erste "Welt Sales-Event" dazu, einmal den gesamten crossmedialen Marken-Kosmos der "Welt" in seiner Gänze darzustellen. Eine Aufstellung, von der man nebenan bei "Bild" bekanntlich noch träumt. Dieser Abend gehörte aber voll und ganz "Welt" - von Julian Reichelts TV-Ambitionen war keine Rede.