Film und Fernsehen, seien wir ehrlich, sind wie das Theater Bühnen maximaler Selbstdarstellung. Obwohl jedes Werk darauf Resultat dicht verwobener Einzelteile im Teamwork ist, bei dem kein Handgriff ohne den anderen läuft, kein noch so erhabener Monolog ohne das rechte Licht, kein Hauptfigurendialog ohne Maske, Catering, Schnitt oder Ton, fühlen sich viele dieser Einzelteile eben doch ein wenig gleicher. Oder wie es Dieter Wedel aus seiner Erfahrung stargespickter Ensemblemehrteiler mal ausdrückte: „Schauspieler sind Narzissten.“

Gut, verglichen mit dem gnadenlos selbstverliebten Regisseur vergangener Tage, sind Narzissten allesamt uneigennützig Samariter. Seinen Satz sollte man sich trotzdem vor Augen halten, wenn einer der ganz großen Lichtgestalten des hiesigen Selbstdarstellergewerbes angesichts der äußeren Umstände klein, fast demütig sagt: „Ich hatte noch nie in meinem Leben so sehr das Gefühl: jetzt geht es echt nicht um mich!“ Auch für Ulrich Matthes, dessen ungeheuerlich Ausstrahlung jedes Licht am Set zu absorbieren vermag, stellt die Pandemie da draußen demnach alles andere in den Schatten. Zuallererst ihn selbst.

Ulrich Matthes© imago images / Future Image
Nun ist dieser Ulrich Matthes (Foto) gewiss kein Narzisst, im Gegenteil. Wer ihm begegnet, erlebt einen Gesprächspartner, der trotz seiner einnehmenden Aura spürbar mitfühlt, zuhört, nachhakt, also auf Augenhöhe spricht, anstatt vom Bühnenrand herunter. Im Angesicht einer Katastrophe jedoch, die eher früher als später uns alle mit voller Härte treffen wird, klingt der empathische Berliner nochmals ein bisschen demütiger als sonst. Wenn alles irgendwann vorbei sei, würden „Schauspieler und Schauspielerinnen dankbar sein, dass wir spielen dürfen, und die Menschen werden dankbar sein, dass sie uns dabei zusehen können“. Das gebe ihm Kraft, fügt er noch hinzu, entschuldigt sich fürs Pathos seiner Worte und verheißt „auch wieder lustigere Zeiten“.

Diese Melange aus Humor und Realismus, Bescheidenheit und Trotz, bringt die Stimmung seiner brachliegenden Branche gut auf den Punkt. Denn früher noch als Gastronomie und Tourismus, wurde nahezu alles, was vor Publikum geschieht, bundesweit auf null reduziert. Seit das Risiko der Covid-19-Pandemie vor zwei Wochen von „mäßig“ auf „hoch“ gestuft wurde, sind hierzulande schließlich nicht nur sämtliche Theater und Lichtspielhäuser geschlossen; abseits einzelner Nachjustierungen wurden auch sämtliche Dreharbeiten gestoppt. Noch herrscht zwar kein generelles Studioverbot; weil Filmemachen ein Vollkontaktsport im Teamverbund ist, sind vom großen „Tatort“ bis zur kleinen Soap allerdings alle Lampen aus. Ein völlig neuer Daseinszustand für jene, die ansonsten meist im Rampenlicht stehen – und nicht selten Anlass zur Extraportion Galgenhumor.

Elena Uhlig© imago images / Future Image
„Ich habe noch gut zu tun“, meint Elena Uhlig (Foto) daheim im österreichischen Traunsees lachend. „Mit vier Kindern zuhause ist die Bude voll und das Chaos vorprogrammiert.“ Doch Scherz beiseite, fügt die Lebensgefährtin des Schauspielkollegen Fritz Karl zwischen gemeinsamem Kochen, Spielen, Spazierengehen hinzu. „Den Schock, dass die Welt plötzlich Kopf steht, muss man erst einmal verarbeiten“. Zumal sie zwar das Glück hatte, ihr letztes Filmprojekt noch rechtzeitig abdrehen zu können, und neben „Uhligs Tagebuch“ auf Instagram auch mit ihrem neuen Koch-Podcast „Groß & Fett“ beschäftigt sei. Dennoch macht sich die Mittvierzigerin ernste Gedanken ums Filmfach im Ganzen.

Stephan Möller-Titel© imago images / Future Image
Und teilt sie mit der halben Branche. Wenn ein prekär beschäftigter Idealist wie Stephan Möller-Titel, der sein Nischentheater auf Kante genäht durch Nebenrollen und Werbespots finanziert, das 60-seitige Formular zum Grundsicherungsantrag für Künstler als Bürokratiemonster anprangert, wird deutlich, womit die Randfiguren von Film- und Fernsehen gerade kämpfen.

Maja Schöne© imago images / Future Image
Wobei auch privilegiertere Kollegen wie Carlo Ljubek und Maja Schöne (Foto), die als Ensemblemitglieder Hamburger Großtheater „zumindest unsere Miete zahlen können“, persönlich vom Shutdown betroffen sind. „Wir sind halt nicht systemrelevant, das muss man erst mal schlucken“, klagt der Mittvierziger, während seine Freundin Schöne darauf hinweist, wie viele Filmprojekte „weggebrochen oder verschoben worden sind, von denen wir nicht wissen, ob sie später nachgeholt werden“. Was dem Liebespaar da bleibt, ist die entschleunigte Zeit sinnvoll zu nutzen.

Carlo Ljubek© imago images / Future Image
Struktur schaffen, durchatmen, endlich wieder ein Buch lesen, das kein Drehbuch sei, Wohnung renovieren, richtig durchputzen, mehr Zeit als sonst mit der gemeinsamen Tochter verbringen, vor allem aber: „Entschleunigung akzeptieren“, wie Carlo Ljubek (Foto) den unfreiwilligen Freizeitzuwachs schildert. Er wisse ja „gar nicht, wann ich zuletzt mal zwei Tage im Bett lag“ und freue sich daher umso mehr, Teil einer Familie wie dem Theater zu sein, die sich im Gegensatz zu Film und Fernsehen als echte Gemeinschaft versteht.

Max von Pufendorf© imago / Photopress Müller
Eine Gemeinschaft, zu der Max von Pufendorf (Foto) als gut gebuchtes, aber titelblattuntaugliches Mitglied der zweiten Reihe deutscher Fernsehdarsteller nicht gehört. Trotzdem übt er sich in Gelassenheit. „Was Verschiebungen oder kurzfristige Absagen betrifft, sind wir ja Kummer gewöhnt“. Und bis Ostern ist der Reihen-Experte („Unter anderen Umständen“) dank frisch abgedrehter Projekte erst mal abgesichert. „Die Einschränkungen im Privaten“ hätten zwar dazu geführt, „dass Fasten von Zucker und Alkohol hemmungslos zu brechen“, erzählt er nur halb im Spaß von der neuen Häuslichkeit. Doch auch, wenn die Vorräte, „wenn das so weitergeht, nicht lange halten“, verbittet er sich kluge Ratschläge aus der Politik.

„Der Berliner Senat hat Tipps verschickt, wie Familien ihren Alltag gestalten können“, erzählt er bissig: Kochen und Gespräche, Spaziergänge, Spielen oder einfach zusammen sein – „was denken die eigentlich, haben Familien vorher in ihrer Freizeit gemacht?“ Was ihn dennoch mit vielen im Fach verbindet, ist die Akzeptanz staatlicher Maßnahmen, um Corona einzudämmen. Theaterschließungen und Drehverbote seien schlicht unerlässlich, räumt Max von Pufendorf ein und hofft, dass die Regierung Schauspieler, deren Reserven früher aufgebraucht sind, „nicht durchs Raster fallen“ lasse. „No rain, no rainbow!“, pflichtet ihm die Gute-Laune-Actrice Uhlig bei. „Ich bin überzeugt, dass wir das gemeinsam schaffen und eine Krise bei allem Schlimmen, auch eine Chance sein kann“.

Maria Schrader© imago images / Future Image
Da ist Maria Schrader (Foto) weniger optimistisch. „Ich sorge mich um alle“, sagte sie kurz vorm Start ihrer grandiosen Netflix-Serie „Unorthodox“ am Donnerstag und meinte von Produktionsfirmen über Freiberufler bis hin zum Kino als Institution damit jeden, der vom Ruin bedroht ist. Schon jetzt gebe es ja existenzbedrohende Verluste. „Und wenn wir wieder arbeiten, wird es Staus und Kollisionen von Dreharbeiten geben.“ Bis dahin allerdings bleibt auch Schraders Kollegium erstmal geschlossen daheim. Selbstdarsteller (fast) allein zuhause? Hoffentlich kommen sie als Teamplayer wieder raus!