Auch wenn viele Arbeitgeber in der Vergangenheit noch meinten, das sei nicht möglich: Arbeiten aus dem Home-Office ist für viele Millionen Arbeitnehmer inzwischen die alltägliche Realität. Auch bei den Radiosendern musste man sich angesichts der bis vor Kurzem noch kaum vorstellbaren Einschränkungen des täglichen Lebens schnell die Frage stellen, wie man den Sendebetrieb auch dauerhaft ohne Einschränkungen aufrecht erhalten kann, wenn nicht mehr jede Moderatorin und jeder Moderator im Studio vor Ort sein kann.

Beim WDR etwa hat man in den vergangenen Wochen insgesamt 70 Moderatorinnen und Moderatoren im Eilverfahren mit Technik und Know-How ausgestattet, um in Zeiten von Corona die Moderationen auch aus der häuslichen Quarantäne heraus stemmen zu können - und so auch "kontaktlose" Doppelmoderationen zu ermöglichen, schließlich sollen keinesfalls beide Moderatoren gleichzeitig ausfallen. "Ein paar Kolleginnen und Kollegen haben alles gegeben, damit die Radiowellen auch weiterhin wie gewohnt auftreten können", sagt Ansgar Rau, Leiter des WDR-Radiobetriebs.

Die Technik funktioniert inzwischen gut, berichtet WDR4-Moderator Stefan Verhasselt - auch wenn ab und zu ein Hupen, Glockenläuten oder die Müllabfuhr im Hintergrund zu hören sei. "Die Verbindung mit unserem Schaltraum in Köln und meiner Co-Moderatorin Cathrin Brackmann im WDR 4 Studio in Dortmund war 1 zu 1, ohne Zeitverzögerung." Auch beim Moderations-Duo Heike Knispel und Bastian Bender meldet sich die Moderatorin nun aus der heimischen Küche, während ihr Kollege im Studio sitzt.

Um das "Home-Studio" zu ermöglichen, setzte der WDR zunächst auf die kompakte Reporter-Einheit "Scoopy+", die ansonsten vor allem bei der Bundesliga-Berichterstattung genutzt wird. Eine Komplett-Ausstattung der Moderatorinnen und Moderatoren aller Hörfunkwellen von 1Live bis WDR 5 und WDR Cosmo, war damit aber nicht umzusetzten. Daher setzt man nun vorrangig auf die kostengünstigere multimediale Produktions-App "muPro", die in der ARD unter Reportern inzwischen zum Standard geworden ist. Die App kann auf Computern und Smartphones installiert werden und ermöglicht Audioverbindungen in guter Qualität sowie auch File-Transfers – man kann also neben Live-Übertragungen auch zu Hause vorproduzieren und später in die Speichersysteme des WDR übertragen.

Bei der Ausstattung der "Home-Studios" trat aber noch an ganz unerwarteter Stelle ein Problem auf: Weil aktuell halb Deutschland im Home-Office sitzt und plötzlich eine Videokonferenz die andere jagt, war mit einem Mal offenbar der Markt an hochwertigen Headsets wie leergefegt. Sie seien zeitweise fast so schwer zu bekommen gewesen wie Toilettenpapier - erst nach einer Woche Suche sei das Team von Manfred Braß, Leiter der Hörfunk-Außenübertragung im WDR, schließlich fündig geworden und konnte ein Kontingent auftreiben. Diese Headsets werden normalerweise von Spielen von Video-Games eingesetzt und nicht für professionelle Radiomoderation. "Das klingt nicht so wie ein Studiomikro für 4000 Euro, aber – der aktuellen Anforderung geschuldet – reicht es aus", sagt Braß. "ungewöhnliche Zeiten erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen."

Wer das "Home-Studio" nutzt, entscheiden die Moderatoren übrigens gemeinsam mit der jeweiligen Wellenleitung. So wie etwa Marwa El-Dessouky, die sich bei WDR COSMO nun zwischen Wäscheständer und Leiter aus ihrer Altbauwohnung in Berlin meldet. Die Leiter ist nötig, um daran eine Decke zu befestigen, die wiederum den Hall dämpfen soll. Der Moderatorin geht's dabei nicht wesentlich anders als anderern plötzlich ins Home-Office verfrachteten Mitarbeitern: "Es ist zwar schön, dass ich nur zwei Türen aufmachen muss, um meinen Mann und meinen Sohn zwischendurch mal knuddeln zu können. Andererseits ist es aber auch ein wenig unbequem." Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen fehle natürlich ebenfalls. Doch angesichts ihres 10 Monate alten Nachwuchses ist es aktuell die beste Lösung, schließlich fällt die Oma als Kinderbetreuung wegen Corona-Ansteckungsgefahr auch aus. "Ich musste nur den Impuls unterdrücken, nach dem Kind zu sehen, weil ich gerade ein Interview mit einem Finanzexperten zur Corona-Krise führte", so El-Dessouky.