Als die Corona-Pandemie im Frühjahr auch Deutschland erfasste, war das Land mehrere Wochen lang kaum wiederzuerkennen. Neben geschlossenen Läden und Restaurants lag auch die Produktionslandschaft weitgehend brach. Abgesagte und verschobene Drehs brachten eine Branche zum Stillstand, die in den vergangenen Jahren auch dank neuer Streaming-Player boomte. Inzwischen haben sich Fernsehmacherinnen und Fernsehmacher mit der neuen Normalität weitgehend arrangiert - zuletzt sah man sogar wieder eine erstaunliche Zahl an Publikum im Studio vieler Fernsehshows. 

Doch seit die Corona-Fallzahlen wieder massiv steigen und jüngst sogar einen höheren Stand erreichten als in der bisherigen Hochphase, wird auch die TV-Branche wieder zunmehmend nervös. Was, wenn noch einmal Drehstopps drohen? Ausgeschlossen ist das nicht, schließlich findet ein großer Teil der Produktionen in Großstädten statt - also dort, wo die Zahlen zuletzt rasant anzogen. In Teilen Berlins etwa liegt der Inzidenzwert, der der Zahl der Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner angibt, bei mehr als 100. Auch in der Fernsehhauptstadt Köln wurde zuletzt mehfach die Marke von 70 übersprungen.

Christoph Palmer © Produzentenallianz Christoph Palmer
Entsprechend besorgt klingt Christoph Palmer. "Die Fernsehproduktion ist für eine überwiegende Zahl der Produktionsfirmen in Deutschland das Brot- und Buttergeschäft. Bis zum heutigen Tag gibt es für diesen Bereich keine Ausfallsicherung im Kontext von Covid-19-bedingten Drehabbrüchen", sagt der Geschäftsführer der Produzentenallianz gegenüber DWDL.de und spricht von einer "existenzbedrohenden Situation, gerade auch angesichts aktueller Höchststände bei den Fallzahlen erkrankter Personen in Deutschland". Nahezu alle anderen europäischen Länder seien hier "einen großen Schritt weiter".

Tatsächlich hapert es noch immer an einer Einigung, seit Monaten wartet die Branche auf einen umfangreichen Ausfallfonds. Nun, da sich die Situation wieder verschärft hat, wird offensichtlich, dass unnötig viel Zeit verstrichen ist. Ein erster Fonds in Höhe von 50 Millionen Euro, der Teil eines im Sommer verabschiedeten Corona-Pakets der Bundesregierung ist, soll zwar Pandemie-bedingten Produktionsausfällen helfen - allerdings sind damit erstmal nur Kinofilme und "hochwertige Serien" abgedeckt. Der der größte Teil der Fernsehproduktionen bliebe damit jedoch außen vor.

Man fordere "eine schnellstmögliche Verständigung zwischen Ländern und Sendern", erklärt Produzentenallianz-Chef Palmer. "Wir erwarten, dass die engagierte und umsichtige Verhandlungsführung des Landes Nordrhein-Westfalen schnell zu einer Einigung, und damit zur Einrichtung eines Ausfallfonds II für den Bereich der Fernsehproduktionen führt." Immerhin haben ARD und ZDF ihre Unterstützungsleistungen für Produzenten zuletzt noch einmal bis Oktober verlängert. Doch das ist aus Sicht vieler mehr Krücke als Brücke.

Jan S. Kaiser © Bavaria Jan S. Kaiser
Jan S. Kaiser, Geschäftsführer Bavaria Fiction, sieht mit Blick auf den noch immer fehlenden Ausfallfonds "dringenden Handlungsbedarf", schließlich seien viele Dreharbeiten ins Jahresende verschoben worden. Ähnlich äußert sich Michael Polle. "Wir betrachten die Corona-Entwicklung und die jetzt wieder steigenden Zahlen im Hinblick auf die Gesundheit aller mit großer Sorge", sagt der TV-Chef der Produktionsfirma X Filme. "Gleichzeitig sehen wir die anhaltenden Diskussionen um den Ausfallfonds II sehr kritisch, denn dieser ist für normale TV Produktionen zwingend notwendig, damit mittelständische Produktionsfirmen im Schadensfall überleben und nicht weiterhin 50 Prozent der Mehrkosten tragen müssen."

"Gut gerüstet bei steigenden Infektionszahlen"

Wasserstandsmeldungen bezüglich des erhofften Ausfallfonds gibt es offiziell nicht. Nach DWDL.de-Informationen wird jedoch in den nächsten beiden Wochen mit Vollzug gerechnet - endlich, möchte man sagen. Bis dahin bleibt den Produzenten die Hoffnung, dass alles irgendwie gutgehen wird. "Wir haben als Produzent unterschiedlichster Genres nun über viele Monate unsere Erfahrungen gesammelt und können sicherstellen, dass es bei unserer Arbeit kein überdurchschnittliches Infektionsrisiko gibt", sagt Fabian Tobias, Geschäftsführer von Endemol Shine Germany. Seitdem Köln als Risikogebiet eingestuft wurde, habe man die Richtlinien deutlich verschärft.

Fabian Tobias © Brainpool Fabian Tobias
Konkret bedeutet das, dass Homeoffice wieder als Regelbetrieb eingeführt und die Personenanzahl in den Büros noch deutlicher begrenzt wurde. "Auch haben wir sowohl im Haupthaus, als auch in den Studio-Büros einen automatisierten Check-In, so dass wir eine lückenlose Kontaktrückverfolgung sicherstellen können. Wir geben als Team gemeinsam auf uns Acht." Trotz steigender Corona-Zahlen planen Endemol und ProSieben jedoch in der am Dienstag startenden dritten Staffel von "The Masked Singer" mit Publikum im Studio. 74 Fans sollen Zugang erhalten. "Dafür haben wir uns ein besonderes Konzept überlegt, dass zu unserer Masked Singer-Welt passt", sagt Fabian Tobias. "Natürlich unter Berücksichtigung aller geltenden Vorsichtsmaßnahmen."

Generell hilft bei der Produktion die Erfahrung der vergangenen Monate. "Während des Lockdowns im Frühjahr haben wir schon sehr frühzeitig in enger Absprache mit unserem Betriebsarzt und unserem Arbeitssicherheitsbeauftragten ein detailliertes Infektionsschutzkonzept erarbeitet", sagt etwa Bavaria-Chef Jan S. Kaiser und verweist auf regelmäßige Tests von Schauspielerinnen und Schauspielern sowie ein "Closed Set". "Daher sehen wir uns auch bei steigenden Infektionszahlen gut gerüstet und bieten auch bei Dreharbeiten im öffentlichen Raum die erforderliche Sicherheit."

Michael Polle von X Filme sieht das ähnlich. "Die generellen Abläufe innerhalb der Teams sind mittlerweile gelernt. Daher glaube ich, dass wir besser gewappnet sind als vor sieben Monaten", sagt der Produzent im Gespräch mit DWDL.de. "Neben einem Ausfallfonds wäre allerdings zu wünschen, dass die Politik auch diese Entwicklung in ihre Überlegung miteinbezieht, wenn es in Anbetracht der steigenden Fallzahlen um neue Restriktionen geht. Im Frühjahr gab es sehr schnell an manchen Orten eine Gleichsetzung zwischen Veranstaltungen und Dreharbeiten, was man in keiner Weise gleichsetzen kann, da unsere Schutzmaßnahmen deutlich umfangreicher sind."

Auch Studio-Betreiber wie nobeo bekommen die Auswirkungen der Pandemie weiter zu spüren. Vor allem im Bereich Außenübertragung seien die Einschränkungen weitreichend, "da viele Veranstaltungen reduzierter oder gar nicht umgesetzt werden", sagt nobeo-Geschäftsführer Stefan Hoff. Gleichzeitig sei das Zusammenspiel mit den ausländischen Schwesterunternehmen derzeit "sehr stark eingeschränkt". Dass die Corona-Zahlen wieder steigen, hat aktuell aber noch keine Auswirkungen auf den Umgang mit Studio-Zuschauern. "Da unsere Hygiene-Konzepte in enger Abstimmung mit den Produzenten greifen, ist im eingeschränkten Maße auch wieder Publikum zugelassen", betont der nobeo-Chef und fügt hinzu: "Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt."