Und plötzlich war da so etwas wie Unsicherheit. "Nach der ersten Show der ersten Staffel", erinnert sich Kerstin Kalenberg, "kamen wir aus dem Ü-Wagen, haben uns angeschaut und gesagt: Oh weh, was, wenn wir es übertrieben haben und die Zuschauer gar nicht bereit sind für einen Heavy-Metal-Engel, ein zappeliges Plüschmonster und einen Astronauten, der in Slow-Motion auf die Bühne kommt?" Doch die Sorge von Kalenberg und ihrer Kollegin Nadine Grünfeld erwies sich schnell als unbegründet. Schon die erste Folge von "The Masked Singer", die ProSieben im Hochsommer 2019 ausstrahlte, war ein großer Hit – und in den folgenden Wochen stiegen die Quoten dieser ursprünglich aus Korea stammenden Show immer weiter an. Das Finale der zweiten Staffel markierte im Frühjahr mit mehr als fünf Millionen Zuschauer den vorläufigen Höhepunkt.

"Der Erfolg ist eine große Eintrittskarte für andere Prominente", sagt Kalenberg, die bei der Produktionsfirma Endemol Shine Germany als Creative Director tätig ist, heute im Gespräch mit DWDL.de. Tatsächlich haben die guten Quoten der Show das Interesse vieler Stars geweckt, die in bunten Kostümen endlich einmal erfahren wollen, wie es ist, keine Klischees und Erwartungen erfüllen zu müssen. "Ganz viele prominente Persönlichkeiten reizt dieses Versteckspiel, weil es ihnen erlaubt, unbekannte Facetten von sich zu zeigen, ohne gleich erkannt zu werden", betont Executive Director Nadine Grünfeld. Doch mit dem Versteckspiel selbst ist es freilich nicht getan. "Wir kreieren um die Masken eine komplette Welt, bauen unseren Charakteren gewissermaßen eine Vita", sagt Kalenberg. "Sie haben eine eigene Sprache, bestimmte Attitüden in der Bewegung – jedes Accessoire ist bis ins kleinste Detail durchdacht und macht den besonderen Kosmos aus."

Die Gefahr besteht nun jedoch darin, den Bogen zu überspannen, schließlich ist ProSieben aus nachvollziehbaren der Versuchung erlegen, die Schlagzahl von "The Masked Singer" zu erhöhen. Wenn an diesem Dienstag die dritte Staffel startet, dann ist es bereits die zweite in diesem Jahr – und auch in Zukunft will der Sender diese hohe Taktung beibehalten. "Bislang fühlte es sich immer so an, dass die Staffel schnell vorbeiging, und schon nach wenigen Wochen fragte man sich, wann es eigentlich wieder weitergeht", sagt Nadine Grünfeld, die sechs Folgen pro Staffel letztlich jedoch für eine recht geringe Dosis hält, "auch im internationalen Vergleich". Hilfreich sei, dass immer wieder neue Welten erzählt werden. 

Nadine Grünfeld und Kerstin Kalenberg © 2020 EYECATCHME. Photography Executive Director Nadine Grünfeld und Creative Director Kerstin Kalenberg

Auch von der Erweiterung der Rateteam-Familie um Sonja Zietlow und Bülent Ceylan, die selbst schon maskiert auf der Bühne standen, erhoffen sich die beiden Macherinnen neue Impulse. "Gemeinsam mit dem Sender tun wir alles, dass die Show spannend und überraschend bleibt." Das Erfolgsrezept sei letztlich vor allem Mut, meint Kerstin Kalenberg. "Uns war klar, dass wir ins Extreme gehen müssen – extremst absurd, extremst schräg, extremst überraschend." Das gilt nicht nur für die aufwendig gestalteten Verkleidungen, die verglichen mit den Versionen anderer Länder ganz vorne liegen, sondern auch für die individuellen Songversionen, die im Frühjahr noch einmal ein ganzes Stück kreativer ausfielen als während der ersten Staffel und die Latte nun entsprechend hoch legen.

"So lange die Identität nicht gelüftet wird, ist alles möglich"

Und dann ist da noch der Live-Charakter - ein Aspekt, den "The Masked Singer" in Deutschland von anderen Ländern, in denen das Format adaptiert wurde, unterscheidet. Dieser, davon ist Kalenberg überzeugt, mache auch mit den Promis unter den Masken etwas. "Sie werden durch die Live-Atmosphäre in eine ganz andere Stimmung versetzt. Das macht die Auftritte noch ein wenig unberechenbarer." Allerdings passierten nur 80 Prozent von "The Masked Singer" auf der Bühne, der Rest finde im Hintergrund statt. "Aber das darf eben niemand mitbekommen." Und damit tatsächlich keiner auf die Namen der Stars kommt, haben sich Kalenberg und Grünfeld hinter den Kulissen eine Code-Sprache angewöhnt – vor der ersten Staffel wurden gar SEK-Leute in die Planungen einbezogen, um ein möglichst ausgeklügeltes Geheimhaltungskonzept zu schaffen. 

Dennoch habe sie jedes Mal aufs Neue extremes Herzklopfen, räumt Kerstin Kalenberg ein. "Der Gedanke, dass unsere Stars vorab enttarnt werden, begleitet mich immer. Ich glaube, die Zuschauer wären echt traurig, wenn sie um ihr Ratespiel betrogen werden." Die Herausforderung sei es letztlich, das Ratespiel möglichst am Laufen zu halten. "Die Zuschauer möchten nicht, dass man es ihnen zu einfach macht. Und selbst wenn sie eine Vermutung haben, wer unter der Maske steckt – wirklich sicher kann man sich erst sein, wenn der Star seine Maske abgenommen hat. Das hält die Spannung bis zur letzten Sekunde aufrecht." Bestes Beispiel dafür ist Dieter Hallervorden, den viele schon nach dem ersten Ton als Chamäleon identifizierten. "Trotzdem blieb bis zum Schluss die Ungewissheit. So lange die Identität nicht gelüftet wird, ist alles möglich."

Die größte Unsicherheit der Staffel dürfte abseits der Geheimniskrämerei um die Promis aber Corona sein. Schon im Frühjahr musste "The Masked Singer" ohne Publikum auskommen und sogar eine Woche pausieren, weil es Corona-Fälle im Umfeld der Show gab. Nun, da auch der Produktionsort Köln ein Risikogebiet ist, ist die Pandemie erneut ein Thema. "Wir haben einen Vorteil gegenüber allen anderen Formaten: Wir sind eine Masken-Show", sagt Nadine Grünfeld zu DWDL.de. "Das macht es in gewissen Bereichen leichter, weil wir ohnehin Abstand halten." Im Vergleich zum Frühjahr wisse man aber inzwischen mehr über das Virus und worauf man aufpassen müsse. "Daher können wir jetzt auf etwas aufsetzen, das wir vor einem halben Jahr erst im Laufe der Staffel lernen mussten."

Womöglich kommt die Show, ähnlich wie im Frühjahr, zur rechten Zeit - jetzt, da wieder Social Distancing auf der Tagesordnung steht, kann ein Ausflug in bunte Fantasiewelten zwischen süßen Aliens, sportlichen Fröschen und tanzenden Nilpferden sicher nicht schaden. Und so bleibt bei ProSieben und Endemol Shine die Hoffnung, dass "The Masked Singer" das Land erneut ins Ratefieber versetzen wird. Mit dem koreanischen Original hat die ProSieben-Version übrigens nur noch die Grundidee gemein. Das, sagt Nadine Grünfeld, sei "eher das charmante Schmunzeln, das uns vor Augen führt, woher wir kommen".

"The Masked Singer", dienstags um 20:15 Uhr bei ProSieben