Es ist die Show mit der schönsten Musiker-Lagerfeuerromantik im deutschen Fernsehen: "Sing meinen Song" von Vox, das 2021 in die nun mehr achte Staffel gehen wird. Mark Forster, Rea Garvey, Annett Louisan, Nena, Die Prinzen – die Liste derer, die in den zurückliegenden Jahren teilgenommen haben, ist lang. Der ausstrahlende Sender Vox hat dabei mit seinen Musikstars vielleicht mehr gemein, als auf den ersten Blick offensichtlich. Ihm erging es in den zurückliegenden Jahren so wie den ganz Großen des Musik-Biz. Mark Knopfler von den Dire Straits, Angus Young von AC/DC oder Jon Bon Jovi, sie alle kennen es: Es sind die immergleichen Hits, die Tag für Tag, Abend für Abend, vom Publikum gefordert werden.

Jeder kennt Bon Jovis "Runaway", kaum jemand den Bon-Jovi-Song "This House is Not for Sale" aus der jüngeren Vergangenheit. Auch die größten Vox-Hits haben bereits eine beachtliche Lebensdauer aufzuweisen. "Die Höhle der Löwen" startete hierzulande etwa im August 2014, wenige Monate später kochte Tim Mälzer erstmals in "Kitchen Impossible" Gerichte aus der schwarzen Kiste nach. "Shopping Queen" und "Das perfekte Dinner" haben mit ihren Starts in den Jahren 2012 und 2006 noch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Vox, das ist jene Marke, die noch vor wenigen Jahren fast ausnahmslos für Innovation und Frische bewundert wurde.

Sing meinen Song 2019 © TVNow/Boris Breuer Seit Jahren ein fester Bestandteil einer Vox-Season: Das Tauschkonzert "Sing meinen Song"

Sascha Schwingel © MG RTL D / Boris Breuer VOX-Geschäftsführer Sascha Schwingel
An der Lead-Gitarre bei Vox ist seit nun etwas mehr als eineinhalb Jahren Sascha Schwingel; er folgte damals auf Bernd Reichart, der sich durch kluge Entscheidungen beim Sender mit der roten Kugel für Höheres empfohlen hat und mittlerweile Vorsitzender der Geschäftsführung der Mediengruppe RTL Deutschland ist. Auch dessen Vorgänger, Frank Hoffmann und Anke Schäferkordt, nutzten einst ihr Wirken bei Vox, um sich in der Hierachie des Medienhauses weiter nach oben zu arbeiten. Sascha Schwingel fehlen in seiner Amtszeit noch die großen Hits. Kein "Highway to Hell", kein "Money for Nothing". Zudem bekam Schwingel von seinen Vorgängern keinen schon vorbereiteten Neustart-Hit überlassen, sondern eher Flops wie eine weitere deutsche Version der US-Inselshow "Survivor" oder fiktionale Eigenproduktionen wie etwa "Das Wichtigste im Leben". 

Schwingels Initialzündung im Jahr 2020 erfolgte allenfalls auf kleinerer Flamme. "Ready to Beef", ein weiteres Kochformat des Senders, verbesserte sich mit seiner zweiten Staffel linear deutlich. Die Durchschnitts-Quote ging von knapp vier auf etwas mehr als acht Prozent bei den Umworbenen nach oben – hauptsächlich deshalb, weil die Sendung nun Lead-Out von "Die Höhle der Löwen" wurde. Die Gründershow selbst tat sich 2020 schwerer als früher, was auch daran lag, dass die Produktion im Frühjahr, als sie mit 11,4 Prozent im Schnitt den mit Abstand schlechtesten Staffelschnitt aller Zeiten holte, gegen den ProSieben-Überhit "The Masked Singer" antreten musste. Erst im Herbst und neu am Montagabend beheimatet, stiegen die Quoten wieder und lagen mit 16,7 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen annähernd auf dem Level von 2019.

Greatest Hits von Vox

Abnutzungserscheinungen bei Vox-Langläufern sind auch an anderer Stelle zu beobachten. Die nunmehr schon 16. Staffel der Sonntags-Primetime-Show "Grill den Henssler" holte im Herbst 2020 im Schnitt nur noch 6,5 Prozent Marktanteil – und somit den niedrigsten Staffelschnitt bisher. "Shopping Queen" auf dem 15-Uhr-Slot hat zuletzt kontinuierlich Marktanteile verloren. Das Format landet 2020 bei den Umworbenen bei acht Prozent, vier Jahre zuvor waren es noch zehn. "Zwischen Tüll und Tränen" hat in diesem Zeitraum von 9,4 auf 7,6 Prozent nachgelassen. "Das perfekte Dinner" am Vorabend sicherte sich 2020 6,1 Prozent im Schnitt, sieben Zehntel weniger als im Jahr zuvor.

Deutlicher in Erinnerung blieben 2020 die gescheiterten Vox-Versuche, dazu gehörte etwa auch ein ungewöhnliches Generationenprojekt namens "Altes Haus sucht Mitbewohner", in dem die oftmals Wohnraum suchende junge Generation mit der in diesem Bereich oft gut ausgestatteten Vertretern der älteren Generation zusammengebracht werden sollte. Nach zwei Folgen und letztlich nur vier Prozent in der Dienstags-Primetime war das Abenteuer schnell beendet. "Live aus der Forster Straße" setzte sich ebenso wenig durch wie der nächste Vox-Serienanlauf namens "Lucie. Läuft doch!" – jene Serie ging Ende 2020 dann gut versteckt beim kleinen Bruder Vox Up zu Ende.

Vox musste 2020 das lernen, von dem zahlreiche andere Sender längst ein Lied singen können. Die Etablierung neuer Hits im linearen Programm gleicht inzwischen einem Lottogewinn. Wer all diese Umstände betrachtet, der kann nicht überrascht sein, dass Vox etwa im November 2020 mit nur noch 5,9 Prozent Marktanteil den schwächsten Monatswert seit Sommer 2016 und 2014 (damals gegen Fußball WM/EM) schlucken musste. Das Jahr 2020 beendete Vox mit 6,7 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen und somit mit dem niedrigsten Ergebnis seit 2015.

Die Rote Kugel © Vox Martin Rütter, neuer Vox-Quizmaster
Ohne die Greatest-Hits des Senders wären die Werte vermutlich noch niedriger ausgefallen. Ob 2021 nun eine echte Trendwende bringt? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Programmpipeline ist mit Neustarts jedenfalls nicht schlecht gefüllt. Hundeversteher Martin Rütter darf sich als Quizmaster probieren und soll es besser machen als Mirja Boes (ihr "herrlich ehrlich" scheiterte im Dezember 2019 mit nur knapp fünf Prozent bei den Jungen), in Guido Maria Kretschmers neuer Show "Showtime of my life" sollen sich 16 Promis entblößen und damit die Message aussenden: Wer sich bei der Krebsvorsorge auszieht, kann damit sein Leben retten.

Die Kuppelfront, die bei Vox mit "First Dates" / "First Dates Hotel" und "Prince Charming" bis dato schon nicht unterrepräsentiert war, soll um neue Töne ergänzt werden: In "The Undateables" sollen Menschen, die auf dem Liebesmarkt wegen körperlicher oder geistiger Einschränkungen einen schweren Stand haben, ihr großes Glück finden. Besonders üppig sehen die Planungen auf der Serienfront aus. Von der TVNow-Serienoffensive, die für 2021 mehr als zwei Hand voll Eigenproduktionen vorsieht, bekommt der Sender mit der roten Kugel zahlreiche Formate ab, darunter auch das im Streaming-Bereich schon angelaufene "Unter Freunden stirbt man nicht" mit Iris Berben, Heiner Lauterbach, Adele Neuhauser, Michael Wittenborn und Walter Sittler. "Stromberg"-Darsteller Christoph Maria Herbst wird zudem nach TVNow-Verwertung beim Sender als abgehalfterter Gymnasiallehrer Tilo Neumann auftauchen – und es gibt Nachschub aus dem bisher erfolgreichsten Vox-Serienuniversum.

2021 erwartet die Zuschauer ein Spin-Off von "Club der roten Bänder" – acht Folgen von "Tonis Welt" mit Ivo Kortlang aus der Original-Serie und Amber Bongard ("Ostwind") sollen den Erfolg jener Serie fortschreiben, die Vox einst mit teils bis zu 18,8 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen zu echtem Glanz verhalf. Allerdings, bisher war es quasi ein Serien-One-Hit-Wonder, ein zweiter Quotenerfolg in diesem Genre war dem Sender bisher nicht mehr vergönnt. Ohnehin erwies sich die deutsche Serie im linearen Programm zuletzt in Deutschland nicht als wirklich erfolgsversprechend. Jedoch: Potenzial für die nächsten Monate ist zweifelsfrei vorhanden, genau wie bei jedem neuen Album-Release der großen Rockröhren dieses Planeten. Eines scheint derweil sicher zu sein: Sascha Schwingel an der Lead-Gitarre wird 2021 nicht am Lagerfeuer des Tauschkonzerts "Sing meinen Song" auftauchen. Er tüftelt stattdessen am richtigen Sound für seinen Sender.