Keine andere Mediengattung bekam die Auswirkungen des Lockdowns auf die Einnahmen im Frühjahr 2020 so unmittelbar zu spüren wie die Radiosender. In den vergangenen Monaten hatten die Verantwortlichen also alle Hände voll zu tun, um ihre Sender selbst halbwegs auf Kurs zu halten. "Der Umsatzrückgang aus dem Frühjahr 2020 rund um den ersten Lockdown war gravierend", erinnert sich Jens Küffner, Programmdirektor von ffn aus Niedersachen, im Gespräch mit DWDL.de zurück. Auch Antenne Bayern, Deutschlands meistgehörtes Privatprogramm, hatte im Frühjahr 2020 von einem Werbe-Umsatzrückgang um etwa 60 Prozent im Lockdown-Monat April berichtet.

"Gravierend" nennt auch Marco Maier, Geschäftsführer der Radio Tele/FFH GmbH aus Hessen, die "Corona-Delle im Werbemarkt" der Monate März bis Juni 2020. Küffner erklärt, allein bei ffn würden sich die wirtschaftlichen Einbußen inzwischen auf mehrere Millionen Euro belaufen und ergänzt: "ffn ist hier kein Einzelfall. Die Corona-Krise hat die ausschließlich werbefinanzierten privaten Radioanbieter massiv getroffen und nachhaltige Umsatzschäden bewirkt, von denen sich die ganze Privatradiobranche wohl erst mittelfristig wieder erholen kann."

"Die Corona-Krise hat die ausschließlich werbefinanzierten privaten Radioanbieter massiv getroffen und nachhaltige Umsatzschäden bewirkt." Jens Küffner, Programmchef von ffn

Die Bundesregierung hatte die Sorgen der privaten Sender, darunter auch zahlreiche lokale Anbieter, noch vergangenen Sommer gehört und ein 20-Millionen-Euro-Hilfspaket geschnürt. Darüber konnten Stationen bis zu 50 Prozent ihrer Distributionskosten erhalten. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, hatte die Sender bei der Vorstellung des Pakets für ihre Bemühungen im Informationsbereich gelobt. Sie würden "im besten Sinne dem Bedürfnis nach sorgfältiger Recherche und sachlicher Einordnung Rechnung tragen", hieß es. Die Gelder flossen – FFH-Chef Maier sprach gegenüber DWDL.de von einer reibungslosen Antragsstellung und einem Erhalt der Hilfen noch Ende 2020.

In der Tat lief das zweite Halbjahr 2020 für die deutschen Privatsender besser als zunächst erwartet. Jedoch: "Auch wenn die Gattung Radio/Audio sich besser erholt hat als andere klassische Gattungen: Im Radiogeschäft muss man immer unterscheiden zwischen dem regionalen und dem nationalen Geschäft – und das regionale Business hat bei den meisten Sendern den größeren Umsatzanteil." National habe FFH die corona-bedingten Umsatz- und Erlösverluste fast ausgeglichen, "im regionalen Bereich blieben die Umsätze aber sehr deutlich unter Vorjahr", erklärt Maier, der noch dazu von gravierenden Einbußen aus dem Event-Bereich spricht. "Keine Live-Veranstaltungen durchführen zu können, hat nicht nur die Künstlerszene, sondern auch uns sehr getroffen", bestätigt auch Jens Küffner von ffn.

Nicht überall ist die Stimmung derart trüb. In Ismaning, von wo aus mit etwas mehr als 800.000 Hörern pro Durchschnittsstunde Deutschlands meistgehörtes Privatradio sendet, sind die Sorgen offenbar etwas weniger groß. Antenne Bayern könne zufrieden auf 2020 zurückblicken, sagt Geschäftsführer Felix Kovac zu DWDL.de und lobt dabei vor allem die Kolleginnen und Kollegen der Unternehmensgruppe, "die gerade in der Krise großartiges Teamwork gelebt" hätten – egal ob im Funkhaus oder dem Mobile Office. So gelang es Antenne Bayern, nicht zuletzt auch wegen "sehr deutlicher Einsparungen" in Bereichen wie dem Marketing, auf Kurzarbeit zu verzichten. "Wir haben gezielt in die Programme von Antenne Bayern und Rock Antenne investiert, etwa im Bereich frischer digitaler Content mit neuen Streams und Podcasts", zählt Kovac auf. Zudem wurde im Herbst eine der größten Investitionen der Unternehmensgeschichte getätigt; beide Sender sind seitdem Teil des zweiten DAB+-Multiplex und somit über entsprechende Geräte bundesweit zu hören. Trotz nicht einfacher Rahmenbedingungen habe sich die Antenne "unter Berücksichtigung der schwierigen Umstände gut geschlagen", meint Kovac.

Investiert hat auch FFH – antizyklisch und gezielt in redaktionelle Inhalte und die digitale Weiterentwicklung, sagt Geschäftsführer Maier. Dennoch hatte Corona Folgen für den Content, gekürzt wurde etwa beim Promotion-Etat und bei Programmaktionen, heißt es aus Hessen. Weiter im Norden, bei ffn, hätten organisatorische und strukturelle Dinge, wie etwa Home-Office, dazu geführt, dass nicht alle Produktionen wie vor Corona angeboten und erstellt werden konnten. Am Sendersitz in Hannover gab es zudem zeitweise Kurzarbeit und auch einen Personalabbau, wie Küffner bestätigt. "Manche Sendeformate, etwa unsere Samstagabend-Partysendung, wurden schon allein ob des Inhalts wegen in der Krise obsolet. Unsere gewohnten Doppelmoderationen mussten ebenfalls auf Solo-Moderationen umgestellt werden", erklärt der Programmchef des niedersächsischen Audio-Anbieters.

2021 – Hoffnung und Sorge

Ins neue Jahr starten die drei Radiomacher mit gemischten Gefühlen. "Der erneute harte Lockdown bereitet uns mehr als nur Magenschmerzen", macht Maier klar. Werbebuchungen für Januar und die Folgemonate seien eingebrochen. "Die fehlende Perspektive, wann dieser Lockdown insbesondere für den Handel enden könnte, lähmt zurzeit viele Aktivitäten auf dem Werbemarkt", sagt der FFH-Chef. Küffner, eigenen Angaben zufolge grundsätzlich ein optimistischer Mensch, habe die Hoffnung, dass man im Laufe des Jahres Stück für Stück in die Normalität zurückfinden werde.

"Der erneute harte Lockdown bereitet uns mehr als nur Magenschmerzen." Marco Maier, Geschäftsführer der Radio/Tele FFH GmbH

Jedoch nur, wenn alles gut läuft. "Es hängt an den Impfungen, der Bereitschaft der Menschen mitzumachen um sich und andere zu schützen und am Impftempo", sagt Küffner und ergänzt: "Wenn weiterhin zu wenig Impfstoff vorhanden ist und der Großteil der Bevölkerung laut Impfplan erst als letzte Gruppe geimpft wird, wird uns Corona auch 2021 stark einschränken und beschäftigen." Direkt an die Pandemie geknöpft sei auch das ffn-Programm, sagt der ffn-Manager. Weil die Krise die Themenlage dominiere, hätten so auch derzeit zahlreiche Programmaktionen oder Events "keine Chance auf Umsetzung." Ein unterhaltsames und informatives Programm, das verspricht Küffner jedoch auch jetzt unter den schwierigen Bedingungen. Klar sei aber: "Gravierende Ereignisse hinterlassen im gesamten Unternehmen deutliche Spuren." Trotz allem aber blickt er kraftvoll nach vorn.

"Krise bedeutet auch Chance – Zeit für neue Formate und Innovationen" und davon habe ffn einiges im Köcher, meint Küffner und schließt sich somit gewissermaßen Felix Kovac von Antenne Bayern an, der für sein Haus auch im neuen Jahr optimistisch bleibt. "Wir halten unseren Kurs und setzen weiter auf eine hybride Digitalstrategie, die im Wesentlichen auf dem Aufbau unserer Reichweiten über DAB+ und Online-Audio fußt." Zudem werde während des Lockdowns auch besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der Mitarbeitenden gelegt. "Ein Dreiklang aus Gesundheitsschutz, Aufrechterhaltung des Sendebetriebs und damit wirtschaftliche Stabilität hat sich 2020 für unsere gesamte Unternehmensgruppe bewährt", erklärt Kovac und nimmt somit gleichermaßen auch im neuen Jahr wieder die Politik in die Pflicht.

"60 Minuten Radiowerbung pro Werktag, wie dies der NDR bereits praktiziert, sind aus unserer Sicht ausreichend." Felix Kovac, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Antenne Bayern, fordert eine Werbezeitenobergrenze der ARD-Wellen

Denn auch er könne wegen des neuerlichen Lockdowns nicht absehen, wie sich der private Rundfunk entwickle. "Insofern würden wir es begrüßen, wenn auch die Restmittel der im Jahr 2020 zur Verfügung gestellten Bundeshilfe zur Verfügung stünden." Es werde Aufgabe der verschiedenen Rundfunkverbände sein, sich dafür einzusetzen. Zudem bleibt Kovac bei seiner schon im Vorjahr geäußerten Forderung, eine flächendeckende Werbezeitenobergrenze für ARD-Hörfunkangebote von 60 Minuten pro Tag einzuführen. "Die freiwerdenden Werbespendings könnten dazu beitragen, dass privatwirtschaftlich finanzierte Rundfunkangebote die Folgen der Covid-19-Pandemie schneller überwinden."

Weniger als sonst absehbar dürfte zudem die Entwicklung der Hörerzahlen sein. Seit Anfang Dezember rufen Marktforscher wieder Menschen in ganz Deutschland an, um Details zur Radionutzung zu ermitteln. Der Erhebungszeitraum erstreckt sich bis Ende März. Viele Menschen werden diesmal von ihrem Nutzungsverhalten im Lockdown berichten. Welche Auswirkungen das auf die Zahlen hat, wird Teil der im Juli veröffentlichten Ergebnisse der Media-Analyse sein. Diese ist dann Grundlage für die Werbepreise 2022.