Wenn Sie wissen wollen, wie das neue RTL aussieht, sollten sich womöglich einfach das alte vorstellen. Wer an diesem Dienstagabend bei RTL landet, dürfte sich jedenfalls an eine Zeitreise in die 90er Jahre erinnert fühlen. Der jüngste der Kandidaten ist 62 und hört auf den Namen Ingolf Lück, daneben stehen mit Marijke Amado und Harry Wijnvoord zwei Altstars, die eine Zeit lang zwischen "Minilädchen" und "Plinko" selbst zum Inventar des Kölner Marktführers gehörten. Einzig der junge Mann namens Chris Tall, der durch den Abend führt, deutet darauf hin, dass es sich bei "Murmel Mania" doch nicht um eine Wiederholung von 1996 handelt, sondern um eine Show von heute.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Die neue Show-Hoffnung von RTL heißt tatsächlich "Murmel Mania". Der Titel beschreibt ziemlich gut, was dem Publikum über zwei Stunden hinweg zur besten Sendezeit geboten wird. Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem ersten "Domino Day" hat man in Köln nun also die Murmeln für sich entdeckt, die Amado, Lück und Wijnvoord wahlweise durch sogenannte Geschicklichkeits- und Glücksbahnen bugsieren müssen. Und das sieht bisweilen genauso absurd aus wie es klingt.

Zumindest für die beiden Holländer dürfte die Show nicht gänzlich neu sein, schließlich ist das Produktionsteam von RTL Studios eigens in die Niederlande gereist, wo das Original schon vor einigen Monaten aufgezeichnet und von den Verantwortlichen in Deutschland offensichtlich für unterhaltsam genug empfunden wurde, um es hierzulande um 20:15 Uhr auch mal zu probieren. "'Murmel Mania' ist eine Show, die ich schon immer machen wollte: Eine Show für die ganze Familie", sagt Chris Tall, den RTL als Moderator auserkoren hat. Das ist eine durchaus spannende Wahl, immerhin hat man den gerade 30 Jahre alt gewordenen Comedian bislang vornehmlich in Comedyshows gesehen. 

Murmel Mania © TVNOW / W. Rutten Moderator Chris Tall mit Ingolf Lück, Harry Wijnvoord und Marijke Amado.

"Für mich ist das eine ganz neue Aufgabe und auch Herausforderung, weil meine Rolle in den Sendungen einen Mix aus Comedian und Moderator erfordert", erklärt Tall im Gespräch mit DWDL.de und räumt ein: „In manchen Momenten bin ich sicher noch nicht da, wo ich als Moderator hinmöchte." Er sei von Haus aus Stand-Upper und Moderieren sei eben doch "eine ganz andere Nummer", gewissermaßen "Learning by Doing". Um für den Sprung auf die Primetime-Bühne gewappnet zu sein, erhält Chris Tall schon seit einigen Jahren ein Moderations-Coaching, denn sicher ist sicher. "Es gibt nichts Schlimmeres, als sich maßlos zu überschätzen", sagt er.

Bei "Murmel Mania" klappt das mit den Moderationsversuchen schon ganz gut, weil eigentlich alles, was hier passiert, ziemlich selbsterklärend ist und Chris Tall angesichts der bunten Kulissen ähnlich ins Staunen kommen darf wie die "alten Hasen", die neben ihm ihre roten, blauen und gelben Kugeln in bemerkenswert aufwendig gestalteten Murmelpisten anfeuern. Mal brausen sie vorbei an drehenden Tuplen oder beweglichen Holzschuhen im Hollard-Parcours, ein anderes Mal geht’s für die Murmeln von der Golden Gate Bridge durchs Brandenburger Tor bis hin zum Empire State Building. Irgendwie absurd, aber durchaus charmant. Und wenn im Finale gleich 6000 Kugeln um die Wette murmeln, wird's sogar richtig laut.

"Lieber Murmeln als Super League"

Frank Buschmann © TVNOW / Robert Grieschek Frank Buschmann
Doch warum Murmeln in der Primetime? "Das lineare Fernsehen struggelt. Da braucht es verrückte Shows mit einem Hallo-Wach-Effekt", findet Chris Tall und auch Frank Buschmann, der den kuriosen Murmel-Wettbewerb als Kommentator begleitet, zeigt sich erstaunt, dass das Konzept irgendwie aufgeht: "Jedes Klischee wird komplett erfüllt - und das ist in diesem Fall wirklich toll“, sagt er, angesprochen auf die liebevollen Details, mit denen die Bahnen gestaltet sind. Dass es nicht um sportliche Höchstleistungen geht, stört ihn dabei herzlich wenig. "Ich habe schon Badewannen-Enten-Rennen kommentiert, da kriege ich das auch noch hin", scherzt Buschmann. Und überhaupt: "Lieber Murmeln als Super League.“

Wichtig sei, "aus der kleinsten Spielerei das größte Ding zu machen und alles herauszukitzeln", betont der Sportreporter und verweist auf die Challenge, die bei "Murmel Mania" trotz der Nonsens-Idee nicht zu kurz kommt. "Ich hasse im Fernsehen nichts mehr als Gleichgültigkieit", sagt er. "Es darf niemals alles egal sein. Denn wenn alles egal ist - warum sollte ich es dann schauen?" Und so kommentiert Frank Buschmann in dieser und den nächsten drei Wochen die Murmel-Rennen ähnlich emotional wie man ihn samstags aus der Bundesliga-Konferenz kennt. 

Die meisten Kommentare zur neuen RTL-Show wird Buschmann dagegen allenfalls am Rande mitbekommen, weil sich der Kommentator kürzlich dazu entschlossen hat, Twitter und Facebook den Rücken zuzukehren. "Das hat nichts mit der Hetze gegen mich zu tun. Die generelle Empörungskultur führt in die falsche Richtung", erklärt er gegenüber DWDL.de. "Es ist allerdings schwierig, immer nur den Finger in die Wunde zu legen und nicht zu handeln. Mir gefällt einfach nicht mehr, was da passiert. Daher war es auch eine Frage des Spiegelbildes des Menschen, den ich jeden Morgen sehe."

Um die Social-Media-Begleitung zu "Murmel Mania" werden sich also andere kümmern müssen - wenn überhaupt. In den 90ern ging's ja schließlich auch ganz gut ohne.

"Murmel Mania", dienstags um 20:15 Uhr bei RTL