Dass es im Jahr 2021 noch immer so erwähnenswert ist, wenn bei einer Sketch-Comedy vor und hinter der Kamera fast ausschließlich Frauen den Ton angeben, sagt mehr über die Branche aus als über das weibliche Humorpotenzial. Die Frau, deren Idee "Queens of Comedy" war und die sämtliche Macherinnen zusammengetrieben hat, ist vielleicht selbst am meisten erstaunt: "Ich habe mich am Anfang schon gefragt: Kriegen wir das wirklich hin, dass nur Frauen schreiben? Gibt es genug gute Autorinnen? De facto war es dann überhaupt kein Problem. Es hat an nichts gefehlt. Und es werden auch Gott sei Dank immer mehr", sagt Melanie Grün, Geschäftsführerin der Kölner Produktionsfirma Paloma Pictures, im Gespräch mit DWDL.de.

Die Erkenntnis ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Grün in der Branche seit langem ein Renommee für weiblich geprägte Comedy genießt. Sie hat "Ladykracher" für Brainpool produziert, "Knallerfrauen" und "Ellerbeck" für Prime Productions, "Rabenmütter" für UME. Während auch dort überall Frauen die Hauptrollen spielten, waren hinter den Kulissen meistens mehr Männer tätig. "Wenn man über Jahre gut mit eingespielten Teams zusammenarbeitet, hinterfragt man das nicht unbedingt", so Grün. "Vor 'Queens of Comedy' hatte ich noch nie eine Regisseurin engagiert, weil es einfach keine gab, die Sketch-Comedy-Erfahrung hatte. Wenn man als Produzentin nicht bewusst etwas daran ändert, dann ändert sich nichts."

Also erweiterte sie ihren Suchradius diesmal von "Sketch-Comedy" auf "lustige Serie" – und stieß auf Suki Maria Roessel, die die RTL-Serie "Jenny – echt gerecht!" geschrieben und inszeniert hatte. Headautorin Tanja Sawitzki wiederum kannte Grün schon von "Knallerfrauen". Ihr standen sieben weitere Autorinnen zur Seite, von denen die meisten "heute-show"- oder "Knallerfrauen"-erfahren sind. Schnitt und Ausstattung musste Grün als einzige wesentliche Positionen männlich besetzen, weil keine der angefragten Frauen Zeit hatte. Dass sie zudem in kürzester Zeit Top-Namen wie Cordula Stratmann, Annette und Caroline Frier, Diana Amft, Gisela Schneeberger oder Ina Paule Klink verpflichten konnte, spricht wohl für die Formatidee, aber auch für Ruf und Überzeugungskraft der Produzentin. So antwortet etwa Cordula Stratmann auf die Frage, warum sie bei "Queens of Comedy" mitgemacht habe: "Weil Melanie Grün mich gut gelaunt eingeladen hat, meinen Teil in dieser Serie beizusteuern", und Caroline Frier gibt zu Protokoll: "Melanie Grün und ich kennen uns schon lange und haben bei dem gemeinsamen Projekt 'Comedy Cuisine' gemerkt, dass wir uns nicht nur sehr gut verstehen, sondern auch bestens zusammenarbeiten können." Diana Amft wollte eigentlich nur anrufen, um höflich abzusagen. Am Ende eines langen Telefonats mit Grün hatte sie ihre Meinung geändert.

Über Paloma Pictures

  • Die Kölner Produktionsfirma wurde Anfang 2019 gegründet – als Joint Venture zwischen der erfahrenen Comedy-Produzentin Melanie Grün (49 Prozent) und der Hamburger Leitwolf TV- und Filmproduktion (51 Prozent).

  • Geschäftsführer sind Melanie Grün und Leitwolf-Chef Rüdiger Wolf. Die erste Paloma-Produktion war "Comedy Cuisine" mit Caroline Frier und Abdelkarim für den ARD-Spartenkanal One.

Queens of Comedy © ZDF/Frank Hempel Gisa Flake spielt das Gehirn von Caro Frier bei der Kleiderauswahl
Die Schauspielerinnen waren außergewöhnlich eng in die Entstehung ihrer Sketche eingebunden. Grün und Sawitzki trafen sich mit ihnen vorab, um nach Wünschen und Ideen für ihre Figuren zu fragen. Diese wurden dann in die Drehbücher eingebaut. Eine Arbeitsweise, die offenbar Bindung schafft. Jedenfalls stehen laut Grün alle Darstellerinnen für eine zweite Staffel bereit. Ob es in die Verlängerung geht, wird das ZDF wohl nicht nur aufgrund der linearen Quoten am Freitagabend entscheiden, sondern vor allem anhand der Abrufe in der Mediathek. Da mit Start der ersten Folge direkt alle sechs online bereitstehen sollen, ist der Zeitdruck beachtlich: Im Sommer 2020 präsentierte Grün ihr Konzept bei ZDF-Comedy-Chef Roman Beuler – inklusive des von ihr erfundenen Labels "Female-First-Produktion", das der Sender jetzt gern ins Schaufenster stellt. Von November bis Januar wurde unter Corona-Bedingungen gedreht. Da einige Sketche im Mai nachgedreht wurden, dauert die Postproduktion bis zur letzten Minute. Der Nachdreh diente dazu, noch aktuelleres und bissigeres Material zum Polit-Phänomen Annalena Baerbock oder zum Missbrauch in der katholischen Kirche hinzuzufügen.

Fast zwangsläufig stellt sich die Frage an die Comedy-Veteranin, die 2003 als Set-Aufnahmeleiterin und Junior-Producerin bei Brainpool startete, was denn nun grundlegend anders läuft, wenn das Team nahezu rein weiblich ist. "Einige Entscheidungen fallen schneller, weil es in vielen Dingen einfach eine gemeinsame Grundschwingung gibt", sagt Melanie Grün. "Umgekehrt muss man mit Blick auf die Dialoge fast nie erklären, dass eine Frau so nicht reden würde." Im Vergleich zu früheren Sketch-Shows habe man mehr darauf geachtet, nicht zu viele Geschlechterklischees zu bedienen und deutlich diverser zu erzählen. "Wir zeigen ein lesbisches Date als Selbstverständlichkeit. Darüber habe ich früher, ehrlich gesagt, gar nicht nachgedacht."

Und auch aus ihrem eigenen Leben als alleinerziehende Mutter sind Erfahrungen in die Sketche eingeflossen, beispielsweise wenn Caro Frier sich als solche bei der Superhelden-Zulassungsstelle bewirbt. "95 Prozent meines Umfelds haben mich davor gewarnt, eine eigene Firma zu gründen, wenn ich mein Kind nicht ständig abschieben will", erinnert sich Grün. "Inzwischen weiß ich, dass es zwar manchmal hart ist, aber trotzdem funktionieren kann. Wesentliche Teile der Planung von 'Queens of Comedy' haben mit iPad und Telefon auf dem Spielplatz stattgefunden, weil der Kindergarten coronabedingt geschlossen hatte. Ich habe meinem Sohn gesagt: Du musst jetzt eine Stunde klettern, Mama muss telefonieren."

Sollen nun alle künftigen Produktionen von Paloma Pictures "female first" werden? Melanie Grün schüttelt den Kopf. Sie hat zurzeit etwa acht Formatideen im Pitch-Stadium bei verschiedenen Sendern und Plattformen, darunter sämtliche Spielarten der Comedy von der Sitcom bis zur Studio-Show. Auch Männer dürfen in leitender Position dabei sein. Was sich allerdings verändert hat, ist das Denken der Produzentin: "Oft genug hatte ich ja selbst zuerst Männer im Kopf, wenn es um die Besetzung neuer Projekte ging. Künftig sollte natürlich keiner mehr ‘first’ sein. Ich hoffe, wir können dazu beitragen, dass es bald Normalität und gar kein Thema mehr ist."

"Queens of Comedy" läuft sechs Wochen lang freitags um 22:30 Uhr im ZDF. Alle Episoden in der ZDF-Mediathek.