"Stern TV" zählt zu den echten Dauerbrennern im Programm von RTL. Seit der Privatsender dem Magazin jedoch die neue Nachrichtensendung "RTL Direkt" vorgesetzt hat, gingen nicht nur die Quoten zurück - auch die Sendezeit reduzierte sich durch die einschneide Programmänderung um 20 Minuten, wohlgemerkt pro Woche. Es ist eine Entwicklung, die in der Redaktion nicht gerade mit Freude vernommen worden ist.

Dass "Stern TV" dennoch aktuell in Summe mehr Programmfläche einnimmt als in der Vergangenheit, hängt mit einer neuen Lust am Ausprobieren zusammen, die den Kölner Sender in diesen Wochen ereilt hat. So wie am Sonntag vor einer Woche, als RTL nach dem Spielfilm "Fifty Shades of Grey" plötzlich ebenfalls "Stern TV" ausstrahlte. Was als klassische Ausgabe auch in Programmzeitschriften angekündigt war, entpuppte sich allerdings als mit Magazin-Beiträgen angereicherte Gesprächsrunde, deren Studiosequenzen bisweilen eher an eine bunte Ausgabe von "Markus Lanz" erinnerten, auch wenn der Moderator freilich Steffen Hallaschka hieß.

Zusammen mit Olivia Jones, Serdar Somuncu und "Doc Caro" sowie weiteren wechselnden Gästen diskutierte Hallaschka fast zwei Stunden lang über einen bunten Strauß an Themen - von Freiheiten für Geimpfte bis hin zu "Oben ohne"-Rechten. Das Ergebnis fiel ordentlich aus: Trotz allenfalls mäßiger Promotion erreichte "Stern TV - Der Talk" immerhin einen Marktanteil von mehr als elf Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, was über den inzwischen kräftig gesunkenen Normalwerten des Marktführers liegt.

Bei RTL will man sich, angesprochen auf eine mögliche Zukunft des Talk-Ablegers, nicht in die Karten schauen lassen. Angesichts der guten Zahlen käme eine Fortsetzung jedoch gewiss nicht überraschend. "Wir sind zufrieden mit dem Talkexperiment und prüfen jetzt, ob es demnächst weitere Ausgaben geben wird", erklärt RTL-Sprecher Claus Richter gegenüber DWDL.de Und ganz grundsätzlich probiere man derzeit ja "viel Neues aus, um relevante Themen aufzuarbeiten".

Auffällig ist, dass dieses Ausprobieren vor allem unter dem etablierten "Stern TV"-Label sehr ordentlich funktioniert, auch abseits des Talks. Seit dem Sommer hatte RTL gleich mehrere Specials des Magazins im Programm, die allesamt für gute Quoten sorgten. Eine Ende Juli am späten Abend gezeigte Ausgabe über den Amoklauf in München verzeichnete fast 14 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum, wenig später erzielte eine Ausgabe zum 11. September mehr als elf Prozent und Ende September sendete RTL gleich zwei Specials an einem Abend: "Das Gehaltsexperiment" erreichte in der Primetime fast zwei Millionen Menschen sowie 14 Prozent Marktanteil, ehe ein Schwerpunkt über die berühmt-berüchtigte Familie Ritter später mehr als 15 Prozent schaffte.

In diesem Windschatten performte sogar das bislang etwas schwerfällige Nachrichtenmagazin "RTL Direkt" mit überzeugenden Quoten. Kein Wunder also, dass noch in diesem Jahr weitere "Stern TV"-Specials geplant sind, "sowohl zu aktuellen als auch zu zeithistorischen Themen", wie RTL auf DWDL.de-Nachfrage bestätigt. Praktischer Nebeneffekt: Seit der Übernahme von Gruner+Jahr durch RTL Deutschland erscheinen Synergien zwischen der Print-Marke und ihrem TV-Ableger aus Sicht des Medienhauses sinnvoller denn je. Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund allerdings die Tatsache, dass der TV-Ausbau der Kernmarke von G+J nicht etwa durch RTL News erfolgt, sondern von der externen Produktionsfirma i&u TV, die inzwischen Teil des Leonine-Universums ist.

Und der Stellenwert der Sendung dürfte perspektivisch eher noch steigen. "Im Rahmen unserer Informationsoffensive ist eine so starke und etablierte Marke wie 'Stern TV' ein ganz wichtiger Baustein für uns, den wir zukünftig noch mehr nutzen wollen", betont RTL-Sprecher Claus Richter. "In einem ersten Schritt möchten wir mit den Specials über das Jahr hinaus wichtige Themen besetzen, die Deutschland bewegen." Wie ein zweiter Schritt aussehen könnte, ließ der Sender offen. Nicht ausgeschlossen allerdings, dass dem gerade getesteten "Stern TV"-Talk perspektivisch eine größere Rolle zukommen wird.