Hans Koch © ndF Hans Koch
Ein Kommissar, der in der Ballettschule seiner Tanten wohnt: Das war der Ursprungsgedanke einer "heiter bis tödlichen" ARD-Krimiserie, die vor über zehn Jahren ihre Gestalt annahm. "Unser Projekt begann, als im Ersten gerade 'Mord mit Aussicht' sehr erfolgreich war. Die Autorin Marie Reiners unterbreitete uns damals die Krimi-Light-Idee eines Kommissars, der mit seinen beiden schrulligen Tanten über deren Ballettschule wohnt und skurrile Mordfälle ermittelt", erinnert sich "Morden im Norden"-Produzent Hans Koch von der ndF: Berlin im Gespräch mit DWDL.de. Doch von der ersten Idee zur letztlichen Serie war noch ein Weg zu gehen. Klar war: "Die ARD hatte seinerzeit den naheliegenden Plan, den Vorabend mit sogenannten Schmunzelkrimis á la 'Mord mit Aussicht' zu bespielen", sagt Koch.

Die Gestaltung einer neuen Serie und eines Sendeplatzes aber habe eben ihre eigene Dynamik, "mit vielen kreativen Wechselwirkungen", wie Koch es nennt. Und so ging im Februar 2012 ein Schmunzelkrimi auf Sendung, der sich schon ein Stück weit von den ersten Ideen entfernt hatte. "Geblieben ist am Ende der Schauplatz Lübeck und ein Kommissar namens Kiesewetter. Auch seine Tanten waren nur anfangs dabei – mit Teeladen statt Ballettschule", erinnert sich der Produzent. Die Tanten waren dann nach 24 Folgen der Serie auch Geschichte.

Das ist aber nur ein Teil des Wandels, die die von Marie Reiners ("Mord mit Aussicht") erdachte Serie noch nehmen sollte. Inzwischen wird "Morden im Norden" in einem ganz anderen Genre erzählt. Vom Schmunzelkrimi jedenfalls hat sich das Format vollends verabschiedet und ohnehin hat sich die komplette ARD fast ausnahmslos von diesem Genre entfernt. Schmunzelkrimis, die auf illustre Titel wie "Fuchs und Gans", "Akte Ex", "Zwischen den Zeilen" oder "Nordisch Herb" hörten, waren schnell Geschichte, einzig "Hubert und Staller" (mittlerweile: "Hubert ohne Staller") hat neben "Morden im Norden" bis heute überlebt.

Koch beschreibt seine montags um 18:50 Uhr im Wechsel mit dem Klassiker "Großstadtrevier" beheimatete Serie von der Küste zu ihrem zehnten Geburtstag nun als "realistisches Krimi-Melodram mit relevanten Themen, emotionalen Konflikten und einem schönen Teamplay", als Format, das sich von Staffel zu Staffel weiter entwickelt habe.

Dass von nun an wieder an 16 Montagen im Norden ermittelt und gemordet wird, es ist bei Weitem nicht selbstverständlich. Auch nicht, dass ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann eben jene Serie in einem Vorwort im Presseheft als "aus dem Vorabendprogramm nicht mehr wegzudenken" anpreist. Weniger als sechs Prozent Marktanteil insgesamt hatte die erste Staffel der Serie nämlich im Jahr 2012 verbucht, die zweite Runde schloss sich mit minimal mehr an. "Wir starteten mit mäßigen Quoten auf einem Sendeplatz, den die Branche die 'Todeszone' nannte", kann Koch heute mit einem Schmunzeln zurückblicken. Ein Himmelfahrtskommando sei die Serie anfangs gewesen, erinnert er sich. Doch ab Staffel vier legten die Marktanteile plötzlich deutlich zu; über neun Prozent stiegen die Werte. Längst hatte sich "Morden im Norden", aber auch der 18:50 Uhr-Sendeplatz des Ersten generell, zu entwickeln begonnen. "Der Motor für diese Entwicklung war das verlässliche Vertrauen von Frank Beckmann und Christoph Schmidt, sowie die grandiose Zusammenarbeit mit unserer Redaktion - mit Diana Schulte-Kellinghaus, die von der ersten Folge an dabei ist, und Karsten Willutzki. Dafür bin ich enorm dankbar, weil dieses Maß an Vertrauen, kreativem Spielraum und gelassener Experimentierfreude nicht selbstverständlich ist." Nur das Vertrauen aber, berichtet Koch, habe es möglich gemacht, die Serie so radikal zu verändern und sich auf Potentiale zu fokussieren.

"Von meinem Gefühl her war jeder Entwicklungsschritt dabei immer stimmig und inspirierend. Und nach jeder Staffel, die dann wieder etwas besser lief, dachten wir immer alle, dass wir gerade erst so richtig anfangen", sagt Koch. Geblieben sind von Folge eins an Sven Martinek, also Finn Kiesewetter, jene Figur, die letztlich nie über einem Ballettstudio wohnte und sein Kollege Ingo Naujoks, der den Ermittler Lars Englen spielt. Etwas mehr als 100 Drehtage im Jahr stehen sie für die ARD-Vorabendserie zur Verfügung. In dieser Zeit entsteht dann eine 16-teilige Staffel. Im Vergleich zu anderen Vorabendformaten, seien es die ZDF-"SOKOs" oder auch das quotenstarke "Rosenheim-Cops", ist das eine nicht ganz üppige Schlagzahl. "16 Folgen pro Staffel sind ein guter Umfang. So erreichen wir notwendige Synergien und haben die Möglichkeit, unsere Autorinnen und Autoren zu binden. 16 Folgen sind aber auch für unsere Schauspieler eine gute Staffellänge", erklärt Koch.

Jede Folge ein "uniques Drama"

"Um zusammen mit Anna Neudert, der Producerin von 'Morden im Norden' und dem ganzen Team, die hohe Qualität der Bücher und Umsetzungen zu gewährleisten, wären mehr Episoden pro Jahr aber auch kaum machbar. Nur so wird aus jeder Folge ein uniques Film-Drama", meint Koch. Und das ist ihm wichtig: Weil seine Serie eine dichtere Erzählweise aufweist als manch anderer Vorabendkrimi und zudem eine größere Motivvielfalt hat, brauche man die notwendige Zeit im Developement.

Nicht weniger als eine "kleine Wundertüte" verspricht der Kreative daher auch in den kommenden Wochen, wenn die 16 neuen Folgen auf Sendung gehen. "Wir haben uns vor allem wieder unsere variantenreiche Erzählweise erhalten. Mal sind wir Thriller, mal Melodram, mal klassischer Who-dunnit. Aber stets legen wir den Fokus auf die menschlichen Hintergründe eines Mordfalls", sagt Koch. Spannende Geschichten seien es geworden, getragen von "toll besetzten Episoden-Charakteren".

Etwas mehr als 3,2 Millionen Menschen verfolgten die 2021 gezeigte Staffel, beim Gesamtpublikum schmeckt die Quote längst an die Zwölf-Prozent-Marke heran – damit wurde etwa das "Großstadtrevier" hinter sich gelassen. Der Kult-Krimi des Ersten ist Ende 2021 auf nur etwas mehr als 2,6 Millionen Zusehende gefallen, knapp unter elf Prozent lagen die gezeigten Episoden aus Hamburg. Eine "ideale Ko-Existenz" habe man mit dem "Großstadtrevier" findet Koch. "Beide haben eine ähnliche Farbe als hanseatische Krimis der ARD. Und bei allen verbindenden Elementen, gibt es auch sehr prägnante Unterschiede."

Und Unterschiede herausarbeiten, das haben die Macherinnen und Macher von "Morden im Norden" in den zurückliegenden zehn Jahren bewiesen, können sie. 

"Morden im Norden", montags um 18:50 Uhr im Ersten. Und in der ARD-Mediathek.