Am vergangenen Dienstag haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron in Berlin zu Gesprächen getroffen. Als sie danach gemeinsam vor die Presse traten, war das auch bei Phoenix zu sehen. Der öffentlich-rechtliche Sender übertrug die Pressekonferenz gegen 18 Uhr. Es ging um die Russland, die Ukraine, Corona und die französische Ratspräsidentschaft. Spannend war das Zusammentreffen auch deshalb, weil Scholz erstmals als Bundeskanzler auf Macron traf. 

In Österreich war die Pressekonferenz mit ein wenig Zeitverzug auch beim kleinen Nachrichtensender oe24.TV zu sehen. Der hatte aber offensichtlich kein eigenes Kamerateam in Berlin und bediente sich deshalb einfach bei den Kolleginnen und Kollegen von Phoenix. Nach einer kurzen Studio-Sequenz kündigte die Moderatorin die Pressekonferenz an, die dann auch direkt startete. Dort fiel die Übernahme des TV-Signals dann sofort auf: Neben dem oe24.TV-Logo rechts unten war auch das Phoenix-Logo links oben deutlich zu erkennen. 

Zeitweise war der Phoenix-Schriftzug auch durch ein "Live"-Insert von oe24.TV überdeckt. Und auch andere Phoenix-Einblendungen wie das Laufband am unteren Ende des Bildschirms wurde von oe24.TV durch einen eigenen Schriftzug überdeckt. Dass es sich dabei um eine Übernahme des TV-Signals eines anderen Senders gehandelt hat, war dennoch immer deutlich zu erkennen. Kurz nach dem Beginn der Fragerunde klinkte sich oe24.TV aus dem Phoenix-Programm aus und ging zurück ins Studio. Rund 15 Minuten lang hatte man da das Signal des Konkurrenten übernommen. 

oe24 / Phoenix © Screenshot Phoenix Zeitweise war auch das Phoenix-Logo oben links durch eine Einblendung von oe24.TV verdeckt.

Auf Nachfrage von DWDL.de zeigt man sich bei Phoenix erstaunt über die ungebetene Verbreitung des eigenen Programms in Österreich. "Es lag uns keine Anfrage von oe24.TV vor und demzufolge sind unsere Bilder ohne unsere Zustimmung verwendet worden", erklärt ein Sendersprecher. Man werde den Vorgang nun an die Juristen des Senders übergeben, die die Sache prüfen, so der Sendersprecher weiter. Gut möglich, dass sich Phoenix demnächst mit der Führung von oe24.TV über den Vorfall austauschen wird. Von einer außergerichtlichen Einigung bis hin zu anwaltlichen Schritten scheint alles möglich. 

oe24.TV ist ein Wiederholungstäter

oe24.TV ist in Sachen Signalklau jedenfalls kein unbeschriebenes Blatt. 2019 filmte der Sender während des Opernballs einfach große Bildschirme ab, auf denen der ORF die Veranstaltung übertrug (DWDL.de berichtete). Rechtliche Konsequenzen hatte das für den Sender damals nicht, wenngleich es Hohn und Spott aus der Branche hagelte. Im Februar 2020 bediente man sich dann beim deutschen Nachrichtensender ntv - und dort wollte man die ungefragte Bilderübernahme nicht so einfach hinnehmen. oe24.TV gab damals eine Unterlassungserklärung ab und überwies Geld nach Köln, damit war die Sache vom Tisch. 

Wolfgang Fellner, Chef der Mediengruppe Österreich, erklärte damals gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", sich bei der damaligen ntv-Chefin Tanit Koch entschuldigt zu haben. Er sagte jedoch auch, nichts mit der Sache zu tun gehabt zu haben. Vielmehr sei es die Idee eines jungen Chefs vom Dienst gewesen, der sich in der ersten Dienstwoche befunden habe. Das habe allen Dienstanweisungen widersprochen, so Fellner. Man habe sich von dem Mitarbeiter daher "umgehend einvernehmlich getrennt". Wie es zur Übernahme des Phoenix-Signals gekommen ist, ist aktuell noch unklar. Eine DWDL.de-Anfrage vom Donnerstagnachmittag ließ oe24.TV bislang noch unbeantwortet, Auswirkungen hatte sie aber durchaus. Das Video der Pressekonferenz war bis Donnerstagnachmittag nämlich auch auf dem Youtube-Kanal von oe24.TV verfügbar. Kurz nach der DWDL.de-Anfrage hat der Sender das Video auf privat gestellt, es kann also nicht mehr angesehen werden. 

Bild TV bediente sich zur Wahl bei ARD und ZDF

Dass die Übernahme von TV-Bildern durchaus unterschiedlich bewertet wird, haben die letzten Monate gezeigt. Zur Bundestagswahl im September bediente sich Bild TV am Wahlabend lange am Programm des Ersten und des ZDF. Beide Sender gingen juristisch dagegen vor und erzielten Teilerfolge. So durfte der Sender einen rund 13-minütigen Ausschnitt der "Berliner Runde" nicht vom ZDF übernehmen, ein kürzerer Ausschnitt war nach Ansicht des Landgericht Kölns aber kein Problem. Später entschied das Landgericht Berlin, dass der Sender auch die Hochrechnungen und Prognosen des Ersten nicht übernehmen durfte, sehr wohl aber ein Interview mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. 2021 gab Springer außerdem eine Unterlassungserklärung ab, weil man im Mai Material vom WDR-Europaforum ungefragt übernommen hatte.