Seit dem vergangenen Frühjahr weist die AGF nun wieder Mediatheken-Charts aus - setzt dabei zur Enttäuschung vieler als Währung aber auf die sogenannten Netto-Reichweiten, die nicht vergleichbar sind mit dem, was man seit Jahrzehnten von der TV-Quote gewohnt ist und auf die eine ganze Branche jeden Morgen blickt. Bei diesen üblichen Zahlen handelt es sich um die durchschnittliche Sehbeteiligung - nur jemand, der eine Sendung komplett gesehen hat, wird also als kompletter Zuschauer gezählt, wer nur wenige Sekunden gesehen hat, fällt hingegen kaum ins Gewicht.

Obwohl die AGF solche Zahlen auch fürs Streaming von TV-Inhalten misst, werden diese nicht öffentlich bekannt gegeben, stattdessen setzt man auf die Netto-Reichweite - jeder, der nur eine Sekunde eines Streams gesehen hat, wird also auch direkt als Zuschauerin oder Zuschauer gezählt. Auch diese Daten gibt es schon immer fürs Fernsehen, sie sind aber nur sehr begrenzt aussagekräftig und ergeben aufgrund des üblichen Zappings im TV in der AGF-Hochrechnung häufig abstrus überhöhte Werte. Jahrzehnte hat sie auch niemand veröffentlicht, erst angesichts sinkender Reichweiten schleichen sie sich nun in die Kommunikation mancher Sender ein. DWDL hat aufgrund dieser ungünstigen Datenlage bislang auf die Auswertung der Streaming-Charts der AGF verzichtet. Da sie rein aufs Streaming bezogen und ohne Berücksichtigung der TV-Netto-Reichweite aber in sich eine Aussagekraft haben, welche Sendungen in den Mediatheken besonders gefragt waren, werden wir künftig immer zur Monatsmitte einen Blick auf die Top20 des Vormonats werfen. Hier aber nochmal der dringende Hinweis: Die angegebenen Reichweiten sind nicht mit den üblichen TV-Quoten vergleichbar.

Die Februar-Hitliste wird dabei zunächst von großen Hits aus dem linearen TV angeführt: Die höchste Netto-Reichweite fuhr demnach der "Bergdoktor" ein. In die Folge vom 17. Februar haben online laut AGF immerhin 980.000 Menschen zumindest mal kurz reingeklickt, nur knapp dahinter landet Folge 1 von "Muttertag - Ein Taunuskrimi", wobei die zweite Folge dann schon ein ganzes Stück weniger gefragt war. Spannender ist aber eigentlich, wer sich schon auf Platz 4 der Rangliste beim Gesamtpublikum wiederfindet: Die Feuerwehr-Doku "Feuer & Flamme", die im linearen TV nur im WDR Fernsehen zu sehen ist, in der ARD-Mediathek mit einer Netto-Reichweite von bis zu 833.000 Menschen aber zu den ganz großen Hits gehört. In der ARD-Mediathek war im Februar tatsächlich kein anderer Inhalt gefragter.

Mediatheken-Charts Februar 2022 / Gesamtpublikum

  Sender EA im TV Netto-Rw. (ab3)
Online in Mio.
Der Bergdoktor ZDF 17.2. 0,980
Muttertag - Ein Taunuskrimi (1) ZDF 14.2. 0,962
Der Bergdoktor ZDF 3.2. 0,874
Feuer & Flamme (37) WDR 7.2. 0,833
Muttertag - Ein Taunuskrimi (2) ZDF 16.2. 0,756
ZERV - Zeit der Abrechnung (1) Das Erste 22.2. 0,749
Feuer & Flamme (38) WDR 14.2. 0,738
Tatort: Liebe mich Das Erste 20.2. 0,719
Angela Merkel - Im Lauf der Zeit Arte 22.2. 0,717
Eisland Das Erste 16.2. 0,716
Nie zu spät Das Erste 26.2. 0,713
Der Beschützer Das Erste 12.2. 0,706
heute-show ZDF 18.2. 0,691
Rebecka Martinsson - Weiße Nacht Das Erste 18.2. 0,671
Germany's Next Topmodel ProSieben 3.2. 0,658
Unsere Geschichte - Die Sturmflut NDR 16.2. 0,653
Feuer & Flamme (39) WDR 21.2. 0,648
heute-show ZDF 11.2. 0,619
Der Bergdoktor ZDF 10.2. 0,612
Der Bachelor (5) RTL 23.2. 0,601

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.02.2022-28.02.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Besonders überraschend ist auch, welche Sendung es gar nicht in die Hitliste geschafft hat, auch nicht in die von der AGF veröffentlichte ARD-interne Top 20. So wurden die ersten vier Folgen von "ZERV - Zeit der Abrechnung", die auch im Ersten liefen, zunächst online noch ziemlich häufig abgerufen, Folge 1 fast 750.000 Mal, Folge 4 immerhin auch noch über 500.000 Mal. Die Folgen 5 und 6 wurden angesichts des Ukraine-Krieges dann aber kurzfristig nicht im Ersten gezeigt, stattdessen wurde das Publikum auf One und die Mediathek verwiesen. Folge 4 sahen im Ersten noch 3,73 Millionen Menschen, Folge 5 bei One dann nur 1,4 Millionen. Man würde also erwarten, dass viele in die Mediathek gewechselt sind - doch hier tauchen die Folgen 5 und 6 gar nicht auf, die Mediatheken-Nutzung hat zumindest laut AGF also mysteriöserweise noch unter der der vorherigen Folgen gelegen.

Arte schaffte es unterdessen in den Mediatheken-Charts in die Top 10, hier war es der Dokumentarfilm "Angel Merkel - Im Lauf der Zeit" von Torsten Körner, den fast 720.000 Leute zumindest mal gestartet haben - wieviele ihn dann auch komplett angesehen haben, geht aus den Zahlen wie erwähnt leider nicht hervor. Generell zeigt sich wieder: Die Öffentlich-Rechtlichen sind den Privaten in Sachen Nutzung auch online weit voraus, bestplatzierte Sendung der Privaten war "Germany's Next Topmodel", RTL schaffte es mit einer "Bachelor"-Folge noch ganz knapp unter die Top 20.

Etwas anders stellt sich das dar, wenn man nur die Nutzung in der Altersgruppe 14-49 betrachtet. Hier führt zwar auch das ZDF dank der "heute-show" die Rangliste an, direkt dahinter folgt aber schon "Germany's Next Topmodel". Bei den Privaten sind es aber nur einzelne Sendungen, die online gut funktionieren, die Mediatheken von ARD und ZDF werden offenbar hingegen stärker in der Breite genutzt. ProSieben brachte vier Mal "GNTM" in die Top 20, RTL vier mal den "Bachelor", bei Sat.1 war "Das große Backen" am gefragtesten, blieb aber weit hinter einer Top20-Platzierung.

Mediatheken-Charts Februar 2022 / 14- bis 49-Jährige

  Sender EA im TV Netto-Rw. (14-49)
Online in Mio.
heute-show ZDF 18.2. 0,506
Germany's Next Topmodel ProSieben 3.2. 0,491
Feuer & Flamme WDR 7.2. 0,476
Der Bergdoktor ZDF 17.2. 0,468
heute-show ZDF 11.2. 0,444
Der Bachelor (5) RTL 23.2. 0,444
Der Bergdoktor ZDF 3.2. 0,429
Der Bachelor (3) RTL 9.2. 0,409
Muttertag - Ein Taunuskrimi (1) ZDF 14.2. 0,402
Germany's Next Topmodel ProSieben 10.2. 0,401
Germany's Next Topmodel ProSieben 24.2. 0,401
Germany's Next Topmodel ProSieben 17.2. 0,398
Der Bachelor (4) RTL 16.2. 0,388
Tatort: Liebe mich ARD 20.2. 0,384
Feuer & Flamme WDR 14.2. 0,375
Der Bachelor (2) RTL 2.2. 0,358
Unsere Geschichte - Die Sturmflut NDR 16.2. 0,340
Prominent getrennt (1) RTL 22.2. 0,340
Feuer & Flamme WDR 21.2. 0,337
Muttertag - Ein Taunuskrimi (2) ZDF 16.2. 0,328

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.02.2022-28.02.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Sehr gut hat für RTL-Verhältnisse online auch "Prominent getrennt" funktioniert. Nur die erste Folge fiel hier in den Februar und schaffte mit einer Netto-Reichweite von 0,337 Mio. 14- bis 49-Jährigen noch den Einzug in die Top 20. Bemerkenswert ist das, weil die Sendung bei der TV-Ausstrahlung ja eher ein Flop mit inzwischen einstelligen Marktanteilen ist. Aber auch hier gilt natürlich: Könnte auch sein, dass bei RTL+ auch alle nach kürzester Zeit wieder raus waren, das lässt sich der Netto-Reichweite eben nicht entnehmen. Ebenfalls bemerkenswert: Wie gut die NDR-Sendung "Unsere Geschichte - Die Sturmflut" bei Jüngeren anlässlich des 50. Jahrestags der Sturmflut in Hamburg funktioniert hat.

So stark werden Streaming-Plattformen am Smart TV genutzt

Die AGF misst seit einiger Zeit auch, wie stark Streaming-Plattformen eigentlich am Smart-TV genutzt werden - umfasst ist hier also nicht, wenn man die Streamingdienste am Tablet oder Computer nutzt, sondern tatsächlich nur am großen Fernseher. Für den Februar ergab sich einer eine Tagesnetto-Reichweite von 3,84 Millionen für Netflix - an einem durchschnittlichen Tag schalteten also so viele Menschen auf dem Smart-TV mal zu Netflix ein. Damit liegt Netflix hier weit vor Prime Video, das auf eine Tagesnettoreichweite von 2,26 Millionen kam, Disney+ war mit 0,42 Millionen noch weit abgeschlagen. YouTube wurd evon 1,67 Millionen am Smart-TV genutzt. Im Vergleich zum Januar gab es hier nur marginale Bewegung.

Netflix wird dabei am Smart-TV nicht nur von mehr Menschen, sondern von jedem Einzelnen im Schnitt auch länger genutzt. Die Verweildauer lag bei Netflix bei 119 Minuten, Prime Video lag bei 89, Disney+ bei 90 Minuten, YouTube kommt auf 80 Minuten. Während sich die Verweildauer auf diejenigen bezieht, die den jeweiligen Dienst überhaupt nutzen, bezieht sich die durchschnittliche Sehdauer auf die Gesamtheit aller TV-Nutzerinnen und Nutzer. Hier liegt Netflix im Februar bei im Schnitt 12 Minuten, Prime Video bei fünf, Disney+ bei einer. Alle TV-Sender kamen zusammen auf 241 Minuten.

Smart Meter Februar 2022 © AGF

Das sieht nach einem riesigen Unterschied aus - es relativiert sich aber, wenn man das mal auf die einzelnen Sendergruppen herunterbricht und nur die 14- bis 49-Jährigen betrachtet. Hier kommt Netflix auf eine durchschnittliche Sehdauer von 15 Minuten pro Tag - und damit genauso viel wie alle Sender der ZDF-Familie zusammen. Alle ARD-Sender lagen bei 20 Minuten, ProSiebenSat.1 bei 28, die RTL-Gruppe bei 34 Minuten. Eine weitere Aufschlüsselung auf einzelne Sender bietet die AGF in ihrer "Smart Meter"-Ausweisung nicht an, Netflix ist in der Nutzung am Smart-TV in der Altersgruppe 14-49 aber somit offenbar schon mit einem größeren Privatsender zu vergleichen.

Und was wurde bei den Streamern am stärksten genutzt?

Die Streamer lassen sich bekanntlich nicht gerne in die Karten schauen was die Nutzung von Inhalten auf ihrer Plattform angeht, eine allgemein akzeptierte unabhängige Reichweiten-Ermittlung von Streaming-Inhalten hat sich bislang noch nicht durchgesetzt, von einzelnen Anbietern gibt's meist gar keine Zahlen. Eine kleine Ausnahme bildet inzwischen Netflix, das zumindest wöchentlich Top 10 veröffentlicht - allerdings wiederum in ganz eigener Metrik der gestreamten Minuten und inklusive dieser Angabe nur auf weltweiter Basis.

Kurios: Während die AGF nun also bei ihren Zahlen gar nicht mehr die Nutzungslänge berücksichtigt, ist das für Netflix das allein ausschlaggebende Merkmal - was auch problematisch ist, weil es im Serienbereich Serien mit vielen langen Folgen im Vergleich zu Serien mit weniger und kürzeren Folgen stark bevorteilt. Wir haben aus den wenigen vorliegenden Daten für die neuesten vier Wochen (Zeitraum 14.2. bis 13.3.) eine Top 5 der am längsten gestreamten Filme und Serien erstellt. Die Datenquelle ist hier Netflix und nicht extern überprüft.

  Gestreamte Minuten
Inventing Anna 456.200.000
Vikings: Valhalla 235.700.000
Love is Blind (Staffel 2) 176.550.000
Pieces of her (Staffel 1) 149.400.000
All of us are dead (Staffel 1) 122.890.000

Quelle: Netflix; Auswertung: DWDL für Zeitraum 14.2. bis 15.3.

Die Serien-Charts werden da erwartungsgemäß von "Inventing Anna" angeführt, die binnen der letzten vier Wochen auf über 450 Millionen Streaming-Minuten kommt, dahinter folgt "Vikings: Valhalla". "All of us are dead" war auf Platz 5 die meistgestreamte nicht-englischsprachige Serie. Sie stammt aus Südkorea und hatte ihre höchste Nutzung schon Anfang Februar, als die Zahlen noch über denen von "Inventing Anna" zu ihrer Hoch-Zeit lagen. Bei den Filmen führt "The Adam Project" die Hitliste an - und das, obwohl der Film erst in der letzten der ausgewerteten Wochen gestartet ist.

  Gestreamte Minuten
The Adam Project 92.430.000
The Weekend Away 70.710.000
The Tinder Swindler 61.630.000
Madea Homecoming 57.970.000
Restless 52.830.000

Quelle: Netflix; Auswertung: DWDL für Zeitraum 14.2. bis 13.3.

Je nachdem, welche validen Datenquellen in der Zukunft verfügbar werden, werden wir dieses monatliche Streaming-Update ausbauen.