Zwei Personalien werden zum ersten Prüfstein für den künftigen Kurs des neuen ZDF-Intendanten Norbert Himmler, der u.a. bei seiner Bewerbungsrede vor dem Fernsehrat im vergangenen Jahr deutlich gemacht hat, woran er sich in seinem neuen Posten messen lassen will. Qualität und Vielfalt gehören dazu. Letzteres wird zur Messlatte für die ersten wichtigen Personalentscheidungen an der Spitze des ZDF.

Mit dem Aufstieg Himmlers vom Programmdirektor zum Intendanten braucht der Sender auf dem Mainzer Lerchenberg  eine neue Führung der Programmdirektion. Aber nicht nur das: Zu erwarten ist zeitnah auch eine Entscheidung über die neue Führung der ZDF-Chefredaktion. Der Vertrag des bisherigen Chefredakteurs Peter Frey (64) endet im September. Dass er in Ruhestand gehen wird, gilt als sicher.

Erstaunlich ruhig ist es um diese beiden Personalien bislang - und das obwohl in gut einer Woche die Entscheidung fallen wird: Der Verwaltungsrat des ZDF, dem die Wahl von Programmdirektion, Chefredaktion und Verwaltungsdirektion obliegt, tritt am Freitag, den 8. April, zu einer seiner fünf jährlichen Sitzungen zusammen. Es ist ein hochpolitisches Gremium, deutlicher als der gesellschaftlich breiter gefächerte und größer besetzte ZDF-Fernsehrat.

Die Causa „Brender“ bleibt auch 13 Jahre später in schlechter Erinnerung: Der damalige ZDF-Intendant Markus Schächter schlug dem Verwaltungsrat die Vertragsverlängerung für Chefredakteur Nikolaus Brenner vor, was jedoch die Mehrheit der unionsnahen Mitglieder im Verwaltungsrat angeführt von Roland Koch, verweigerte. Debatte und Klagen folgten, um den Einfluss politischer Parteien im ZDF-Verwaltungsrat zu begrenzen.

Bettina Schausten © ZDF/Markus Hintzen Bettina Schausten
Wer führt also künftig die ZDF-Chefredaktion sowie -Programmdirektion? Eine dieser beiden offenen Fragen ist einfacher zu beantworten: Seit März 2019 ist Bettina Schausten bereits stellvertretende Chefredakteurin, jetzt könnte die 57-Jährige aufrücken und die erste Chefredakteurin des ZDF seit Gründung des Senders werden. Die allgemein geschätzte Journalistin ist nach Stationen beim Bayerischen Rundfunk und dem Südwestfunk seit 1996 im ZDF.

Sie als bisherige Stellvertreterin bei der Wahl zu umgehen, erscheint unmöglich, will man sie nicht als prominentes Gesicht des Senders verlieren. Es gibt intern keinen unmittelbaren Wettbewerb und eine Verpflichtung von außen wäre angesichts der benötigten Zustimmung des ZDF-Verwaltungsrat eine riskante Strategie: Gewählt wird eher das, was vertraut ist. Insbesondere weil es bei der Chefredaktion vermeintlich um den politischen Kurs des Hauses geht.

Völlig offen ist jedoch, wen ZDF-Intendant Norbert Himmler für die Programmdirektion vorschlagen wird. Mögliche Kandidatinnen und Kandidaten gibt es viele im Haus und natürlich gibt es auch hier eine bisherige Stellvertreterin: Heike Hempel erbte den Posten 2018 nach dem Abschied von Reinhold Elschot. Hempel verantwortet seit 14 Jahren den Bereich Fernsehfilm/Serie II, in den die seichtere fiktionale Unterhaltung des ZDF fällt, darunter der „Bergdoktor“ und der Sonntagabend. 

In dieser Position hat sie in den vergangenen Jahren am enormen Erfolg des ZDF mitgewirkt etwa mit "Ku'damm 56" und den Folgestaffeln, gilt aber trotzdem nicht automatisch als erste Kandidatin für die Führung der Programmdirektion. Es ist ein schwieriges Signal, wenn die neue Programmdirektorin ausgerechnet aus dem Bereich kommt, der in der medienpolitischen Debatte nicht gerade als Kern öffentlich-rechtlicher Aufgaben gesehen wird.

Nadine Bilke © ZDF/Gaby Gerster Dr. Nadine Bilke
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage: Reicht es, eine Frau an die Spitze der Chefredaktion zu setzen, um der Erwartungshaltung und dem eigenen Versprechen von mehr Vielfalt auch in der Führung des ZDF gerecht zu werden? Würde Himmler seinen Weg zum Programmdirektor wiederholen, könnte ZDFneo-Chefin Dr. Nadine Bilke aufsteigen. Die 46-Jährige auch durch eine Senkung des Altersdurchschnitt in der ZDF-Führung zur Diversität beitragen.

An starken Kolleginnen und Kollegen mangelt es auf dem Lerchenberg aber nicht: Auch über Natalie Müller-Elmau, derzeit 3sat-Chefin, wurde in den vergangenen Wochen spekuliert. Frank Zervos, Leiter des Bereichs Fernsehfilm/Serie I, also der härteren fiktionalen Stoffe sowie Eventproduktionen des ZDF, hat sich in nur vier Jahren auf seinem Posten einen Namen gemacht und das ZDF an dieser Stelle maßgeblich modernisiert. Auch er - Jahrgang 1976 - wäre einer der jüngeren Kandidaten. Gleichzeitig aber wird Zervos in der Branche auch extrem geschätzt - und das an seiner jetzigen Position.

Florian Kumb © ZDF/Tim Thiel Dr. Florian Kumb
Ein Name, den man im Rennen um die Programmdirektion vermutlich diesmal noch nicht hören und lesen wird, aber für die Zukunft vormerken darf: Dr. Florian Kumb. Der 34-Jährige ist bereits seit 10 Jahren beim ZDF, legte eine steile Karriere hin und leitet derzeit die Hauptabteilung Programmplanung. Mit ihm würde keinem Genre ein unverhältmäßiger Aufstieg verschafft, viel mehr könnten die Genre-Verantwortlichen unverändert agieren und er weiterhin die Rolle eines Koordinators übernehmen. Ein bisschen zu viel Revolution fürs ZDF, heißt es aber selbst von denen aus der Branche, die sich das wünschen würden.

Ob es die Personen selbst so sehen oder nicht: Einen Automatismus bzw. gegebenen Anspruch auf den Posten der neuen Programmdirektorin bzw. des neuen Programmdirektor gibt es nicht. Unwahrscheinlich gilt aber auch hier die Wahl eines externen Kandidaten bzw. einer externen Kandidatin. Es wäre eine größere Disruption als angesichts des erfolgreichen Laufs des ZDF nötig wäre. Gewagt, mutig, vielleicht übermütig wäre das.

In gut einer Wochen werden wir die beiden Namen kennen, die ZDF-Intendant Norbert Himmler dem Verwaltungsrat zur Abstimmung vorlegt. Angesichts seiner eigenen Wahl, die aufregender geriet als gedacht, dürfte der Respekt vor dem Votum des Verwaltungsrat groß sein. Kein Wunder also, dass bisher noch nichts durchgesickert ist. Jegliche Debatte über angeblich schon entschiedene Personalien könnte das Gremium verschnupft zur Kenntnis nehmen. Es bleibt vorerst spannend.