Donald Trump hat zu viel Zeit. Zumindest glaubt man das, wenn man morgens „Fox and Friends“ schaut, die Frühstücks-Nachrichtensendung auf Fox News. Immer mal wieder ruft der 75-Jährige Ex-Präsident an, wird ins Studio durchgestellt, gibt oberflächliche Kommentare zum Ukraine-Krieg ab oder wiederholt seine Lügen über angeblichen Wahlbetrug 2020. Es ist schon vorgekommen, dass die Wehklagen eine halbe Stunde und länger dauern, oft finden Trumps Einlassungen nur durch beherztes Vorgehen der Moderatoren ein Ende: „Mr. President, wir haben nur noch Zeit für eine Frage, dann müssen wir leider weitermachen.“

Die morgendlichen Episoden zeigen, dass er in dem US-Nachrichtensender immer noch einen treuen Verbündeten hat, der ihn ungefiltert und ohne kritisches Nachhaken seiner Lügen auf Sendung lässt. Wer sich zum Ende von Trumps Präsidentschaft fragte, was aus der US-Newslandschaft unter Joe Biden werden würde, hat inzwischen einige Antworten. Frühere Trends laufen fort – nur in vielen Fällen mit schlechteren Quoten.

Zahlen der US-Quoten-Messer von Nielsen zeigen, dass zwischen Oktober 2020 und Oktober 2021 CNN 73 Prozent der Zuschauer auf 661.000 in der Primetime verloren hat, MSNBC 56 Prozent auf 1,2 Millionen und Fox News 53 Prozent auf 2,3 Millionen Zuschauer. Zugegeben, diese Zahlen sind davon geprägt, dass der Oktober 2020 der letzte Monat des Wahlkampfs war – unter anderem Vanity Fair fragt sich zurecht, ob dessen Werte noch einmal erreicht werden können. Dennoch ist der „Trump Slump“ genannte Rückgang immens und er zeigt sich auch in schwächerer Form bei den Abendnachrichten großen Networks, die aber mit 7,9 Millionen (ABC), 6,6 Millionen (NBC) und 4,9 Millionen (CBS), ein deutlich größeres Publikum erreichen.

Ein Grund dafür: Joe Bidens Art, das Amt zu führen, taugt längst nicht für solche Emotionen wie sein Vorgänger. Die Rhetorik hat sich von Grund auf geändert, die Zeiten der „Fake News“-Anschuldigungen sind vorbei und die nahezu täglichen Pressekonferenzen der kompetenten Sprecherin Jen Psaki sind auch ein großer Unterschied zu den offen feindseligen Auftritten ihrer Vorgänger. Auch Verteidigungs- und Außenministerium haben ihre PK-Frequenzen hochgefahren – nur der Mann im Weißen Haus ist seltener verfügbar. Laut White House Transition Project hat Biden zwischen Amtsantritt und Ende 2021 nur 22 Interviews gegeben. Unter Trump waren es 92 und unter Obama sogar 150. Das Committee to Protect Journalists zitiert viele Beschwerden von Kollegen, die sich mehr Möglichkeiten für Fragen an Biden wünschen. Auch bei Pressekonferenzen antwortet der nur auf wenige Zurufe – die Angst vor einem Patzer oder Versprecher ist groß.

Extrem gegen Biden: Fox News

Für FOX News ist diese Biden-Strategie ein Grund für dauernde Häme und Kritik. Ohnehin prägt den Sender aber auch abseits der Trump-Anrufe die Propaganda der Republikaner und des Ex-Präsidenten. Die um Jesse Waters um 19 Uhr erweiterte Abendschiene mit Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham sendet rassistische und agitatorische Meinungsstücke, oft geprägt von Verschwörungstheorien, die deutsche Zuschauer kaum für möglich halten würden. Zuletzt hatte die New York Times in einer mehrteiligen Seire ausführlich beleuchtet, wie vor allem Carlson in den vergangenen Jahren mehr und mehr mit den Ängsten der weißen Arbeiterschicht spielt, um Macht anzusammeln.

Die Reihe „Tucker Carlson Originals“ soll außerdem der Foxnation neue Abos verschaffen, ein Streamingangebot, mit dem Fox News versucht, sich unabhängiger von großen Kabelanbietern aufzustellen. Die Angst, dass der reguläre Sender wegen des zunehmend problematischen Contents aus dem Angebot von Cable-Anbietern fliegen könnte, ist groß – DirectTV hat es mit dem Rauswurf des kleinen rechten One America News Network OAN vorgemacht. Foxnation ist dagegen wie ein eigener Garten. Inzwischen gibt es viele Stimmen, die nicht überrascht wären, wenn Carlson in Zukunft eine Präsidentschaftskandidatur anstrebt.

Auch die Feigenblatt-Behauptung, dass zumindest die Daytime bei FOX News doch von regulären News geprägt sei, lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Die immergleichen Angstmacher-Themen von angeblichen Flüchtlingsströmen an der Südgrenze zu Mexiko, von unbewiesenen Verstrickungen von Biden-Sohn Hunter in Korruption und Verbrechen und hämische Zweifel an der angeblich fehlenden Zurechnungsfähigkeit von Joe Biden bestimmen auch tagsüber das Programm zwischen endloser Werbung für Alters-Medikamente und Kriegs-Gedenkmünzen. Der gemäßigte Anchor Sheperd Smith hat seinen Nachmittags-Slot und den Sender komplett verlassen, laut New York Times wohl auch wegen Carlsons wachsendem Einfluss. Und Chris Wallace, immerhin auch als Moderator von Präsidentschaftsdebatten anerkannt, wechselte zum neuen Prestigeprojekt der Konkurrenz, CNN+ - was zum spektakulären Fehlschlag wurde.

Milliardengrab CNN+

Mit edlen Nachrichtenmagazin-Formaten und teils fragwürdigen weil weit weniger harten Formaten und Konzepten wie „Elterntipps von Anderson Cooper“ sollte CNN+ Abonnentinnen und Abonnenten anziehen – den eigentlichen News-Sender beinhaltete das neue Angebot nicht. Vorangetrieben hat das Projekt Ex-CNN-Chef Jeff Zucker, der im Februar seinen Posten räumen musste, weil er eine Affäre mit einer Mitarbeiterin nicht öffentlich gemacht hatte. Der neue Senderchef Chris Leicht machte kurzen Prozess und kündigte nicht einmal vier Wochen nach Streamingstart des Prestigeprojekts an, CNN+ wieder einzustellen.

Gleichzeitig ist von Discovery, dem neuen Inhaber von Time Warner, jenem Konglomerat, zu dem auch CNN gehört, ein Sinneswandel zu hören: Weg vom schillernd Magazinigen mit vielen Meinungen und stattdessen die Rückbesinnung des weitestverbreiteten Nachrichtennetzwerks der Welt auf Kernkompetenzen: Es soll wieder mehr um harte Nachrichten gehen und weniger um das immerlaute Gezank der „Pundits“ – jene bezahlten Kommentatoren, deren Meinungen erfahrenere Zuschauer schon beim Erscheinen auf dem Bildschirm selbst runterbeten können.

Die News-Offensive lässt auch einen weiteren Zucker-Skandal in den Hintergrund rücken: Abendmoderator Chris Cuomo hat seinem Bruder Andrew während der Corona-Krise und bei Anschuldigungen zu sexuellen Übergriffen Tipps zur gelungeneren Selbstpräsentation gegeben und war auch während der Sendung sonst um offensive Sympathiebekundungen nicht verlegen: „Ich liebe Dich, Bruder – und ruf mal bei Mama an.“

Auf jeden Fall kommt der Nachrichten-Strategie der Ukraine-Krieg entgegen: Seit dem ersten Tag der russischen Offensive sind viele der Sendergesichter vor Ort, allen voran Star-Korrespondentin Clarissa Ward und Abend-Anchor Anderson Cooper. Dessen Präsenz treibt teils seltsame Blüten, beispielsweise wenn er wie in der vergangenen Woche aus Kiew den durchgesickerten Entwurf der Abtreibungsentscheidung am Obersten Gerichtshof kommentiert. 

MSNBC verliert den abendlichen Superstar

Mit größeren Personalfragen kämpft dagegen der eher linke News-Sender MSNBC. Dessen wichtigstes Gesicht Rachel Maddow kündigte an, von einer täglichen Sendung unter der Woche auf ein wöchentliches Format montags umstellen zu wollen. Sie lag im ersten Quartal 2022 immerhin noch bei 1,8 Millionen Zusehenden täglich – die Hälfte von Carlson, aber fast das Doppelte von Cooper. Ansonsten setzt MSNBC wie auch Fox News auf Meinungs-Content für das Stammpublikum: Um 19 Uhr hat die progressive Joy Reid den neutraleren Chris Matthews ersetzt und am Wochenende senden die linken Journalisten Jonathan Capeheart und Analystin Tiffany Cross.

Als möglicher neuer Star macht ein ungewöhnlicher Name bereits die Runde: Biden-Pressesprecherin Jen Psaki hat durchsickern lassen, dass für sie in ihrer aktuellen Rolle Ende des Jahres Schluss sein soll. Ob das dann das Schicksal von MSNBC wenden kann, ist zu bezweifeln. Schließlich brauche es für den konstanten Bedarf an Cable News ständig loyale Zuschauer. Und deren Verlangen lasse sich laut großer Analyse bei PUCK.News vor allem durch Drama, Angst und Sucht steigern lässt. Autorin Julia Ioffe schreibt: „Und Donald Trump war immer das Äquivalent zu fünfzehn Flugzeugabstürzen.“ 

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