John Olivers Polit-Nachrichtensatire „Last Week Tonight“? Kennt man in Deutschland. James Cordons Fahrgemeinschafts-Karaoke? Bei vielen auf YouTube in Dauerschleife. Vom aktuell erfolgreichsten Superstar in der US-Late-Night haben aber bisher nur die allerwenigsten gehört. Sein Name ist Greg Gutfeld, er läuft auf dem 23-Uhr-Slot bei Fox News und überschreitet dort nach den Flaggschiffen Tucker Carlson und Sean Hannity häufig die Zwei-Millionen-Grenze - deutlich mehr Zuschauer als bei Jimmy Kimmel oder Jimmy Fallon und laut Mediaite immer häufiger auch vor dem eine halbe Stunde später auf CBS startenden Stephen Colbert. Der Titel der Show ist genauso marktschreierisch-schlicht wie ihr Humor: „Gutfeld!“

Kostproben gibt es auch bei Twitter viele. „Als ich ein Kind war, hatten wir einen Hund namens Chipper und du würdest ja denken, dass er immer in den Park gerannt wäre, zum Pinkeln oder Scheißen - du weißt schon, so wie Landstreicher in Städten mit Demokraten-Bürgermeister.“

Gutfeld tritt seit Jahren in der Nachmittags-Show „The View“ auf und hat 1997 bereits den satirischen Beziehungsratgeber „Die Wertungstafel - das offizielle System, um im Beziehungsspiel die Punkte zu zählen” veröffentlicht. Nun hat er ein lautes Sprachrohr, das es ihm erlaubt, politischen Inhalt unter dem Deckmantel der Satire unterzubringen.

Nach seinen Show-Monologen sitzt er in der zweiten Hälfte von „Gutfeld!“ mit einem Panel an Kommentierenden zusammen, die ähnlich grob und oft noch gehässiger über die Linken herziehen: darüber, wie senil angeblich Joe Biden sei und dass „Justin Trudeau das Schlimmste ist, das seit der Stimme von Neil Young aus Kanada kam. Selbst Elche fragen sich doch, ob sie vielleicht einen Immobilienmakler in Florida kennen.” Die Stimmung ist selbstgerecht und das handwerkliche Niveau der Gag-Schreiber liegt weit unter dem anderer Shows - und doch ist der Erfolg des 47-Jährigen ein Beispiel dafür, wie sich seit Amtsantritt von Joe Biden selbst in der US-Unterhaltung die politischen Gräben vertiefen.

Auch während der Biden-Präsidentschaft ein gern genommener Gag: Donald Trump

Unter den etablierten Late-Nightern fällt auf, dass sie zwar Joe Biden angehen, aber oft in ihren Monologen immer noch kaum von Donald Trump loskommen. Auch anderthalb Jahre nach dem Wahlsieg des Demokraten spielt sein Vorgänger eine große Rolle mit Themen wie den Problemen von Trumps Online-Netzwerk Truth Social, dem Vergessen eines Republikaner-Namens bei einer Rede oder einem Interview mit Moderations-Schlachtross Piers Morgan. Die Gags darüber laufen oft in gewohnten Bahnen: „Das letzte Mal, als Trump etwas so sehr ignorierte wie Truth Social, da trug es den Namen Eric”, scherzte Jimmy Kimmel.

Insgesamt fällt aber auf, wie sehr die Moderatoren den politischen Content auf Prä-Trump-Normalniveau zurückgefahren haben. Das liegt auch daran, dass die großen markenbildenden Monologe aus Zeiten von Johnny Carson oder später Jay Leno und David Letterman unwichtiger werden und stattdessen kleine Ausschnitte für Social Media immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Die Unpolitischen: Fallon und Corden

Besonders Jimmy Fallon und James Corden sind für solche leicht teilbaren Promi-Clips bekannt. Bei Corden dürfte sich das auch kaum ändern bis zum kürzlich für Frühling 2023 angekündigten Ende von „The Late Late Show“ auf dem 0:30-Uhr-Slot bei CBS. Neben dem Carpool-Karaoke ist seine Sendung weiter eher für freundliches Geplauder nach dem Vorbild des Briten Graham Norton bekannt als für einen bissigen politischen Monolog zum Start.

Fallon dagegen gilt als gebranntes Kind, seitdem er viel Kritik dafür bekam, im Wahlkampf 2016 mit dem fröhlichen Verwuscheln von Donald Trumps Haar zu dessen Verharmlosung beigetragen zu haben - jetzt schreibt seine Sendung eher Schlagzeilen damit, dass Pop-Superstar Shawn Mendes für eine Woche die Co-Moderation übernimmt. Seinen Vertrag für den 23:30-Uhr-Sendeplatz bei NBC hat Fallon 2021 für fünf weitere Jahre verlängert.

Feingeistiger: Meyers und Colbert

Den entgegengesetzten Kurs schlägt Cordens Gegenprogrammierung Seth Meyers bei NBC um 0:30 Uhr ein. Er ist in der Stunde nach dem launigen Fallon deutlich politischer, lädt auch gerne obskurere wissenschaftliche Autoren ein und bezieht mit dem Segment „Jokes Seth can’t tell“ auch Stellung zur Rolle weißer Männer in der Gesellschaft. Meyers setzt damit auch in der Biden-Ära seine Ausrichtung aus den Trump-Jahren fort - in der Fernsehsaison 20/21 lag er damit bei den Quoten knapp vor Cordon.

CBS verfolgt die umgekehrte Strategie: Der entspannte Corden kommt erst später, in der Stunde ab 23:30 bezieht Colbert vorher häufig politisch Stellung. In „The Late Show with Stephen Colbert“ bleibt der 57-Jährige damit bei seinem jahrzehntelang aufgebauten Image als Politkommentator. Als Kunstfigur-Republikaner im „Colbert Report“ entlarvte er schon zwischen 2005 und 2014 die Rhetorik der Konservativen und lud 2012 sogar zu einer erstaunlich fundierten TV-Debatte mit Jon Stewart.

Ein Fragezeichen: Jon Stewart

Der wiederum ist mit „The Problem With Jon Stewart“ aktuell eines der größten Fragezeichen im Polit-Entertainment. Zuletzt gab es viel Kritik daran, dass das einstige politische Gewissen der Nation sich mehr und mehr zurückzog. Nun hat er ein nachrichtenlastiges Format beim Streaming-Sender AppleTV+, dessen fünfte Episode laut den Marktforschern von Samba TV auf gerade einmal 40.000 Zuschauende kam.

Stewart ist damit am ehesten ein Beispiel für den etwas ratlosen Umgang mit der Biden-Ära und das Herunterspielen von Bedrohungen des politischen Systems auf Seite der Rechten.

Die Sonderstellung von Trevor Noah

Stewarts einstigen Sendeplatz auf Comedy Central hatte 2015 der gebürtige Südafrikaner Trevor Noah übernommen. Auch er zeigt, wie die Bedeutung der linearen Ausstrahlung nach und nach abnimmt: Kurze Videos unter dem Titel „Between the Scenes” mit den Dialogen und den im Fernsehen nicht gezeigten Einlassungen während der Werbepausen werden online millionenfach geschaut. Mit seiner für einen Prominenten überraschend substanziellen Autobiografie „Born a Crime“ (deutscher Titel: „Farbenblind“) hatte Noah schon 2017 unterstrichen, seine Reichweite auch für gesellschaftliche Themen nutzen zu wollen, darunter eben die Apartheidsgeschichte seiner Heimat.

Anfang Mai hat sich gezeigt, was die Lust auf Politik konkret bedeutet, als er das Dinner der Korrespondenten im Weißen Haus moderierte - eine Aufgabe, die er in Donald Trumps Amtszeit sicher nicht zugesprochen bekommen hätte und von der dieser wiederum nichts direkt mitbekommen hätte, weil er die Veranstaltung während seiner Präsidentschaft immer boykottierte.

Zum Abschluss redete Noah den Journalisten ins Gewissen und unterstrich subtil einen Unterschied zwischen Biden und seinem für Rachsucht bekannten Vorgänger: „Ich stand heute Abend hier und habe Scherze über den Präsidenten der Vereinigten Staaten gemacht. Und es wird mir deshalb nichts geschehen.“

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