Alle Jahre wieder im Mai pilgern Verantwortliche von TV-Sendern aus aller Welt nach Los Angeles, um dort innerhalb einer Woche all das zu sehen, was die US-Studios an neuen Produktionen im Angebot haben. Nach zwei Jahren Corona-Pause war es in diesem Jahr nun erstmals wieder soweit - doch im Vorfeld waren die Fragezeichen nach der Sinnhaftigkeit der Veranstaltung größer denn je. Nachdem inzwischen der Großteil der US-Konzerne seine Zukunft in einem eigenen, international aufgestellten Streaming-Dienst sieht, auf dem man die meisten eigenen Produktionen auch international selbst verwertet, war unklar, was es überhaupt für Einkäuferinnen und Einkäufer noch zu besichtigen geben würde.

Ähnliche Töne schlägt auch Simone Emmelius an, die fürs ZDF an den Screenings teilnahm: "Amerika ist nicht mehr der einzige Nabel der Welt: Studios wie Paramount oder Sony haben sehr selbstbewusst Ihre internationalen (Ko-)Produktionen präsentiert." Dazu gehörten beispielsweise "Three Pine Trees", "A Spy Among Friends" oder "Without Sin", aber auch deutsche Produktionen wie "Munich Games" für Sky oder "Ze Network" für RTL+ waren zu sehen.

Auch dass Henrik Pabst von ProSiebenSat.1 mit "The Lazarus Project" eine britische Sky-Produktion des deutschen Regisseurs Marco Kreuzpaintner als sein Highlight nennt, passt dazu. In der Serie geht es um eine Organisation, die die Möglichkeit hat, die Zeit zurückzudrehen, wenn die Welt vom Untergang bedroht ist, um die Katastrophe noch zu verhindern. Zu den ganz hoch gehandelten Serien gehörte aber auch "Colin (From Accounts)", eine romantische Komödie aus Australien, in der ein zwei Menschen dadurch ungewollt aneinander gebunden werden, weil er einen Hund anfährt, nachdem sie ihm im Vorübergehen ihre Brüste entblößte. Die charmante Serie stellte Paramount ganz an den Anfang seiner Screenings - auch das allein war schon ein bemerkenswertes Statement.

Doch auch wenn es gar nicht unbedingt die US-Produktionen waren, die am meisten Buzz unter den internationalen Gästen in L.A. sorgten: Bereut haben dürfte die Reise nach Kalifornien kaum jemand - nicht nur, weil sich das Wetter nach anfänglichem Grau-in-Grau noch typisch-sonnig gab. "Es tat sehr gut, die ganze Branche am selben Ort zu sehen", sagt Henrik Pabst, von einem "schönen Comeback" spricht Oliver Berben, Simone Emmelius fasst die Veranstaltung als "wichtige Leistungsschau der Branche und mit ihren international hochrangigen Delegationen unverändert ein gern genutztes Forum zum Austausch."
Die Zeiten, in denen die USA produzierten und der Rest der Welt zum Einkaufen kam, sind wohl vorbei. Doch als Marktplatz für internationale Produktionen, als Treffpunkt für Verantwortliche aus aller Welt, könnten die LA Screenings eine Zukunft haben. Ganz einhellig ist die Meinung dabei auch unter den deutschen Vertretern dabei nicht, ob die Screenings langfristig eine Zukunft haben - auch wenn sich alle eine Fortsetzung wünschen. "Es wird maßgeblich davon abhängen, wie sich die Majors zum Markt jenseits ihrer eigenen Streamingplatformen positionieren", sagt Simone Emmelius. Aber dass man die weiter als alleiniges Zukunftsmodell sieht, ist nach dem jüngsten Abo-Rückgang bei Vorreiter Netflix ja keineswegs mehr ausgemacht. So manch einem wurde da erst wieder bewusst, wie profitabel der internationale Vertriebsmarkt bislang doch war.
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