Während die TV-Reichweiten vieler Sender täglich von jedermann nachlesbar sind, bleiben die immer wichtiger werdenden Streaming-Reichweiten in den meisten Fällen ein Geheimnis. Einmal monatlich blicken wir bei DWDL nun auf die wenigen belastbar erscheinenden Daten, die zur Verfügung stehen. So weist die AGF etwa für Sendungen in den Mediatheken der TV-Sender einmal monatlich eine Hitliste aus, die wir im Folgenden analysieren. (Wobei hier nur Sendungen auftauchen, die auch im linearen TV liefen).

Dabei ist allerdings folgender Beipackzettel zu beachten: Bei den Zahlen handelt es sich um eine Netto-Reichweite, die nicht mit der "durchschnittlichen Sehbeteiligung", die man landläufig als TV-Quote kennt, vergleichbar ist. Kurz gesagt: In den Online-Zahlen wird jeder mitgezählt, der auch nur eine Sekunde lang den Stream laufen ließ, was natürlich deutlich höhere Zahlen ergibt als wenn man die durchschnittliche Reichweite über die gesamte Laufzeit betrachtet. Also nochmal: Die Zahlen sind nicht mit den TV-Werten, die man aus der sonstigen Berichterstattung kennt, vergleichbar.

Die meistabgerufene Sendung in den Sender-Mediatheken im Mai war dabei die erste Folge der ZDF-Serie "Wendehammer", die fast 850.000 Personen erreichte. Allerdings zeigte sich nicht nur bei der linearen Ausstrahlung ein steil abfallender Publikums-Zuspruch: Schon die zweite Folge blieb mit etwa 480.000 Personen Netto-Reichweite weit dahinter, Folge 4 lag knapp unter 400.000, die beiden letzten Episoden haben es gar nicht mehr in die Top 20 des ZDF geschafft, lagen demnach also bei einer Nettoreichweite von weniger als 308.000.

Ins Auge stechen im Mai einige Erfolge aus dem Doku-Bereich. Rund 600.000 Menschen interessierten sich online für die "AfD-Leaks" der ARD, in denen aus den WhatsApp-Chats der Bundestagsfraktion der Partei zitiert wurde - das reichte für einen hervorragenden zweiten Platz noch vor sonstigen Schwergewichten wie der "heute-show", oder den "Tatorten". Hervorragend platziert ist auch die WDR-Doku "Dragon Woman - Topmanagerinnen in der Finanzwelt, in die in der Mediathek 570.000 Personen mindestens kurz reingeschaut haben. Das Thronjubiläum der Queen spülte obendrein in der ZDF-Mediathek noch die Doku "Young Windsors - Kindheit im britischen Königshaus" nach vorne, die im Linearen nur bei ZDFinfo zu sehen war, online aber mit einer Netto-Reichweite von rund 550.000 zu den ganz Großen gehörte.

Mediatheken-Charts Mai 2022 / Gesamtpublikum

  Sender EA im TV Netto-Rw. (ab3)
Online in Mio.
Wendehammer (1) ZDF 12.5. 0,846
AfD-Leaks: Die geheimen Chats der Bundestagsfraktion Das Erste 23.5. 0,602
heute-show ZDF 6.5. 0,590
Germany's Next Topmodel ProSieben 5.5. 0,580
Tatort: Marlon Das Erste 8.5. 0,573
Dragon Woman - Topmanagerinnen in der Finanzwelt WDR 18.5. 0,570
Code 7500 Das Erste 1.5. 0,560
Young Windsors - Kindheit im britischen Königshaus ZDFinfo 30.5. 0,553
Tatort: Das Mädchen, das allein nach Haus' geht Das Erste 22.5. 0,539
Lady Chatterley Arte 29.5. 0,532
Germany's Next Topmodel ProSieben 12.5. 0,527
heute-show ZDF 20.5. 0,518
heute-show ZDF 27.5. 0,499
Tatort: Liebeswut Das Erste 29.5. 0,492
heute-show ZDF 13.5. 0,485
Germany's Next Topmodel ProSieben 19.5. 0,481
Wendehammer (2) ZDF 12.5. 0,479
Tagesschau Das Erste 20.5. 0,463
Was gewesen wäre Das Erste 8.5. 0,457
Extra 3 NDR 18.5. 0,456

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.05.2022-31.05.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Ein bemerkenswerter Mediatheken-Erfolg war auch der Film "Code 7500" - ein Thriller, der auf kleinstem Raum nur im Cockpit eines Airbus A319 spielt, der entführt werden soll. Im Ersten lief der Film erst nach Mitternacht, in der ARD-Mediathek aber war es der viertmeistabgerufene Inhalt des Monats. Über die Marke von einer halben Million erreichten Personen schaffte es im Mai auch wieder Arte mit einem Film: "Lady Chatterley" war hier besonders gefragt. 

Ein ganz schwacher Monat war der Mai in Sachen Online-Abrufe für RTL: In der Top20 beim Gesamtpublikum taucht der Sender gar nicht auf - und selbst wenn man nur die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen betrachtet, dann schaffte keine einzige Sendung von RTL Deutschland eine Platzierung. Wie gut, dass man mit RTLzwei noch eine Halbschwester hat, die ihre Inhalte ja ebenfalls auf RTL+ stellt und mit dem "Kampf der Realitystars" einen schönen Erfolg feiern konnte. Insgesamt eine Netto-Reichweite von bis zu 365.000 wurde hier im Mai erzielt, in der Zielgruppe 14-49 reichte es für Platz 13 im Ranking.

Mediatheken-Charts Mai 2022 / 14- bis 49-Jährige

  Sender EA im TV Netto-Rw. (14-49)
Online in Mio.
Germany's Next Topmodel ProSieben 5.5. 0,463
Germany's Next Topmodel ProSieben 12.5. 0,405
heute-show ZDF 6.5. 0,377
Germany's Next Topmodel ProSieben 19.5. 0,366
heute-show ZDF 20.5. 0,355
heute-show ZDF 27.5. 0,344
Wendehammer (1) ZDF 12.5. 0,340
heute-show ZDF 13.5. 0,320
Tatort: Marlon Das Erste 8.5. 0,306
Young Windsors - Kindheit im britischen Königshaus ZDFinfo 30.5. 0,282
Germany's Next Topmodel ProSieben 26.5. 0,280
Dragon Woman - Topmanagerinnen in der Finanzwelt WDR 18.5. 0,273
Kampf der Realitystars RTLzwei 18.5. 0,270
AfD-Leaks - Die geheimen Chats der Bundestagsfraktion Das Erste 23.5. 0,263
Tatort: Das Mädchen, das allein nach Haus' geht Das Erste 22.5. 0,263
Kampf der Realitystars RTLzwei 4.5. 0,245
Club der guten Laune (2) Sat.1 11.5. 0,238
Kampf der Realitystars RTLzwei 11.5. 0,234
Tatort: Liebeswut Das Erste 29.5. 0,232
Code 7500 Das Erste 1.5. 0,231

Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA VIDEOSCOPE 1.4, 01.05.2022-31.05.2022, Marktstandard: Bewegtbild

Im Linearen grub RTLzwei mit dem "Kampf der Realitystars" dem neuen Sat.1-Format "Club der guten Laune" das Wasser ab. Online war der Nachfolger von "Promis unter Palmen" für Sat.1 schon ein etwas größerer Erfolg, lag allerdings auch hier hinter dem RTLzwei-Format. Es war trotzdem die meistabgerufene Sat.1-Sendung des Monats. Nach zwei Folgen kam allerdings zu Folge 3 auch online ein deutlicher Absturz. Bei ProSieben war es unterdessen auch im Mai wieder Heidi Klum, auf die man sich verlassen konnte: "Germany's Next Topmodel" führt einmal mehr das gesamte Ranking noch vor der "heute-show" an.

Die Nutzung von Streaming-Diensten am Smart-TV

In ihrem "Smart Meter"-Projekt misst die AGF schon seit längerem auch die Nutzung von Streaming-Diensten am Smart-TV - umfasst ist hier also nicht, wenn man die Streamingdienste am Tablet oder Computer nutzt, sondern tatsächlich nur am großen Fernseher. So wie die lineare TV-Nutzung mit steigenden Temperaturen zurück geht, so spiegelt sich das auch bei den Streamern wider. Im Mai nutzten im Schnitt noch 3,18 Millionen Personen am Tag am großen Fernseher Netflix (Tagesnettoreichweite), 2,04 Millionen Prime Video, 0,34 Millionen Disney+.

Besonders bei Netflix zeigt sich hier über die letzten Monate ein Abwärtstrend bei der Nutzung: Die tägliche durchschnittliche Sehdauer lag im Januar noch bei 13 Minuten und sank dann von Monat zu Monat, im Mai waren es noch acht Minuten. Stabiler zeigt sich Prime Video, das mit vier Minuten aber weit dahinter liegt. Hier schwankte der Wert über die letzten Monate stets nur zwischen vier und fünf Prozent. Dass es bei Netflix so stark abwärts ging, liegt nicht nur daran, dass weniger Leute einschalteten, sondern auch, dass es diejenigen, die Netflix nutzten, kürzer blieben. Die Verweildauer ging auf 103 Minuten pro Tag zurück, was aber immer noch mehr war als bei Prime Video (85 Minuten) und Disney+ (90 Minuten). TV gesamt kommt auf eine Verweildauer von 292 Minuten.

Und was war bei Netflix am stärksten gefragt?

Echte Messdaten zur Nutzung der einzelnen Inhalte der Streamingdienste gibt's nur selten, Netflix veröffentlicht inzwischen immerhin wöchentlich eine Top 10 - allerdings wiederum in ganz eigener Metrik der gestreamten Minuten und inklusive dieser Angabe nur auf weltweiter Basis. Aus den vorliegenden Daten haben wir eine Hitliste für die neuesten vier Wochen errechnet (Zeitraum: 16.5. bis 12.6.). Die Datenquelle ist hier Netflix und nicht extern überprüfbar.

Bemerkenswert ist hier schon, wie stark Netflix trotz der enormen Anzahl an unterschiedlichen Produktionen von einzelnen Serien abhängig ist. Zuletzt war das "Stranger Things": Die vierte Staffel kam innerhalb von drei Wochen auf die extreme Summe von 781 Millionen gestramten Minuten - und auch die ersten beiden Staffeln schafften es noch in die Top 5 der meistgestreamten Netflix-TV-Inhalte. (Mehr dazu auch hier und hier.) Daneben konnte sich nur "The Lincoln Lawyer" sowie die spanische Serie "Wrong Side of the Tracks" in den Top 5 platzieren. Bei den Filmen waren es zuletzt "Hustle" und "Interceptor", die überzeugen konnten.

  Gestreamte Minuten
Stranger Things (Staffel 4) 781.040.000
The Lincoln Lawyer 242.630.000
Stranger Things (Staffel 1) 172.910.000
Wrong Side of the Tracks (Staffel 1) 138.380.000
Stranger Things (Staffel 2) 131.900.000

Quelle: Netflix; Auswertung: DWDL für Zeitraum 21.3. bis 17.4.