Früher war alles ganz einfach: Es gab nur eine überschaubare Anzahl an Fernsehsendern. Und es reichte ein Blick in die Programmzeitschrift, um den Überblick zu behalten. Doch das ist lange vorbei: Längst gibt es nicht nur immer mehr Inhalte, sie suchen auch noch auf immer mehr Plattformen - und das obendrein auch noch zeitunabhängig - den Weg zum Publikum. Auch wenn die klassischen Programmies darauf mit Streaming-Übersichten und -Beilagen zu reagieren versuchen und sie immer noch enorme Auflagen erreichen: Es ist vor allem die ältere Generation, die so noch erreicht wird, Jüngeren sind klassische TV-Zeitschriften längst fremd.

Das stellt die Macherinnen und Macher von TV-Produktionen ebenso wie die Betreiber von Plattformen aber vor die große Aufgabe, nicht nur gutes Fernsehen zu produzieren - sondern auch noch neue Strategien zu entwickeln, wie man das an den Mann und die Frau bringt. Eine aktuelle Studie von LADbible, die beim Edinburgh Television Festival vorgestellt wurde, hat nun zunächst mal die für die Branche beruhigende Erkenntnis ergeben, dass auch die 18- bis 24-Jährigen zu 89 Prozent angeben, innerhalb einer Woche TV-Inhalte oder Filme konsumiert zu haben, hinter Social Media ist TV/Streaming zudem die Mediengattung, für die die meiste Zeit verwendet wird.

37 Prozent der Befragten aus dieser jungen Altersgruppe geben an, durch Werbung auf Social Media-Kanälen auf neue Inhalte aufmerksam zu werden, 26 Prozent durch andere Artikel, Trailer oder Videos, die via Social Media geteilt werden - ebensoviele wie durch Werbespots im Fernsehen. Davor platzieren sich mit 33 Prozent noch persönliche Empfehlungen von Freunden oder Familienmitgliedern - wobei den persönlichen Ratschlägen erheblich stärker vertraut wird als den Empfehlungs-Algorithmen von Netlfix und Co. Dieser letzte Punkt ist dabei in allen untersuchten Altersgruppen bis 55 Jahren enorm wichtig, bei den 25- bis 44-Jährigen sogar der laut Studie wichtigste Faktor. Trailer im klassischen Fernsehen gewinnen hingegen erst mit zunehmenden Alter richtig an Bedeutung und belegen bei den über 45-Jährigen schließlich den ersten Platz, Werbung auf Social Media wird umgekehrt mit zunehmendem Alter unwichtiger.

Doch klar ist damit: Wer das ganz junge Publikum erreichen will, kommt um eine Social-Media-Strategie kaum mehr herum. Die wichtigsten Plattformen sind dabei Instagram und direkt dahinter bereits TikTok. Dan Biddle, der bei der Instagram-Mutter Meta für Strategic Partnerships zuständig ist, gab dabei den Tipp, sich genau zu überlegen, wie etwa Trailer oder sonstige Videos beschaffen sein müssen, dass sie verhindern, dass direkt weiter geswipet wird - man müsse also sehr schnell zum Punkt kommen, langwierige Einleitungen oder gar eine Logo-Einblendung wie bei klassischen Trailern seien für Social Media gänzlich ungeeignet. All das funktioniere auch längst nicht nur für Fiction, gerade auch Inhalte, die nicht nur zum Lachen, sondern zum Nachdenken anregen würden, fänden häufig eine große Fangemeinde.

Um bei TikTok wirklich erfolgreich zu sein, komme es unterdessen vor allem darauf an, sich genau zu überlegen, wie man die Nutzerinnen und Nutzer mit einbeziehen könne. Ein unterschätztes Mittel sei dabei der Audio-Bereich: Bei jedem TikTok-Video wird den Creatorn vorgeschlagen, eine Musik hinzuzufügen - es würde sich also beispielsweise lohnen, nicht nur in einen herausstechenden Soundtrack zu investieren, sondern den dann auch leicht zugänglich zu machen. Auch sonst gehe es darum, sich das kreative Rohmaterial aus den eigenen Produktionen genau anzuschauen und zu überlegen, was davon den Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt werden kann, um es etwa zu remixen oder anderweitig spielerisch damit umzugehen. Auch die Möglichkeit, GIFs aus Serien zur Verfügung zu stellen oder Hashtags zu etablieren, sollte man nicht außer acht lassen.

Eine vorgefertigte Strategie, die auf jeden Fall funktionieren wird, gibt es aber nicht mehr - viel mehr müsse man sich bei jeder Produktion einzeln anschauen, welche Zielgruppe man genau erreichen wolle und wie das am besten funktionieren könne. Dass viele Ansätze dabei nicht zünden, sei normal. "Aber das gute an den digitalen Plattformen ist: Man kann sehr schnell lernen. Ob etwas funktioniert oder nicht, bekommt man innerhalb kürzester Zeit vor Augen geführt", so Jane Stiller, die bei ITV das Marketing verantwortet. Man muss sich eben nur klar machen: Einfach immer "das mit den Fähnchen" zu machen, reicht nicht mehr.