Dass der US-Konzern Comcast in dieser Woche einen Quartalsverlust von 4,6 Milliarden US-Dollar ausweisen musste, ist einzig auf einen Sondereffekt zurückzuführen: Eine 8,6 Milliarden Dollar schwere Abschreibung auf die europäische Tochter Sky, die man 2018 in einem Bieterwettstreit mit dem damaligen Fox übernommen hatte - wobei man den Wert damals auf 33 Milliarden Euro taxierte. Doch inzwischen trübt neben der Streaming-Konkurrenz nun auch noch das schwierige wirtschaftliche Umfeld das Geschäft - und die Euro-Schwäche tut ihr übriges, dass Sky Comcast wesentlich weniger Umsatz bringt als erhofft - wobei es vor allem das deutsche und italienische Geschäft ist.

Soweit zur Vorgeschichte zur Meldung von "Bloomberg", dass Comcast nun offenbar den Verkauf von Sky Deutschland prüft. Auf eine Milliarde Euro wird der Wert hier geschätzt - ein Bruchteil des 2018 für den Gesamtkonzern bezahlten Preises also. Das kommt auch deswegen überraschend, weil Sky Deutschland in den letzten Jahren immer stärker in die Sky-Gruppe integriert wurde: Viele Entscheidungen fielen gar nicht mehr in Unterföhring, sondern in London. Bei der technischen Basis ist man ebenso auf die gemeinsamen Sky-Lösungen angewiesen wie bei den Inhalten, wo man ebenfalls stärker auf länderübergreifende Sky-Produktionen setzte. Das Herauslösen von Sky Deutschland aus der Sky-Gruppe dürfte daher heute deutlich komplizierter sein und mehr Probleme aufwerfen als noch vor einigen Jahren.

Sky Deutschland müsste also notwendigerweise anderswo angedockt werden. Sieht man sich in Europa um, dann stößt man da beispielsweise auf Vivendi. In Frankreich ist der Konzern mit der Canal+-Gruppe Pay-TV-Platzhirsch, in Deutschland hingegen ist man mit Studiocanal nur auf Produktionsseite vertreten. Mit Watchever versuchte man zwar schon einmal den Eintritt ins Streaming-Geschäft, brach den aber Ende 2016 ab. Doch man liebäugelt nach eigenem Bekunden mit einer Rückkehr auf den deutschen SVoD-Markt - und Sky wäre fraglos die Möglichkeit, ganz groß einzusteigen. Mit der Bolloré steht zudem ein finanzstarker Investor dahinter. Ein anderer europäischer Konzern mit Ambitionen auf dem deutschen Markt wäre die Viaplay Group aus Skandinavien. 2023 will man den eigenen Streamingdienst nach Deutschland bringen - und in Großbritannnien hat man auch schon bewiesen, dass man durchaus auch im Sport-Bereich mitmischen will. Trotzdem stellt sich die Frage, ob Sky nicht eine Nummer zu groß ist.

Zumal sich bei beiden Unternehmen die Frage nach den tatsächlich entstehenden Synergien durch einen Aufkauf von Sky stellt - die Einbindung in die Sky-Gruppe reichte ja anscheinend nicht. In einigen Berichten wurde DAZN als möglicher Käufer ins Spiel gebracht. Vor allem aus Sicht von Fußball-Fans hätte das natürlich seinen Charme, weil damit die Bundesliga-Rechte wieder in einer Hand liegen würden. Das allerdings ist auch schon eines der Probleme: Eine solche Übernahme würde das Kartellamt auf den Plan rufen, das es der DFL zur Auflage gemacht hat, dass nicht alle Live-Spiele vom gleichen Anbieter gezeigt werden dürfen - dementsprechend müsste ein kombiniertes DAZN/Sky entweder auf eines der Pakete verzichten oder gleich zwei der Pakete mit einem anderen Anbieter "co-exklusiv" teilen. Zwar würde für DAZN damit ein Konkurrent um die teuren Rechte bei künftigen Rechtevergaben wegfallen - die Vergangenheit zeigte allerdings auch, dass in solche Lücken schon immer andere vorgestoßen sind. Angesichts des übervollen Streaming-Marktes gibt es da längst mehr als genug Kandidaten.

Vor allem lässt es aber außer acht, dass Sky ja viel mehr als Fußball und Sport im Allgemeinen ist. Mit dem Film- und Serien-Bereich könnte DAZN kaum etwas anfangen. Genau der macht aber einen anderen US-Konzern zu einem recht naheliegenden Partner für Sky: Warner Bros. Discovery. Sky ist seit vielen Jahren der deutsche Partner von HBO und zeigt hierzulande alle Serien des Konzerns - wie zuletzt beispielsweise das "Game of Thrones"-Prequel "House of the Dragons". Die HBO-Mutter Warner Bros. Discovery liefert also schon heute ein Herzstück des fiktionalen Angebots von Sky.

Im Umkehrschluss bedeutet das für Warner Bros. Discovery aber auch, dass man im deutschen Markt eben noch für mehrere Jahre an diesen Partner gebunden ist. Es ist der Grund, wieso HBO Max bislang nicht nach Deutschland kam - und wieso auch ein fusionierter Streaming-Dienst aus HBO Max und Discovery+ (nennen wir ihn spaßeshalber Warner+) auf absehbare Zeit nicht in Deutschland starten könnte. Hierzulande müsste man also stattdessen vorerst weiterhin anders als in den meisten anderen Ländern Discovery+ alleinstehend weiterführen. Eine Übernahme von Sky würde dieses Problem lösen - und dem Angebot vom Start weg direkt zu einer beachtlichen Zahl an Abonnentinnen und Abonnenten verhelfen, um im Wettbewerb mit Netflix, Prime Video und Co. zu bestehen.

Expertise in Sachen fiktionaler und non-fiktionaler Eigenproduktionen in Deutschland würde Warner Bros. Discovery ebenso mitbringen - und auch im Sport-Bereich ist der Konzern ja bereits tätig und betreibt unter anderem Eurosport. All das macht Warner Bros. Discovery fast zum idealen Kandidat für eine Sky-Übernahme - wenn der Konzern nicht selbst gerade genug Baustellen hätte. Die Zusammenführung von Warner und Discovery holprig zu nennen, wäre noch eine positive Übertreibung, zudem muss David Zaslav ordentlich auf die Kostenbremse treten, um den dadurch angehäuften Schuldenberg durch Synergien möglichst schnell wieder abzubauen. In dieser Zeit dürfte eine Milliarde für Sky also nicht gerade locker sitzen. Auf der anderen Seite: Günstiger als in Krisenzeiten dürfte man an ein solches Unternehmen auch nicht ran kommen.

Falls sich angesichts der schwierigen Umstände kein anderer Medienkonzern eine Sky-Übernahme leisten kann oder will, böte das anderen Unternehmen die Chance, die etwas krisenfester aufgestellt scheinen: Beispielsweise die Telekom, vielleicht auch Vodafone. Sky hat sich selbst zuletzt immer stärker auch als Plattform geriert und Dienste mehrere Anbieter gebündelt - eigentlich ein klassisches Geschäft dieser Infrastrukturanbieter. In Großbritannien bietet Sky selbst schon immer auch Breitband-Zugänge an, auch die derzeitige Sky-Mutter Comcast ist ein Mischkonzern aus Infrastruktur- und Inhalte-Anbieter - ähnliches ließe sich nun also auch in Deutschland nachbilden. Sicher ist jedenfalls: Die heutige Ankündigung dürfte die Verantwortlichen bei einigen Unternehmen zum Nachdenken bringen.

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