So eindeutig fiel die Abstimmung über den "Super-Günter" noch nie aus: In den vergangenen Tagen haben wieder mehrere tausend DWDL.de-Leserinnen und Leser aus elf Nominierungen die mediale Peinlichkeit des Jahres gewählt - und 40,3 Prozent aller Stimmen entfielen dabei auf die ehemalige RBB-Führung um die zurückgetretene, abberufene und fristlose entlassene Ex-Intendantin Patricia Schlesinger, ihren Stellvertreter und nach einem unrühmlichen Auftritt plötzlich erkrankten Stellvertreter Hagen Brandstäter und den ebenfalls nicht mehr im Amt befindlichen ehemaligen Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf, der viele der fragwürdigen Vorgänge offenbar fast im Alleingang genehmigte.

Die Liste der Vorwürfe, Fehler und Verfehlungen, die der Truppe um Patricia Schlesinger zur Last gelegt wird, ist dabei mittlerweile kaum noch überschaubar. Sie reichen vom berühmt gewordenen Massagesessel und dem italienischem Parkett über vom RBB bezahlte Abendessen in Schlesingers Privatwohnung und dienstliche abgerechnete Reisen mit privatem Anschein bis hin zu dubiosen Beraterverträgen rund um das digitale Medienhaus, dessen völlig aus dem Ruder laufende Kosten ohnehin nur in einem Unternehmen denkbar waren, das sich von solidem Wirtschaften augenscheinlich weit entfernt hatte. Viele der Vorwürfe haben dabei längst strafrechtliche Relevanz und müssen von Gerichten geklärt werden.

Dass es obendrein noch ein ARD-weit einmaliges Bonus-System gab, mit dem die RBB-Führungskräfte ihr ohnehin stattliches Salär nochmal deutlich aufstocken konnten, während gleichzeitig im Programm und bei der restlichen Belegschaft eine Sparmaßnahme nach der anderen verkündet wurde, verstärkt aber nur den verheerenden Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität auf Beitragszahler-Kosten, die so nur denkbar war, weil es auch gänzlich an effektiver Kontrolle fehlte und der mit Schlesinger offenbar freundschaftlich verbundene Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf fast im Alleingang alle fragwürdigen Vorgänge durchwinken konnte. Beim RBB liegt das Versagen damit nicht nur beim Einzelnen, sondern auch im System, von dem allzu viele offenbar nur allzu gerne persönlich profitieren wollten.

Schlesinger und Co. setzten sich bei der Wahl zur Peinlichkeit des Medienjahres 2022 mit 40,3 Prozent der Stimmen wie erwähnt sehr deutlich durch, mit gebührendem Abstand folgen dahinter die Selbstüberschätzung und das Scheitern von Bild TV, auf das 21,8 Prozent der Stimmen entfielen, und die denkwürdige Doppelmoderation von Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg bei "Menschen, Bilder, Emotionen", für die 17,5 Prozent der DWDL.de-Leserinnen und Leser, die ihre Stimem abgegeben hatten, votierten. Dahinter folgt mit 7,6 Prozent der Stimmen Mathias Döpfner, der im vergangenen Jahr schon mit einem Super-Günter geehrt wurde, sich mit natürlich wie immer nur ironisch gemeinten öffentlich gewordenen Nachrichten, in denen er etwa ein Gebet für die Wiederwahl Trumps anregte oder Elon Musk das Managen von Twitter anbot, aber um eine Titelverteidigung beworben hatte. Die Top 5 wird mit knapp 5 Prozent der Stimmen von Heidi Klums Interview-Verweigerung komplettiert, der journalistische Fragen einfach zu kritisch waren. Die ausführlichen Begründungen für alle elf "Goldenen Günter" aus diesem Jahr finden Sie hier.

Bereits seit 2008 ehrt das Medienmagazin DWDL.de jährlich Personen, Unternehmen und Leistungen, die rückblickend „ziemlich ui-jui-jui“ waren. Mit diesen Worten hatte der ehemalige ARD-Programmdirektor Günter Struve einst eine Sendung von „Schmidt & Pocher“ kritisiert. In Anerkennung dieser charmanten Kritik bestimmt die DWDL.de-Redaktion jährlich zunächst die Gewinner des Goldenen Günter. Dann wählen die Leserinnen und Leser eine Woche lang den Super-Günter, die ultimative Peinlichkeit des Jahres. Vor Mathias Döpfner, der 2022 für seine Schwurbeleien ausgezeichnet wurde, gewann 2021 übrigens schon die RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar" als fragwürdige Bühne für Dieter Bohlen sowie Corona-Leugner und Intelligenzallergiker wie Xavier Naidoo und Michael Wendler.

2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, war "Mario Barth deckt auf" die Peinlichkeit des Jahres, 2018 der Deutsche Fernsehpreis und das Vergessen der Autorinnen und Autoren. 2017 gewann die Goldene Kamera, 2016 schon einmal Mario Barth, 2015 die kurzzeitige ESC-Nominierung von Xavier Naidoo, 2014 die ProSieben-Show „Die Millionärswahl“, 2013 der RTL-Katastrophenfilm „Helden“ und 2012 Sat.1 für seine insgesamt schlechte Performance. 2011 wählten die Leserinnen und Leser des Medienmagazins DWDL.de  den Integrationsbambi für Bushido zur Peinlichkeit des Jahres. 2010 war es die „Oliver Pocher Show“, 2009 das Polittheater um die Wiederwahl von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender und 2008 wurde die ProSieben-Show „Uri Geller: UFOs & Aliens“ mit dem allerersten Super-Günter geehrt.

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