Es ist ein grauer Tag im Januar. In Straßburg, unweit der deutsch-französischen Grenze, ist nur wenig los auf den Straßen. Touristen trifft man um diese Jahreszeit hier eher selten an und auch die EU-Parlamentarier sind mit ihrem politischen Wanderzug nicht zugegen. Immerhin, der Fernsehbetrieb läuft. Im Europaviertel, unweit des Parlaments, wird an diesem Vormittag gerade über die ersten Themen diskutiert, über die im abendlichen "Journal" berichtet werden soll. So heißt das tägliche Magazin, mit dem Arte in französischer und deutscher Sprache einen Bogen zwischen dem Nachrichtengeschehen und der Kultur spannen will. 

Zwischen 100.000 und 250.000 Menschen schalteten in den vergangenen Tagen in Deutschland ein - kein Massenprogramm, sicher, aber es sind durchaus respektable Zahlen für ein solche ambitioniertes Format, das in der Nische seinen Platz gefunden hat. So ist das hier fast immer: Das meiste, das Arte ausstrahlt, ist Special-Interest-Programm. Doch ohne die vielen abseitigen Themen, die im "Journal", vor allem aber in den sehenswerten Dokumentationen und Reportagen gezeigt werden, würde dem Fernsehen gewiss etwas fehlen. Kürzlich ging es in der "Arte-Reportage" beispielsweise um einen orthodoxen Bischof, der schon in den ersten Stunden der russischen Invasion seines Amtes beraubt wurde. Der Titel: "Zwei Kirchen im Krieg". Es ist ein anderer, ungewöhnlicher Blick auf die Ukraine.

Emelie de Jong © Arte/Paul Blind Emelie de Jong
Zwischen all den lauten und oft schrillen Tönen, die das Fernsehen so mit sich bringt, ragt Arte mit seiner Andersartigkeit jenseits der strengen Formatierung anderer Sender weit heraus. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass niemand den deutsch-französischen Kultursender in Frage stellt, wenn in diesen Tagen einmal mehr über die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen gesprochen wird. Häufig ist von einer gemeinsamen Plattform ist die Rede, die in einem nächsten Schritt auch auf europäische Ebene ausgeweitet werden könnte. Hier in Straßburg kann man über derartige Gedankenspiele nur müde schmunzeln. "Eine europäische Plattform gibt es schon und sie heißt Arte", sagt Emelie de Jong, seit zwei Jahren Programmdirektorin, selbstbewusst. "Wir sind europaweit erreichbar, unsere Koproduktionen sind zu 80 Prozent europäischer Herkunft und zugänglich in vielen Sprachen."

Tatsächlich bietet Arte viele seiner Inhalte längst nicht mehr durch auf Deutsch und Französisch an, auch wenn es freilich diese beiden Sprachen sind, die in der Straßburger Sendezentrale in Redaktionskonferenzen oder der Kantine dominieren. Eine Kofinanzierung durch die Europäische Kommission in Höhe von jährlich mehr als vier Millionen Euro macht es möglich, dass ein erstaunlich großer Teil der Arte-Inhalte mittlerweile in gleich sechs Sprachen verfügbar ist, konkret in Englisch, Spanisch, Polnisch und Italienisch.

Zusätzliche lineare Sender braucht Arte dafür nicht; es reicht das Internet. Je nach ausgewählter Sprache setzt ein kleinen internationales Teams andere Schwerpunkte, um die länderspezifischen Interessen des Publikums möglichst genau zu treffen. "Arte als das europäische Kulturlabel der Referenz in der Sprache eines jeden zu etablieren, ist ein prioritäres Ziel, das im Herzen unserer Gruppenstrategie verankert ist", betont Emelie de Jong im Gespräch mit DWDL.de. "Bei dem mehrsprachigen Angebot geht es Arte darum, ein immer breiteres europäisches Publikum anzusprechen und so unserem europäischen Auftrag in vollem Umfang gerecht zu werden." Dabei wird die Finanzierung, wie man bei Arte gleich mehrfach betont, streng getrennt zwischen den EU-Fördermitteln und dem Rundfunkbeitrag. Will heißen: Kein deutscher Beitragszahler muss für die zusätzlichen Sprachangebote aufkommen. 

Ein Format, acht Sprachen

Seit wenigen Wochen geht Arte noch einen Schritt weiter. "Arte Europa - Die Woche" nennt sich ein wöchentliches, rein digitales Informationsangebot, das in Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch moderiert und zusätzlich - je nach Wahl - mit italienischen, polnischen und sogar ungarischen und griechischen Untertiteln versehen wird. Um die Verbreitung außerhalb Deutschlands und Frankreichs sicherzustellen, setzt Arte auf Partnerschaften mit europäischen Print- und digitalen Leitmedien. Das Format ist auch deshalb gelungen, weil man in der Arte-Mediathek munter zwischen den Versionen switchen kann, was vor allem mit Blick auf die Anmoderationen interessant ist. Diese sind nämlich ganz bewusst nicht identisch, sondern unterscheiden sich je nach Land und Fokus. Das zeigt recht eindrucksvoll: Es gibt viele Gemeinsamkeiten - aber auch Trennendes. 

Dass Arte verstärkt auf Online-Formate setzen will, überrascht nicht, schließlich erreicht der Sender hier ein jüngeres Publikum, das - auch zur Überraschung der Verantwortlichen - die Angebote sogar länger nutzt als im linearen Programm. Fast 1,8 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten zählt etwa der YouTube-Kanal von Arte und manche Videos erreichen sogar mehr als drei oder gar vier Millionen Abrufe - eine stolze Zahl, die den vermeintlichen Nischensender plötzlich gar nicht mehr so nischig erscheinen lässt. 

Für Nachschub ist unterdessen gesorgt. Sylvie Stephan, seit ihrem Abschied vom BR nun stellvertretende Programmdirektorin bei Arte, verweist etwa auf einen Schwerpunkt rund um den Jahrestag des Ukraine-Kriegs, der unter anderem die Oscar-nominierten Doku "Heimweh - Kindheit zwischen den Fronten" am kommenden Dienstag umfasst. Am 18. Februar wiederum räumt der Sender unter dem Motto "Ukraine, ein Jahr Krieg in Europa" sogar weite Teile des Programms frei und zeigt in zwei Dokumentarfilmen etwa die dramatischen Folgen des Ukraine-Kriegs für Familien.  Für den 21. März wiederum hat Arte den Dreiteiler "Wer ist Wladimir Putin?" angekündigt. 

Darüber hinaus will der Sender im weiteren Verlauf des Jahres Pablo Picasse anlässlich dessen 50. Todestages einen ganzen Thementag widmen. Dazu kommen Dokureihen wie "Notre-Dame, die Jahrhundertbaustelle" oder "Unsere Meere" sowie mit "Und draußen die Nacht", "Blackport", "Ehrliche Leute" und "Plötzlich alles anders" gleich mehrere Serien. Im zweiten Halbjahr folgt mit "Nackt über Berlin" außerdem eine Coming-of-Age-Serie, die zusammen mit dem SWR entstanden ist. Die Programmaussichten sind also gewiss nicht so trist wie das Straßburger Wetter im Januar.