Es hat ein bisschen den Anschein, als würde die Corona-Pandemie längst vorüber sein. Landauf und landab sind Regelungen zum Schutz der Bevölkerung ausgelaufen, aktuelle Infektionszahlen sind nur noch selten Teil der Nachrichten und Karl Lauterbach sitzt gar nicht mehr so oft bei "Markus Lanz". Doch während die Pandemie in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer kleinere Rolle spielt, sieht das in der Film- und Fernsehbranche gänzlich anders aus. Noch immer stöhnen Filmemacherinnen und Filmemacher über Hygienekosten und sprechen über drohende Produktionsausfälle. Und das schlimmste daran: Ein Ende ist nicht abzusehen. 

Akut wird die ganze Corona-Problematik jetzt auch wieder, weil der vom Bund aufgesetzte Ausfallfonds I Ende März ausläuft. Damit wurden bislang Filme und High-End-Serienproduktionen abgesichert, sollte es aufgrund der Pandemie zu Produktionsausfällen kommen. Nachdem der Topf mehrfach verlängert wurde, ist jetzt wohl endgültig Schluss. Genauso wie beim Ausfallfonds II für klassische TV-Produktionen, der bereits um den Jahreswechsel herum ausgelaufen war. Bei letzterem waren auch die Auftraggeber immer mit im Boot und mussten rund ein Drittel der eingereichten Kosten stemmen. Die Produktionsfirmen beteiligten sich hier mit 10 Prozent der Schadenssumme, mindestens aber mit 10.000 Euro. 

Björn Böhning © Produzentenallianz/Hans-Christian Plambeck Björn Böhning
Den Produktionsfirmen stehen jetzt (mal wieder) schwierige Monate bevor. Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz, sagt im Gespräch mit DWDL.de, er gehe nicht davon aus, dass die Ausfallfonds noch einmal verlängert würden. "Trotzdem ist das Risiko von Corona-Ausfällen ja nicht aus der Welt und die Versicherungen haben angekündigt, weiterhin keine Corona-Versicherung anzubieten." Für die Produktionsunternehmen sei das "misslich und auch geschäftsschädigend".

Versicherungen werden noch rigoroser

Böhning spricht von einem "Marktversagen" und tatsächlich wirkt es so, als seien Branche und Politik machtlos. Denn auch wenn viel mit der Versicherungsbranche gesprochen wird, nach wie vor bieten die großen Versicherungsunternehmen keinen Schutz gegen Auswirkungen von Corona-Infektionen. Das Problem kurz zusammengefasst: Am Set von Film- und TV-Produktionen gibt es enge Zeitpläne, die Macherinnen und Macher vor und hinter der Kamera sind sehr gefragt. Fallen unersetzbare Personen, etwa Hauptdarstellerinnen oder Hauptdarsteller, aufgrund von Corona aus, steht die ganze Produktion still. So entstehen innerhalb weniger Tage hohe Kosten. Anders als in anderen Fällen können sich die Produktionsunternehmen dagegen aber nicht absichern. Die großen Versicherer weigern sich bislang erfolgreich, durch Corona entstandene Schäden abzusichern, sie berufen sich dabei auf höhere Gewalt. 

Und es sieht aktuell nicht danach aus, als würde es bei den Versicherern auf absehbare Zeit zu einem Umdenken kommen - im Gegenteil. "Einige fangen an, in den AGB auch weitere Infektionskrankheiten von der Versicherung auszuschließen", sagt Björn Böhning von der Produzentenallianz. Das wolle man nicht hinnehmen, sagt der Geschäftsführer und kündigt eine rechtliche Prüfung dieser Vorgehensweise an. Ansonsten spricht Böhning von guten und vertrauensvollen Gesprächen mit der Versicherungsbranche. "Wenngleich bisher ohne langfristiges Ergebnis. [...] Trotzdem werden wir weiter an einer längerfristigen Lösung, möglicherweise gar einer gemeinsamen Branchenlösung arbeiten." Dafür brauche man aber auch Sender, Streamer und vielleicht auch die Förderanstalten der Bundesländer, sagt Böhning. "Denn nur wenn alle gemeinsam an einer solchen Lösung arbeiten, werden Versicherungen finanzierbar und das Risiko kalkulierbar."

"Die Menschen stecken sich in der Freizeit an und bei uns am Set werden Infektionen identifiziert. Gepaart mit fehlenden Versicherungsmöglichkeiten ist das ein unhaltbarer Zustand für die Produzent:innen."
Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz


Dass nun bald beide Ausfallfonds nicht mehr für Schäden aufkommen, sorgt in der Branche für Unverständnis. Vor allem weil insbesondere der Ausfallfonds II gar nicht so oft in Anspruch genommen wurde wie befürchtet - aber eben für eine große Beruhigung im Markt gesorgt hat. Noch dazu weiß auch die Politik: TV- und Filmproduktionen kurbeln die Wirtschaft an, es hängen nicht nur Arbeitsplätze bei Produktionsunternehmen daran. 

Seit fast drei Monaten gibt es nun aber schon kein Geld mehr aus diesem Topf für TV-Macherinnen- und Macher. Schlagzeilen über etwaige Produktionsausfälle sind seither ausgeblieben. Ist das also ein Zeichen dafür, dass die Branche doch nicht so sehr leidet wie mancherorts beschrieben? Um genaue Schlüsse über die Auswirkungen auf Drehs und Produktionen ziehen zu können, sei dieses Zeitfenster noch zu klein, sagt Produzentenallianz-Geschäftsführer Björn Böhning. Er verweist zudem auf Sender und Streamingdienste, die in der Regel zu "Kulanzlösungen" bereit gewesen wären. "Doch die Unsicherheit unter den Produzentinnen und Produzenten ist riesig, viele fragen sich, ob sie das Risiko einer Produktion noch eingehen können." 

Arbeitsschutzregelungen seien zwar ausgelaufen, sagt Böhning, aber es bestehe weiterhin die Empfehlung der Berufsgenossenschaft, Hygienevorkehrungen in der Gefährdungsbeurteilung vorzusehen. "Damit bleibt der Umstand: Die Menschen stecken sich in der Freizeit an und bei uns am Set werden Infektionen identifiziert. Gepaart mit fehlenden Versicherungsmöglichkeiten ist das ein unhaltbarer Zustand für die Produzent:innen."

Auftraggeber um Lösungen bemüht

Kurzfristig wird sich an der Situation wohl nichts ändern. Gute Nachrichten gab es zuletzt für die Produktionsfirmen, als die ARD ankündigte, ihre Coronahilfen für die Produzentinnen und Produzenten bis Ende des Jahres zu verlängern (DWDL.de berichtete). Von anderen Sendern fehlen solche generellen Commitments, aber auch dort ist man um Lösungen bemüht. Das ZDF teilt gegenüber DWDL.de mit, dass eine Erstattung in Höhe von 50 Prozent des Mehraufwands, der durch Corona verursacht wurde, "bis auf Weiteres in Betracht" komme. "Diese Beteiligung wird im Einzelfall betrachtet und entschieden." Extra anfallende Hygieneaufwendungen bei Produktionen seien zudem kalkulationsfähig. 

Und eine Sprecherin von RTL Deutschland teilt auf Anfrage mit: "RTL Deutschland wird wie vor der Einführung des Ausfallfonds vorgehen und bis auf weiteres jeweils nach Einzelfallprüfung einen signifikanten Anteil der unvermeidbaren Mehrkosten durch coronabedingte Drehabbrüche, Unterbrechungen und Verschiebungen übernehmen." Eine Fortführung insbesondere des Ausfallfonds II hält man aber auch in Köln für sinnvoll. "Das Risiko, dass Mitwirkende der Produktion coronabedingt ausfallen, besteht weiterhin – auch wenn angesichts der allgemeinen Lage zu hoffen ist, dass sich die Gesamtsituation zunehmend entspannt."

Corona-Kosten für Sender spürbar

Von der Produzentenallianz heißt es gegenüber DWDL.de, dass man "bilaterale kulante Regelungen" mit den Auftraggebern vereinbart habe. Das beinhaltet sowohl die anteilige Übernahme von Hygienekosten als auch die Aufwände, die bei Ausfällen anfallen. Auch Sky und ProSiebenSat.1 hätten eine solche Unterstützung zugesagt, sagt Produzentenallianz-Geschäftsführer Björn Böhning. Um das weitere Vorgehen zu besprechen und vielleicht auch eine senderübergreifende Lösung zu finden, hat die Produzentenallianz die Sender zu einem Runden Tisch eingeladen. Dieser wird voraussichtlich Anfang April stattfinden. 

Auch wenn die ganz großen Schlagzeilen über etwaige Drehabbrüche durch Corona bislang ausblieben: Einen merklichen Impact hatte die Pandemie ohne Frage. ZDF-Intendant Norbert Himmler hatte vor wenigen Monaten öffentlich gemacht, dass das ZDF bereits Mehrkosten in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro gestemmt und nicht auf die Produktionsfirmen umgelegt habe. Bei der ARD Degeto waren es zuletzt rund 30 Millionen, weshalb man die Anzahl der Produktionen reduzieren musste. Es werden wohl noch ein paar Millionen mehr hinzukommen in den kommenden Wochen und Monaten. Denn für die Film- und Fernsehbranche ist Corona noch längst nicht vorüber, auch wenn Karl Lauterbach nicht mehr bei "Markus Lanz" das Pandemiegeschehen erklärt.