Spricht man mit Frank Beckmann über die Primetime-Shows im Ersten, dann gerät der ARD-Unterhaltungskoordinator schnell ins Schwärmen. Kein Wunder, schließlich sind die großen Samstagabendshows im Ersten aus Quotensicht eine sichere Bank - und keineswegs nur bei den älteren Stammsehern gefragt. "Wir sind inzwischen auch beim jungen Publikum sehr stark, weil wir mit 'Verstehen Sie Spaß?' oder 'Klein gegen Groß' Programme haben, die Familien binden. Das sind Formate, die oft von Eltern mit ihren Kindern gesehen werden, auch wenn immer wieder behauptet wird, dass es das heutzutage gar nicht mehr gibt", sagt Beckmann im Gespräch mit DWDL.de.

Tatsächlich geben ihm die Quoten recht: Wenn samstags Kai Pflaume auf Sendung geht, dann zieht inzwischen nicht selten sogar "Deutschland sucht den Superstar" bei den 14- bis 49-Jährigen den Kürzeren. Beckmann sieht das als Bestätigung dafür, dass das Publikum eben nicht nur Informationsprogramme von den Öffentlich-Rechtlichen erwartet. "Wenn man Menschen erreichen möchte, dann muss man nicht nur den Kopf ansprechen, sondern auch die Gefühle und das Herz. Das bedeutet für uns, dass wir uns deshalb mit diesem Bereich immer wieder neu beschäftigen - auch im Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer", sagt Beckmann. "Öffentlich-rechtliche Qualität bedeutet zum Beispiel, dass wir unsere Gäste immer mit Wertschätzung behandeln und nicht diskreditieren. Manche kommerziellen Formate sind da schmerzfreier und die würden wir in dieser Form ganz sicher nicht machen."

Vor der privaten Show-Konkurrenz aus Köln fürchtet er sich aktuell nicht - auch, weil sich RTL seit geraumer Zeit schwer damit tut, am Samstagabend neue Wege einzuschlagen und nach einigen Rückschlägen lieber Dieter Bohlen zurückholte als frischen Ideen eine Chance zu geben. "Ich möchte im Moment nicht mit den Kommerziellen tauschen", betont der ARD-Unterhaltungschef. "Wir sind der Marktführer in der Samstagabendunterhaltung. Es ist für jemanden, der versucht, den Marktführer zu verdrängen, erfahrungsgemäß mit sehr viel Aufwand und sehr großer Geduld verknüpft. Das lässt sich nicht mit einem kurzen Atem machen."

Esther Sedlaczek © ARD/Uwe Ernst Esther Sedlaczek moderiert bald "Frag doch mal die Maus" am Samstagabend.
Zufrieden gibt sich Frank Beckmann auch mit Blick auf die Frauen-Quote. Es liegt noch nicht lange zurück, da sorgte der inzwischen in den Ruhestand verabschiedete ARD-Programmdirektor Volker Herres für Aufsehen, weil er hinsichtlich weniger Frauen vor der Kamera ein Defizit ausmachte. Auf die Frage, welche Frau zur ARD-Unterhaltung passen könnte, gab es sich damals ratlos. "Mir fällt aktuell kein weibliches Pendant etwa zu Kai Pflaume ein, der die große Samstagabend-Show moderiert und mit seiner Empathie und Zugewandtheit so große Mehrheiten für sich begeistert." Seither hat Frank Beckmann einiges verändert. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass die Frage, ob Frauen in der Unterhaltung erfolgreich sind, mit einem klaren Ja beantwortet werden kann. Das ist uns geglückt", sagt er und führt Anja Reschke, Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus, Beatrice Egli oder Esther Sedlaczek an.

Zahlreiche Vorabendserien gehen weiter

Letztere hat inzwischen nicht nur das "Quizduell" von Jörg Pilawa übernommen, sondern wird bald auch die Eckart von Hirschhausens Nachfolge in der "Maus"-Show am Samstagabend antreten. Selbst in der beliebten Vorabend-Quizshow "Gefragt - gejagt" habe man zuletzt "zwei starke Jägerinnen etabliert". Beckmann: "Da kann ich ganz klar sagen: Mission erfolgreich angenommen". Ohnehin spricht er auch gerne über die Zeitschiene vor 20 Uhr, die noch vor wenigen Jahren als Todeszone verschrien war. Hier sind längst nicht nur "Gefragt - gejagt" und "Wer weiß denn sowas?" sichere Quoten-Hits, sondern auch die Serien. Kein Wunder also, dass es hier weitergehen wird, wie Beckmanns Kollege Christoph Schmidt, seines Zeichens Vorabend-Geschäftsführer der ARD, im Gespräch mit DWDL.de betont. "Alle fiktionalen Serien, die wir im letzten Halbjahr ausgestrahlt haben, verlängern", kündigt Schmidt an, "also montags das 'Großstadtrevier' und 'Morden im Norden', dienstags die 'WaPos' Duisburg, Berlin und vom Bodensee und mittwochs 'Watzmann ermittelt' und 'Hubert ohne Staller'."

Christioph Schmidt © ARD Christoph Schmidt
Die Quoten können sich inzwischen sehen lassen, allen voran bei "Morden im Norden", das jüngst Werte um 16 Prozent beim Gesamtpublikum verzeichnete - kein Vergleich zu den miesen Zahlen der Anfangstage. "Wir legen derzeit in Marktanteilen und Reichweiten gleichermaßen zu", erklärt Christoph Schmidt und spricht von "starker Formatarbeit". "Davon profitieren auch die Dritten Programme, da sie mit den Wiederholunge oft starke Quoten erzielen." Verlängert werden soll der Erfolg im kommenden Winter sogar in die Primetime: Nach dem Erfolg des "Großstadtrevier"-Films wird aktuell an jeweils einem Film von "Hubert ohne Staller" und "Morden im Norden" gearbeitet.

Nachholbedarf sieht Unterhaltungskoordinator Frank Beckmann indes auf einem anderen Feld. "Bei der Comedy sind wir nicht die Nummer eins. Wir werden besser, sind aber weit weg davon, dass man uns in diesem Genre eine Kernkompetenz attestiert", räumt er ein. Die aktuell schlechten Quoten des Neustarts "Comedy rettet die Welt" sind ein Beleg dafür. "Da müssen wir uns weiter steigern und etwa hinsichtlich des neuen Sendeplatzes am Freitagabend Erfahrungen sammeln." Immerhin: Donnerstags befindet sich die ARD-Comedy auf der Erfolgsschiene. "In der ersten Comedy-Leiste haben wir unsere Position mit Carolin Kebekus, Dieter Nuhr und 'extra 3' extrem verbessert", so Beckmann. In der zweiten Schiene wiederum zeigt sich Beckmann mit der ersten Staffel von "Reschke Fernsehen" zudem "sehr zufrieden, weil es auf Anhieb gelungen ist, investigativen Journalismus mit guter Unterhaltung zu verbinden. Das hat uns Aufmerksamkeit beim Publikum und viele Schlagzeilen beschert".

Aktuell wird zudem die Schlagzahl von "extra 3" im Hauptprogramm erhöht werden, indem zusätzliche Folgen gegen 23:35 Uhr gesendet werden. "Wir wollen Erkenntnisse darüber erhalten, was passiert, wenn wir Formate aus der ersten und zweiten Leiste tauschen. Dahinter steht jedoch keine strategische Planung. Der Schritt ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass ein Platz war und wir für das NDR Fernsehen ohnehin jede Woche eine Folge von 'extra 3' produzieren", betont Beckmann, der bekanntlich nicht nur die ARD-Unterhaltung koordiniert, sondern darüber hinaus auch als NDR-Programmdirektor fungiert. "Wir schwächen also das NDR Fernsehen ein Stück weit für Das Erste."

Mehr Reality und digitale Unterhaltung

Und sonst? "Was uns darüber hinaus fehlt, sind starke Reality-Formate", sagt er. "Wir sind in der Musik erfolgreich, sind im Quiz und in der Show stark, bei Unterhaltungsformaten abseits des Shiny Floors sind wir noch auf der Suche." Bei der digitalen Unterhaltung ist es ein erklärtes Ziel, Formate für die junge Zielgruppe zu machen. "Da geht es nicht immer um die maximale Reichweite, sondern darum, Menschen ein Angebot zu machen, die wir bislang noch nicht so stark angesprochen haben", betont Christoph Schmidt. "Mit Riccardo Simonetti haben wir beispielsweise 'Salon Simonetti' gemacht und werden mit ihm ganz sicher weiter zusammenarbeiten, ebenso wie mit Negah Amiri und World Wide Wohnzimmer, von deren Fangemeinde wir das Feedback bekommen, dass sie noch nicht zwangsläufig von YouTube in die Mediathek wechseln. An dieser Stelle brauchen wir vor allem Geduld."

Gleichzeitig soll auch die Mediathek gestärkt werden. Die habe weniger registrierte Nutzerinnen und Nutzer als die "ARD-Quiz-App" mit ihren 2,7 Millionen, rechnet Frank Beckmann vor und sieht in der Verzahnung eine Chance. "Die Zukunft wird darin liegen, beides miteinander zu verknüpfen." Der 25-stündige "Quiz-Marathon" von "Wer weiß denn sowas?" etwa habe für 1,5 Millionen Mediatheks-Zugriffe gesorgt. "Das war ein voller Erfolg und zeigt zugleich, was möglich ist, wenn lineares Programm und Mediathek Hand in Hand gehen.Nun gehe es darum, ergänzende Formate zu finden, die die großen Shows in der Mediathek ergänzen. "Eine Möglichkeit sehe ich in Pre-Shows, wie wir sie jüngst zum Vorentscheid für den Eurovision Song Contest gemacht haben", sagt der Unterhaltungskoordinator. "Wenn es uns gelingt, auf diese Weise noch einmal neue Zielgruppen zu gewinnen, dann ist es denkbar, Ähnliches auch vor anderen Live-Shows zu machen."

Mit Blick auf den ESC gibt sich Beckmann derweil optimistisch, dass es mit der deutschen Band Lord of the Lost in diesem Jahr besser laufen wird als in den Jahren zuvor - auch wenn die Konkurrenz in diesem Segment hart sein wird. "Unser Ziel ist die linke Spalte", sagt der ARD-Unterhaltungschef, "und die können wir schaffen."