Die Frau, die am Mittwochabend in Los Angeles vom Simon Wiesenthal Center für ihre humanitären Verdienste geehrt wurde, konnte sich höchster Anerkennung gewiss sein. Von den Tischen im Ballsaal des Beverly Hilton applaudierten ihr geladene Gäste wie Tom Cruise, Steven Spielberg, Arnold Schwarzenegger, Disney-CEO Bob Iger, Netflix-Chef Ted Sarandos oder Warner-Bros.-Discovery-Boss David Zaslav. Shari Redstone, die Geehrte, dürfte den Moment genossen haben. Es war nicht absehbar, dass sie einmal so im Mittelpunkt von Hollywood stehen würde, als ihr Vater sie zu Lebzeiten schon so gut wie enterbt und vor Konzernmanagern unflätigst beschimpft hatte.

Man muss für die heutige Aufsichtsratsvorsitzende und 80-Prozent-Stimmrechtsaktionärin von Paramount unweigerlich erst Mitleid, dann Bewunderung empfinden, wenn man liest, wie James B. Stewart und Rachel Abrams in ihrem im Februar erschienenen Branchen-Bestseller "Unscripted" den schier unglaublichen Beinahe-Niedergang von Sumner Redstones Viacom-CBS-Imperium nachzeichnen. Da die beiden Wirtschaftsjournalisten sich mit den Abgründen von US-Medienmoguln auskennen, waren sie unlängst im Begleitpodcast zur HBO-Serie "Succession" zu Gast, wo sie den fiktiven Tycoon Logan Roy mit dem echten Redstone vergleichen sollten. Das Ergebnis war für letzteren wenig schmeichelhaft: Der mitunter tyrannische Roy (Catch-Phrase: "fuck off!") springe seinen Kindern wenigstens im Extremfall zur Seite, weil er sie liebe. Das könne man von Redstone nicht behaupten.

Trotz familiärer Widerstände ist es Shari Redstone also gelungen, das Heft in die Hand zu nehmen, CBS und Viacom wieder zu vereinen und ihnen damit bis auf weiteres das Überleben im Streaming-Zeitalter zu ermöglichen. Dennoch steht Paramount gerade mal wieder an einer kritischen Wegmarke. In der ersten Maiwoche hat der Konzern innerhalb eines Tages 30 Prozent seines Börsenwerts verloren, nachdem die eigene Quartalsprognose gerissen und die Dividende um vier Fünftel gekürzt wurde, damit weiter Investitionsmittel für die Streaming-Plattform Paramount+ in der Kasse bleiben. Eine "Mission: Impossible"-artige Situation sei das, ätzte das "Wall Street Journal": "Wie finanziert man einen kostspieligen Streaming-Aufbau, wenn die Zeit, als Investoren dafür noch bereitwillig Blankoschecks ausgestellt haben, längst vorbei ist?"

Bob Bakish, Shari Redstone © Paramount Unmögliche Mission? Bob Bakish und Shari Redstone haben mit massiven Einbrüchen zu kämpfen
Fairerweise muss man dazu sagen, dass Paramount langfristig angekündigt hatte, dass 2023 der Höhepunkt der Streaming-Ausgaben erreicht werde. Und es ist auch nicht so, als ob Paramount+ keine Zuwächse vorweisen könnte. 4,1 Millionen zusätzliche Abonnenten sammelten sich innerhalb des ersten Quartals an – eine Zahl, die sogar über den Erwartungen lag. CEO Bob Bakish blieb nicht viel anderes übrig als um Geduld zu bitten und die Rückkehr zum positiven Cashflow für 2024 in Aussicht zu stellen. Das Problem ist nur, dass Paramount genau in der Phase seiner höchsten Spendings von einem unerwartet harten Konjunktureinbruch im Werbemarkt erwischt wird. Als Reaktion darauf entlässt der Konzern erschreckende 25 Prozent seiner Belegschaft aus den Sparten MTV Entertainment, Paramount Media Networks und Showtime, wie in diesen Tagen bekannt wurde. Die bislang getrennten Produktionsbetriebe von Showtime ("Billions") und MTV Entertainment Studios ("Yellowstone") werden zusammengelegt; aus den neun US-TV-Sendern Nick, MTV, Comedy Central, Paramount Network, CMT, Smithsonian, TV Land, Logo und Pop TV wird eine einheitliche, stark verkleinerte "Portfolio-Gruppe". Durch die Schließung einiger Abteilungen und die Verschlankung anderer, so Media-Networks-Chef Chris McCarthy, werde man "in der Lage sein, die Kosten zu senken und einen effektiveren Ansatz für unser künftiges Geschäft zu schaffen".

Den treffendsten Vergleich lieferte in dieser Situation wohl Investorenlegende Warren Buffett, der voriges Jahr ein riesiges Aktienpaket zusammengekauft hatte und nun 15 Prozent an Paramount hält: Mit dem Streaming-Markt sei es so wie mit der Tankstelle in Omaha, die er als 20-Jähriger betrieb. Eine konkurrierende Tankstelle auf der anderen Straßenseite habe immerzu die Preise gesenkt und mehr Benzin als er verkauft. Mit anderen Worten: So richtig profitabel werde Streaming erst mit weniger Wettbewerbern im Markt, mit höheren Preisen und besseren Margen.

Fraglich bloß, ob das vergleichsweise kleine Paramount zu den Treibern der weiteren Konsolidierung gehört oder nicht doch eher zu den Getriebenen. Ein schlauer Fuchs wie Buffett könnte auf die lang erwartete Übernahme spekulieren. Als möglicher Käufer wird der Private-Equity-Riese Apollo Global Management gehandelt, dem AOL und Yahoo, Teile von Legendary Entertainment ("Dune", "Jurassic World") sowie ein weit verzweigtes Netzwerk amerikanischer Lokal-TV-Stationen gehören. In diesem Verbund wäre Apollo in der Lage, aus den sinkenden Reichweiten von CBS und Paramounts Kabelsendern noch eine Weile ansehnliche Erlöse herauszupressen.

Ein kleiner Teil des Redstone-Reichs steht schon jetzt zum Verkauf: der traditionsreiche Kabelsender Black Entertainment Television (BET) mitsamt seinem 2019 gestarteten Streaming-Dienst BET+, der dem Vernehmen nach um die 3,5 Milliarden Dollar einbringen könnte. Schauspieler und Produzent Tyler Perry hat sein Interesse an einer Übernahme ebenso bekundet wie Sean "Diddy" Combs und Entertainment-Studios-Eigner Byron Allen. BET ist innerhalb des Paramount-Portfolios ein Sonderfall, da seine Töchter teils eigene Minderheitsgesellschafter haben: Perry ist bereits an BET+ beteiligt, Kenya Barris und Rashida Jones an der Produktionseinheit BET Studios. Dies würde eine Vollintegration in Paramount+ zumindest erschweren.

Ein Gebot von mehr als drei Milliarden Dollar für den Pay-TV-Sender Showtime, das von dessen früherem Chef David Nevins und dem Finanzinvestor General Atlantic kam, haben Bakish und Redstone derweil abgelehnt. Stattdessen wurde Showtime unter der neuen Marke "Paramount+ with Showtime" in die Streaming-Struktur des Konzerns integriert – mit geschätzten Einsparungen zwischen 300 und 400 Millionen Dollar pro Jahr sowie einer Aufwertung des Premium-Abos durch Showtime-Hits wie "Billions" und "Dexter". Die beiden Erfolgsmarken sollen konsequenter als bisher ausgemolken werden: Eine Handvoll Spin-offs sind schon in der Mache.

Das konzerneigene Vorbild für solche Serien-Franchises heißt natürlich "Yellowstone". Die Neo-Westernsaga von Taylor Sheridan mit Kevin Costner als Viehzüchter John Dutton war 2018 auf dem Paramount Network angelaufen und hat durch ihren großen Erfolg inzwischen sechs Spin-off-Serien hervorgebracht. Das Original geht freilich mit der im November startenden fünften Staffel zu Ende – nach monatelangen Auseinandersetzungen mit Costner, der zuletzt immer weniger Drehtage dafür zur Verfügung stellen wollte und sich lieber auf andere Filmprojekte konzentrierte. Wenig überraschend war Costner am Mittwoch bei der Gala im Beverly Hilton nicht anzutreffen. Shari Redstone konnte seine Abwesenheit ziemlich sicher verschmerzen.

US-Studios im Umbruch – bisher erschienen