Die FFS Film- & Fernseh-Synchron GmbH ist eines der wichtigsten deutschen Unternehmen, wenn es um Synchronisationen internationaler Filme und Serien geht. In der jüngeren Vergangenheit verantwortete man unter anderem die deutschen Synchronfassungen von Produktionen wie "Die Ringe der Macht", "House of the Dragon" oder auch "Army of the Dead" und "Bridgerton". Zuletzt wurde das Unternehmen aber von mehreren Branchenverbänden indirekt kritisiert.

Sowohl die Berufsvereinigung Filmton (BVFT), als auch der Bundesverband Schauspiel (BFFS) und der Synchronverband Die Gilde sprachen sich in zum Teil ähnlichen Stellungnahmen gegen die angebliche Einführung einer neuen Synchron-Technologie aus. Diese stelle ein "erhebliches Risiko" für qualitativ hochwertige Synchronfassungen dar, war da zu lesen. Oder dass es bei dem neuen System vor allem darum gehe, Stellen vor allem im Bereich des Schnitts - und damit Kosten - einzusparen (DWDL.de berichtete). Die FFS wurde zwar nicht konkret in den Stellungnahmen benannt, wohl aber das französische Unternehmen Dubbing Brothers, zu dem die FFS gehört. Dieses wolle die neue Technik nun bei seinen deutschen Töchtern einführen.

Rainer Ludwig, FFS © FFS/Sven Hasper FFS-Geschäftsführer Rainer Ludwig
Gegenüber DWDL.de weist FFS-Geschäftsführer Rainer Ludwig die Kritik der Verbände, es gehe vor allem darum, Kosten zu senken, zurück. "Das Ziel ist nicht, Geld einzusparen und schon gar nicht, Cutterinnen und Cutter einzusparen", sagt Ludwig, der davon spricht, dass Behauptungen aufgestellt worden seien, die "ausschließlich auf Hörensagen beruhen". Die FFS sei das Unternehmen mit den meisten festangestellten Cutterinnen und Cuttern, dabei setze man auf "hoch qualifiziertes, größtenteils selbst ausgebildetes Personal". Ludwig: "Die ziehen wir in den ganzen Prozess mit ein und es stimmt nicht, dass wir uns dieser Personen entledigen wollen. Das sind Unterstellungen, die ich zurückweise." Im Gespräch sagt Ludwig, es gehe darum, die Branche langfristig weiterzubringen und die Jobs im Unternehmen zu sichern.

"Wir wollen die Mitarbeitenden, das Unternehmen und unsere Philosophie in die Zukunft transportieren. Das sollte man uns zugute halten und nicht pauschal Dinge ablehnen, nur weil man sie 50 Jahre lang so gemacht hat", so der FFS-Geschäftsführer, der im Gespräch mit DWDL.de auch sagt, dass sich die Arbeit der am Synchronisationsprozess beteiligten Mitarbeitenden in Zukunft verändern wird. Nur: Wegfallen sollen die Jobs nach Angaben von Rainer Ludwig nicht.

Die Arbeit für die Sprecher wird sich ändern

Doch was soll sich nun konkret ändern? Nach Angaben von Rainer Ludwig und Sebastian Haacke, Kaufmännischer Leiter bei FFS und mit der Einführung der neuen Technik betraut, gehe es zuallererst um eine neue Software mit dem Namen Erytmo. Die stamme vom französischen Mutterkonzern und funktioniere wie andere Systeme für Synchronisationsarbeiten. Kritisiert wird von den Verbänden aber vor allem die Aufnahmetechnik Bande Rythmo, die es so tatsächlich in Frankreich gibt. Bei der wird in langen, 45-sekündigen Loops aufgenommen, während in Deutschland Takes üblich sind, die normalerweise 6 bis 8 Sekunden lang sind.

Geht es nach Ludwig und Haacke, wird sich die Arbeit für Synchronsprecherinnen und Synchronsprecher sowie den weiteren Mitarbeitenden im Studio durchaus ändern, aber längst nicht so radikal wie von den Verbänden beschrieben. Das vielfach kritisierte, französische System werde nicht 1:1 auf den deutschen Markt kommen. Aktuell führe man Tests durch und passe das System auf die Bedürfnisse des hiesigen Marktes an. Dass die Verbände behaupten, dass künftig in langen Loops statt in kurzen Takes aufgenommen werden soll, wollen die beiden FFS-Manager so nicht stehen lassen. Der Loop sei lediglich der Ausschnitt, den sich alle am Prozess Beteiligten (neben Sprechern auch Cutter, Tonmeister, Regie) vor der Aufnahme gemeinsam in Gänze ansehen würden. Danach könne individuell und abhängig von der jeweiligen Szene entschieden werden, wie viele Einstiege zur Aufnahme man wähle. "Wir können uns dadurch von dem Korsett des Takes lösen", sagt Sebastian Haacke gegenüber DWDL.de.

Von der Reaktion der Verbände war ich überrascht, denn wir wollen niemandem etwas wegnehmen.
FFS-Geschäftsführer Rainer Ludwig 


Zur Wahrheit der Takes gehört nämlich auch: Wenn die Aufnahmen nach wenigen Sekunden immer unterbrochen werden, ist es für die Sprecherinnen und Sprecher umso schwerer, später die gleiche Melodie in der Stimme zu finden. Erytmo biete hier mehr Flexibilität. Andererseits wird in der Synchron-Branche nach Takes bezahlt - hier sehen die Verbände offenbar Gefahren, im neuen System schlechter als bislang auszusteigen. Auch das versuchen die beiden FFS-Manager zu entkräften: "Wir können die Szenen einteilen, wie es vom Schauspiel und Redefluss her sinnvoll ist. Wenn wir den Sprecherinnen und Sprechern zusagen, und das würden wir natürlich machen, dass sie durch das neue Verfahren kein Geld verlieren, gibt es keine Unterschiede. Die Sprecherinnen und Sprecher haben keine Nachteile zu befürchten, sie werden nicht mit weniger Gage nach Hause gehen", sagt Rainer Ludwig.

"Wahnsinnige Dokumentenverwaltung"

Sebastian Haacke © FFS Sebastian Haacke, Kaufmännischer Leiter bei FFS
Auf die Frage, weshalb es die neue Technik überhaupt brauche, führen Ludwig und Haacke mehrere Beispiele an. So erlaube die neue Software eine Vereinheitlichung, die viele Erleichterungen mit den anderen Unternehmen der Gruppe mit sich bringen würde. Dubbing Brothers betreibt neben Frankreich und Deutschland auch Unternehmen in Italien und Skandinavien - und oft haben diese Einheiten die gleichen Kunden. Eine bessere Absprache, ermöglicht durch einheitliche Software-Lösungen im gesamten Konzern, würde natürlich zu Einsparungen führen. Außerdem erwarte man sich mehr Freiheiten bei der Arbeit im Studio und könne zudem die bislang herrschende, "wahnsinnige Dokumentenverwaltung" im Hintergrund zurückfahren, sagt Haacke.

Viele Skripte und andere Dokumente würden heute noch in Word geschrieben. Das ist nicht nur umständlich, sondern sorgt auch für Unübersichtlichkeit in einer Situation, in der mehrere Personen an einem Text arbeiten. Durch das neue Erytmo sollen alle Versionen der Dokumente in einer Software gebündelt werden – und könnten so von allen Beteiligten zeitgleich eingesehen und bearbeitet werden. Dadurch werde es administrative Einsparungen geben, so FFS-Chef Ludwig. "Wenn wir in Deutschland Schwachstellen des bestehenden Systems ausmerzen wollen, müssen wir uns auch neue Techniken ansehen. Und da ist die Software Erytmo eine gute Sache, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen", sagt er.

Die Sprecherinnen und Sprecher haben keine Nachteile zu befürchten, sie werden nicht mit weniger Gage nach Hause gehen.
FFS-Chef Rainer Ludwig


Die Kritik der Verbände, es könne während des Synchronprozesses zu keinen Änderungen an den Sätzen oder einzelnen Wörtern kommen, stimme nicht, heißt es von der FFS. Durch die Lösung über eine Software werde das sogar einfacher als bisher, so Sebastian Haacke. Allfällige Textänderungen während den Aufnahmen sollen, wie bereits beschrieben, unmittelbar auf allen Bildschirmen im Studio dargestellt werden. Außerdem werde der Text in der neuesten Version weiterhin statisch auf einem externen Monitor dargestellt, wodurch sich die Optionen für alle Beteiligten im Studio erweitern würden, heißt es von der FFS. Von einer baldigen Einführung von Erytmo kann aktuell übrigens noch gar keine Rede sein. Ludwig und Haacke verweisen gegenüber DWDL.de auf die Ergebnisse eines ersten Tests. Entsprechende Änderungswünsche von verschiedenen Seiten, die sich dadurch ergeben hätten, seien von den hauseigenen Programmierern mittlerweile eingebaut worden. Nun wolle man weiter testen, um die Software besser zu machen. Es wird wohl noch etwas länger dauern, bis das neue System in den Regelbetrieb geht.

Ludwig präsentierte das Erytmo-Projekt bereits im Februar vor dem Synchronverband Die Gilde. Mit seiner Vision ist er damals offenbar nicht bis zu den Mitgliedern durchgedrungen. "Von der Reaktion der Verbände war ich überrascht, denn wir wollen niemandem etwas wegnehmen", sagt der FFS-Chef. Ein neues System generell abzulehnen, nur weil es neu ist, sei nicht "unsere Philosophie", so Ludwig weiter. "Wir probieren es aus, passen es an und werden dann damit arbeiten." Finanzchef Haacke bezeichnet es als "verwunderlich, dass die Verbände nicht offen sind für neue Herangehensweisen, wo sich doch die Herausforderungen im Synchronmarkt verändern". Haacke spricht von größtmöglicher Transparenz, die man der eigenen Belegschaft, aber auch der gesamten Branche zugesichert habe. "Und dann lesen wir Stellungnahmen, in denen es teilweise um Punkte geht, die wir so nie gemacht haben. Woher einige Behauptungen der Verbände kommen, wissen wir nicht."

Synchronisationen durch KI? 

Ohnehin gibt es nach Angaben von Firmenchef Ludwig ein Thema, dass die Branchenverbände viel mehr umtreiben sollte als die neue Software bei der FFS. Nämlich das der Künstlichen Intelligenz (KI). Schon heute gibt es Beispiele dafür, wie KI die Stimmen von prominenten Personen imitieren. Manchmal passiert das zu Vorführungszwecken, manchmal schwirren aber auch bewusst generierte Fakes durchs Netz, um Menschen in die Irre zu führen. Das werde auch für die Synchronindustrie noch ein wichtiges Feld, sagt Ludwig. Niemand wisse, wie weit die großen internationalen Konzerne mit ihrer KI-Technologie bereits seien.

Bei Filmen und Serien werde es wohl noch lange dauern, bis die KI alle Emotionen so abbilden könne, wie es ausgebildete Sprecherinnen und Sprecher heute tun, sagt der FFS-Chef. Dass bestimmte Synchro-Arbeiten künftig aber von KI erledigt werden könnten, ist keine ferne Zukunftsmusik. Schneller könnte es laut Ludwig in anderen Bereichen gehen, beispielsweise in der Werbung oder in Dokumentationen. Hier würden Emotionen weniger wichtig sein und die Hürden des Einsatzes von KI entsprechend niedriger. Dennoch brauche es wohl auch in ferner Zukunft immer noch Menschen, die das Ergebnis der KI-Synchro überprüfen - entsprechend müssten die Menschen in der Branche auf dem neuesten Stand bleiben. "Grundsätzlich gilt: Wir müssen uns anschauen, was kommt und dort mitgestalten, wo wir es können. Dann wird mir um das Synchron-Gewerbe nicht Bange."