Wer an Knigge denkt, der denkt zunächst einmal an gute Manieren. Und vielleicht denkt der ein oder andere in Zukunft auch an eine kleine, feine ZDF-Serie, die neuerdings in der Mediathek darauf wartet, gefunden zu werden. "Knigge & Co." heißt sie - und das ist zugleich der Name eines Familienunternehmens, das im Mittelpunkt der Handlung steht. Gleich vier Generationen arbeiten bei besagter Firma, die ihre Kundschaft in Sachen Verhalten, oder besser gesagt: Fehlverhalten, berät, unter einem Dach zusammen. Klar, dass es schnell zu "brenzligen zwischenmenschlichen Situationen und fatalen Missverständnissen" kommt, wie in der Serienbeschreibung des ZDF zu lesen ist.
Gänzlich abendfüllend ist "Knigge & Co." gleichwohl nicht, was auch daran liegt, dass die sechs Folgen zusammengerechnet auf eine Länge von nur rund 90 Minuten kommen. Und doch lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen - nicht nur wegen einiger unterhaltsamer Geschichten, die die Produktion von Always On Production und Riverside Entertainment zu bieten hat, sondern wegen der beiden Frauen, die hinter den Kulissen als Showrunnerinnen fungieren. Sonni Winkler und Jule Kleinschmidt, beide gerade fertig mit dem Studium, haben das Konzept zu "Knigge & Co." sowie die Figuren und Bücher entwickelt und zu großen Teilen selbst geschrieben. Sie waren es auch, die Regie am Set und im Schnitt geführt haben.
Und ganz nebenbei haben sie auch das Casting konzipiert, das zu einer bemerkenswert diversen Besetzung führte. "Für uns war von Beginn an klar, verschiedene Generationen, aber auch andere Perspektiven erzählen zu wollen", sagt Jule Kleinschmidt im Gespräch mit DWDL.de. "Wir haben deshalb beim Casting gezielt nach Schauspielerinnen und Schauspielern gesucht, die man in der Besetzung nicht direkt auf dem Schirm hat."
Für die jungen Fernsehmacherinnen ist "Knigge & Co." nicht das erste gemeinsame Projekt. In der Vergangenheit arbeiteten sie unter anderem schon bei Produktionen der Firma Turbokultur zusammen - und verstehen sich auch darüber hinaus sehr gut. "Wir sind seit fünf Jahren beste Freundinnen und verbringen dadurch viel Zeit miteinander. Da merkt man sehr schnell, dass man auch beim Humor auf einer Wellenlänge liegt", erzählt Kleinschmidt. Dass sie und Sonni Winkler zu Jahresbeginn eine Showrunning-Unit gegründet haben, die inzwischen in eine eigene Firma mit dem Namen The Imposters überführt wurden, ist gleichwohl nicht selbstverständlich. "Wir haben Bock, unser eigenes Zeug zu machen", sagt Winkler. "Und wir haben total Lust, Geschichten aus neuen Perspektiven zu erzählen."
Bezogen auf "Knigge & Co." geht es den beiden auch darum, Comedy zu machen, die möglichst wenig diskriminiert. "Früher", erinnert sich Jule Kleinschmidt, "habe ich bei Comedyformaten oft mitgelacht, weil ich dachte, dass es ja witzig sein muss. Dabei waren es vor allem Witze auf Kosten anderer, über die man lachte – teilweise auch auf meine Kosten, weil ich eine Frau bin." Bis heute basiert in der deutschen Comedy-Branche nach ihrer Auffassung sehr viel auf diesem Prinzip, "und das finde ich extrem schade, weil Humor eigentlich eine wundervolle Erzählform ist, um inklusiv zu sein. Wir wollen gerne beweisen, dass es auch anders geht", sagt sie.
Doch klar ist auch, dass es "kein Richtig und kein Falsch" gibt, wie Kleinschmidt im Gespräch mit DWDL.de einräumt. "Jede Person hat Themen, auf die er oder sie sensibler reagiert als andere. Uns geht es darum, niemanden zu verletzen. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir auch damit wahrscheinlich nicht allen Menschen gerecht werden können. Die verschiedenen Ebenen, die wir erzählen, haben verschiedene Grenzen. Erst dadurch entsteht Reibung – und das macht Comedy ja letztlich aus."
"Eine unstoppbare Bewegung"
Kleinschmidt und Winkler wollen jedoch nicht nur den Humor verändern, sondern auch, wie sie selbst sagen, die Arbeitsweise in der Branche. "Ich habe selbst sexuelle Übergriffe am Set erlebt, vor allem auch Grenzüberschreitungen, was Macht angeht", erzählt Sonni Winkler. "Da ging es ganz oft um Erniedrigung von Menschen. Das nimmt man hin, die erlebt man. Jeder und jede in der Branche kennt solche Geschichten und Erfahrungen. Das ist ein offenes Geheimnis. Leider herrscht häufig das Gefühl vor, dass man nur die Kreativen oder Menschen in Leitungspositionen schützen muss und alle anderen als austauschbar angesehen werden."
Und obwohl "Knigge & Co." eine relative kleine Produktion ist, wollten die Showrunnerinnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten möglichst vielen Menschen das Gefühl geben, sich melden zu können, wenn etwas ist. "Gerade weil wir am Set Menschen haben, die von Diskriminierung oder Mehrfachdiskriminierung betroffen sind", sagt Jule Kleinschmidt. Herausgekommen ist ein Code of Conduct, also ein Verhaltenskodex über die Spielregeln im Projekt. Dazu kamen unter anderem ein Sensibilisierungsworkshop sowie eine Awareness-Person von außen, an die sich während der Produktion jeder wenden konnte. "Diese Bemühungen würden wir in Zukunft gerne ausbauen."
Sonni Winkler hofft auf ein Umdenken in der Branche: "Ich bin davon überzeugt, dass gerade eine unstoppbare Bewegung startet, sodass wir in ein paar Jahren anders mit solchen Themen umgehen können." Dass ausgerechnet eine Serie zum Thema Fehlverhalten einen kleinen Beitrag zugunsten besserer Arbeitsbedingungen leistet, ist eine schöne Randnotiz.
"Knigge & Co.", ab sofort in der ZDF-Mediathek