Ob das Glas in diesen Tagen beim Nachrichtensender Welt halb voll oder doch eher halb leer ist, ist Betrachtungssache. Halb leer, sagen die einen, die angesichts des wegbrechenden Produktionsauftrags von ServusTV mit bangem Blick in die Zukunft schauen. Halb voll sagen die, die in erster Linie über die vergangenen Monate sprechen. Fakt ist: Der Fernsehredaktion von Welt steht Ende Dezember eine Zäsur bevor. Schaffte es Geschäftsführer Frank Hoffmann vor einem Jahr noch, das Ende der Nachrichtenzulieferung an die ProSiebenSat.1-Sender mit dem neuen Auftrag von ServusTV zu kompensieren, ist ein Nachfolgeauftrag diesmal nicht in Sicht.



Bitter für Welt: Wie Hoffmann im Februar 2023 im Interview mit dem Medienmagazin DWDL.de sagte, war mit Servus TV ein "mehrjähriger Vertrag" ausgehandelt, der für Welt einen "fixen, zusätzlichen Erlösstrom" und zudem auch Synergien bringen sollte. Und der nun nach zwölf Monaten eben nicht mehr vorhanden sein wird, weil bei ServusTV in Salzburg entschieden wurde, das Experiment Deutschland nun endgültig zu den Akten zu legen. 

Das hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Belegschaft. Nach Informationen von DWDL.de werden einige Mitarbeitende ab dem kommenden Jahr nicht mehr für Welt arbeiten. Das bestätigt der Nachrichtensender auch auf Anfrage. "Wir haben das Projekt ServusTV sehr gerne begleitet und bedauern die strategische Entscheidung von ServusTV, den linearen Sendebetrieb einzustellen. Natürlich haben wir auf diese Veränderung der Auftragslage reagiert, befristete Verträge werden zum Ende des Jahres auslaufen", erklärte eine Sprecherin des Senders. Wie viele Stellen betroffen sind, wollte sie dagegen nicht konkretisieren. Servus TV stellt seinen linearen Sender in Deutschland Ende 2023 ein und bietet hierzulande dann nur noch das On-Demand-Portal ServusTV On an. Für dieses sind Magazine wie "Guten Abend Deutschland" nicht mehr angesagt.

Veränderungen in der Finanzberichterstattung

Doch das ist nicht alles. Nach Informationen von DWDL.de steht bei Welt im kommenden Jahr auch eine sichtbare Veränderung in der Börsenberichterstattung an. Erst Ende 2022 war bekannt geworden, dass der zu Axel Springer gehörende Nachrichtensender nach 14 Jahren die Zusammenarbeit mit Der Aktionär TV beendet hat. Zum 1. Januar 2023 hin übernahm die Daniel Koop Finance TV GmbH die Live-Berichterstattung, täglich werden seither bis zu 25 Live-Schalten von der Frankfurter Börse auf die Beine gestellt. Koop ist Zuschauerinnen und Zuschauern auch als langjähriger Live-Reporter des Senders bekannt. Doch diesen Produktionsauftrag, für den er "monatelang" gearbeitet hatte, wie Koop im Januar noch freudig postete, wird er verlieren. Welt will das auf Anfrage nicht kommentieren, Koop selbst war für DWDL.de nicht zu erreichen. 

Die Kommunikationsabteilung von Welt betont in einem Statement auf die Frage nach möglichen Veränderungen in der Finanzberichterstattung in erster Linie die Bedeutung der Gesamtredaktion, nicht aber die der Daniel Koop Finance TV GmbH. Es heißt: "Börse und Wirtschaft spielen eine zentrale Rolle im Live-Programm von Welt. Hier kommt uns die Wirtschaftskompetenz der Gesamtredaktion zugute. Insbesondere bei Themen wie Immobilien und Geldanlage können wir unseren Zuschauern nicht nur externe Meinungen, sondern dank der Gesamtredaktion von Welt und Welt am Sonntag vor allem auch exklusive Analysen und Einschätzungen unserer eigenen Experten bieten. Das werden wir auch in Zukunft weiter stärken und ausbauen." Klingt so, als würde man künftig mehr auf die vorhandene Inhouse-Power setzen wollen. Wie genau die Finanzberichterstattung, insbesondere von der Börse, ab 2024 aber genau aussehen wird, hat der Sender somit noch offen gelassen.

Zwei Säulen, zwei schwierige Phasen

Allgemein spricht man bei Welt in Berlin von einem "höchst erfolgreichen" Jahr 2023. Verschiedene Gesprächsformate hätten, so das Statement des Senders, "journalistische Debatten im Lande nachhaltig geprägt". Durch Live-Berichterstattungen in Breaking-News-Lagen wie beim Putschversuch des Wagner-Chefs Prigoschin oder beim Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober habe der Sender nach eigenem Empfinden "gezeigt, wie wichtig und erfolgreich Nachrichtenfernsehen in diesen Zeiten ist. Diesen Weg werden wir 2024 konsequent fortsetzen."

 

Dann aber unter anderen Bedingungen. So wird Welt für sein Sonntagsprogramm ja auch Sportübertragungen und Talk-Formate von Bild TV erben. Der jüngste lineare Fernsehsender aus dem Hause Axel Springer, nach Wegfall der anfangs vielen Livestunden ohnehin nur noch ein Skelett, wird bekanntlich zum Ende des Jahres eingestampft. Das zeigt aber auch: Es ist kein Spielraum bei der TV-Sparte von Springer mehr für Experimente.

2024 wird zudem das zweite Jahr ohne die Produktion der Nachrichtenprogramme von ProSiebenSat.1. Wie viel Welt mit der Produktion dieser und den Servus TV-Magazinen verdient hat, machte natürlich nie jemand öffentlich. Dass es kein ganz geringer Anteil ist, ließ sich aber durchaus erahnen, als Senderchef Frank Hoffmann im Februar bei DWDL.de erwähnte, dass sein Unternehmen etwa die Hälfte durch Werbeerlöse einnimmt und die andere Hälfte durch Produktionsaufträge. Der deutsche TV-Werbemarkt ist in diesem Jahr aber bekanntlich ein schwieriges Pflaster, netto wird am Ende des Jahres möglicherweise ein zweistelliges Minus stehen. Für Welt kommt erschwerend hinzu, dass man mit dem Ende von ServusTV einen großen Produktionsauftrag verliert. Weiterhin produziert man wie gewohnt das "Sat.1 Frühstücksfernsehen" mit rund 20 Stunden pro Woche - es ist für Welt der Anker im Produktionsgeschäft. Wenigstens hier scheint das Glas gut gefüllt zu sein.