Als der Disney Channel in Deutschland ins Free-TV wechselte, war der Fernsehmarkt ein anderer. Der US-Streamingdienst Netflix ließ hierzulande noch auf sich warten und an ein Konkurrenz-Produkt wie Disney+ war zu diesem Zeitpunkt kaum zu denken. Dementsprechend galt das frei-empfangbare Fernsehen gewissermaßen als Nonplusultra, um die Wahrnehmung der Micky-Maus-Marke zu stärken. Disney, so formulierte es Lars Wagner, der damalige Geschäftsführer des Disney Channels, 2013 im DWDL.de-Interview, habe "eine eigene, exklusive Heimat verdient".
Am 15. Januar 2014 war es dann so weit: Auf der bisherigen Frequenz des zuvor krachend gescheiterten Senders Das Vierte ging der Disney Channel erstmals abseits der Bezahlschranke an den Start - und machte sich damit ein Stück weit selbst Konkurrenz, schließlich war Disney auch noch zur Hälfte am Kindersender Super RTL beteiligt, der bis zum Verkauf der Disney-Anteile an RTL Deutschland vor wenigen Jahren unter dem Namen RTL Disney Fernsehen GmbH firmierte - ein ebenso ungewöhnliches wie erfolgreiches Konstrukt. Aber eben auch eines, das aus Sicht der Amerikaner zu wenig auf die Weltmarke einzahlte.
Heute, zehn Jahre später, zeigt sich, dass auf dem Markt ausreichend Platz ist für beide Sender. Mit seiner Kinder-Marke Toggo ist Super RTL, auch dank neuer Deals wie mit dem Disney-Konkurrenten Dreamworks oder Nickelodeon, zwar noch immer Marktführer im Kids-Segment, doch gleichzeitig hat der Disney Channel inzwischen kräftig Boden gut gemacht. Für Conny Roll und Julia Schörner ist das die Bestätigung für die Arbeit der vergangenen Jahre. Beide waren auch schon vor zehn Jahren dabei, als der Free-TV-Launch des Disney Channels vorbereitet und gefeiert wurde. "Der Start wurde damals mit einer großen Marketing-Kampagne inklusive lokalen TV-Spot-Drehs und siebenstelliger Media-Kampagne begleitet", erinnert sich Roll, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Director Marketing & Creative des Disney Channels verantwortlich ist.
Und doch musste sich der Disney Channel diese Verlässlichkeit erst erarbeiten. Weit mehr als heute experimentierte der Sender zu Beginn seiner Free-TV-Zeit noch mit Eigenproduktionen im Abendprogramm - und holte sich damit mehrfach ein blaues Auge. Doch auch tagsüber, wenn sich das Programm vor allem an Kinder richtet, benötigte der Disney Channel reichlich Anlaufzeit, um seinen Platz im Alltag der ganz jungen Zielgruppe zu erobern - was keinswegs selbstverständlich ist. "Die Kinderzielgruppe, die lineares Fernsehen schaut, ändert sich im Laufe der Zeit", weiß Conny Roll. "In zehn Jahren ist eine Generation von Achtjährigen ja quasi mit uns erwachsen geworden."
Dass lineare Sender im Disney-Universum im Jahr 2023 überhaupt noch einen großen Stellenwert besitzt, mag vor dem Hintergrund des zunehmenden Shifts in Richtung Streaming überraschen, schließlich schauen auch die Jüngsten heute deutlich weniger lineares Fernsehen als noch vor zehn Jahren. "Der Markt ist immer in Bewegung und verändert sich, aber einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Kinderzielgruppe ist gleichgeblieben: Das lineare Fernsehen ist nach wie vor führend in dieser Zielgruppe", so Roll zu DWDL.de. Tatsächlich sei das Fernsehen für Kids noch immer das meistgenutzte Medium mit der höchsten täglichen Nutzung, so Roll. Im Jahr 2023 habe der Disney Channel seine Primetime-Reichweiten in der Erwachsenen-/Familien-Zielgruppe gar entgegen des allgemeinen Trends ausbauen können. "Das lineare Geschäft spielt demnach für uns weiterhin eine wichtige Rolle."
Die Eltern sind entscheidend
Die Eltern sind für den Erfolg des Senders eine nicht zu unterschätzende Instanz, weil sie letztlich entscheiden, ob der Disney Channel zuhause auch wirklich gesehen werden darf. Eine "besonders große Rolle" spiele daher das Thema Shared Viewing, sagt Julia Schörner gegenüber DWDL.de und verweist darauf, dass einer jüngsten Studio zufolge sowohl die Eltern mit über 88 Prozent als auch die Kinder mit knapp mehr als 80 Prozent angaben, das Programm des Disney Channel zu mögen und viele Filme zu finden, die sie zusammen anschauen können. Keine schlechten Voraussetzungen also für die nächsten zehn Jahre.