2018 hat in der Schweiz eine Volksabstimmung stattgefunden, in der sich die Menschen mit großer Mehrheit für die damals erhobenen Billag-Gebühren, die die öffentlich-rechtliche SRG finanzierten, ausgesprochen haben. Das Unternehmen verkündete direkt nach der Abstimmung ein 100-Millionen-Franken schweres Sparpaket, mittlerweile hat das Unternehmen, auch wegen Auswirkungen der Werbekrise, insgesamt sogar 200 Millionen Franken eingespart. Und doch steht hinter der SRG in ihrer bisherigen Form mal wieder ein großes Fragezeichen. 

Nachdem die Initiatoren der damaligen "No Billag"-Abstimmung einen radikalen Ansatz wählten, nämlich die komplette Abschaffung der Gebühren, gibt es jetzt eine Initiative, die weniger offensiv auftritt. Unter dem Motto "200 Franken sind genug" will man, dass die heutige Medienabgabe von 335 Franken auf jährlich nur noch 200 Franken sinkt. Fast 130.000 Unterschriften sammelte man dafür, vermutlich 2026 wird es eine Volksabstimmung zu dem Thema geben. Wie das ausgeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Hinter der Initiative stehen vor allem die Rechtspopulisten von der SVP, aber auch die liberale FDP.

Gilles Marchand © SRG Gilles Marchand
Bei der SRG hält man wenig überraschend wenig von dem Plan und argumentiert unter anderem damit, dass die Gebühren in den vergangenen Jahren bereits von 451 auf heute 335 Franken gesunken sind. Dennoch nimmt man die Initiative äußerst ernst, wie sich zuletzt in einer Personalie zeigte. SRG-Generaldirektor Gilles Marchand kündigte vor einigen Tagen an, vorzeitig abzutreten, obwohl er eigentlich noch bis 2027 im Amt gewesen wäre. Dadurch hätte sich die SRG im Abstimmungsjahr 2026 aber mit Führungsfragen beschäftigen müssen - dem wollte man aus dem Weg gehen, weil man die Kraft lieber auf die inhaltliche Auseinandersetzung legen will. 

"Politisches Schwergewicht" an SRG-Spitze? 

Marchands Nachfolger oder Nachfolgerin soll spätestens Anfang 2025 übernehmen - und die Diskussionen darüber sind in vollem Gange. Zuletzt äußerte sich etwa Ex-Generaldirektor Armin Walpen öffentlich zur künftigen SRG-Führung und erklärte, es brauche ein "politisches Schwergewicht" an der Unternehmensspitze. Es fehle der SRG nicht an Fachwissen, so Walpen im "Sonntagsblick". Aber: "Es mangelt an politischer Vernetzung der institutionellen Seite der SRG. Heute braucht es [...] zwingend jemanden, dem es gelingt, den Dialog und die Kritik ernst zu nehmen sowie hinzustehen – der sich den Angriffen gegen die SRG stellt, auch entgegenstellt." Walpen dürfte wissen, was er sagt. Er war zwischen 1996 und 2010 selbst Generaldirektor. 

Jean-Michel Cina, Präsident des SRG-Verwaltungsrats, sprach von "großen Herausforderungen", die in den kommenden fünf Jahren vor der Anstalt liegen. Und alles spricht dafür, dass das ein Understatement ist. Man wird sich nicht auf das Ergebnis von 2018 verlassen können, das der SRG noch gehörig Rückenwind verschaffte. Eine Absenkung der Medienabgabe ist etwas völlig anderes als eine Abschaffung - gut möglich, dass die Mehrheitsverhältnisse hier ganz andere sind. Und die Rechtspopulisten von der SVP sind bekannt dafür, ihre Anhängerschaft gut mobilisieren zu können - vor allem, wenn es um die SRG geht. 

Eine Reduktion der Medienabgabe auf 200 Franken jährlich hätte fraglos weitreichende Auswirkungen auf die SRG. Immer wieder ist auch von einer "Halbierungsinitiative" die Rede. Demnach würden die Erträge aus der Medienabgabe von heute 1,23 Milliarden Franken jährlich auf 650 Millionen sinken, sollten die Menschen tatsächlich nur noch 200 Franken jährlich zahlen müssen. Nach SRG-Angaben könnte man so die dezentrale Struktur nicht mehr aufrechterhalten. "Die Folge wäre eine weitgehende Zentralisierung an wahrscheinlich nur noch einem Produktionsstandort – dies zum Leidwesen insbesondere der regionalen Berichterstattung, der sprachlichen Minderheiten und der Randregionen unseres Landes." Außerdem stellte man einen spürbaren Personalabbau in den Raum. 

Inhaltlich hat die "200 Franken sind genug"-Initiative keine neuen Gründe, weshalb man die Medienabgabe so drastisch senken will. Es heißt, die Qualität der SRG-Sender lasse oft zu wünschen übrig und man wolle junge Menschen entlasten, die heute kein Fernsehen mehr schauen. Außerdem zielt man auf Unternehmerinnen und Unternehmer ab, die heute teilweise doppelt zahlen - einmal als Privatperson und einmal in Form ihrer Firma. "Mehr Markt und weniger Staat" lautet das Motto der Befürworter der 200-Franken-Initiative. 

Auch Bundesrat will Medienabgabe senken

Für gemischte Gefühle in der SRG-Zentrale hat zuletzt eine Entscheidung des Bundesrats gesorgt. Dort wurde die 200-Franken-Initiative abgelehnt, gleichzeitig schlug man vor, die Medienabgabe schrittweise und in der letzten Stufe ab 2029 auf 300 Franken zu reduzieren. Die Ablehnung nahm man bei der SRG zufrieden zur Kenntnis, gleichzeitig sorgt man sich wegen der angekündigten, weiteren Absenkung der Gebühren. Insgesamt 170 Millionen Franken würden so jährlich fehlen, heißt es von der SRG. "Die Reduktion des SRG-Budgets hätte unweigerlich negative Auswirkungen auf das Programm, beispielsweise in den Bereichen regionale Informationen, Sportproduktionen, Koproduktionen von Schweizer Filmen und Musikaufnahmen sowie populäre Großveranstaltungen. Und auch das Personal wäre betroffen", so das Unternehmen in einer Stellungnahme. Von 900 Stellen, die abgebaut werden müssten, ist die Rede. Wobei die SRG hier auch den Rückgang der Werbeeinnahmen und die Streichung des Teuerungsausgleichs einberechnet. 

Konkrete Einsparungen im Programm sind aber das Ziel der Politik. So verlangt der Bundesrat, dass sich die SRG auf die Bereiche Information, Bildung und Kultur konzentrieren soll. Bei Unterhaltung und Sport soll sich die SRG um das kümmern, was Private vernachlässigen. Die SRG hatte sich jüngst erst die Rechte an sämtlichen Olympischen Spielen bis 2032 gesichert, ab der Saison 2024/25 gibt es dank eines Deals mit Blue Sport zudem ein Comeback der Champions League im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. 

Dass sich die SVP und die Initiatoren der "200 Franken sind genug"-Aktion mit dem Vorschlag des Bundesrats zufrieden geben und ihre Volksabstimmung fallen lassen, ist eher nicht zu erwarten. Und so wird die SRG in den kommenden Jahren gleich vor zwei Herausforderungen stehen: Gut möglich, dass demnächst eine Absenkung der Medienabgabe auf 300 Franken beschlossen wird. Viel wichtiger dürfte aber der Kampf gegen die Abstimmung werden, die noch einmal viel weitreichendere Auswirkungen hätte, sollten die Menschen sie annehmen. Dass sich die SRG dafür personell neu aufstellt, macht Sinn. Und eins ist bei aller Unsicherheit jetzt schon klar: Auch in den kommenden Monaten und Jahren wird es medienpolitisch interessante Schlagzeilen aus der Schweiz geben.