In den vergangenen Monaten hat ARD Kultur inhaltlich mächtig Fahrt aufgenommen. Das war vor allem an zwei Produktionen zu beobachten, die mutmaßlich ein großes Publikum erreicht und außerdem viele Schlagzeilen produziert haben: "Die Viva-Story" über den ehemaligen deutschen Musiksender und die Dokureihe "Echt" über die gleichnamige Band. Beide Projekte stehen exemplarisch für das, was ARD Kultur sein und erreichen will. Ein Gemeinschaftsangebot, das nicht nur im Klein-Klein Kultur bietet, sondern auch große Aufschläge macht. 

Dabei hat die Programmgeschäftsführung um Kristian Costa-Zahn und Bettina Kasten immer die Zielgruppe der 30- bis 50-Jährigen im Blick, was ein bisschen erklärt, wieso es mit Viva und Echt nun gleich zwei Projekte gab, die in den 90ern und 00er Jahren angesiedelt waren. "Diese Zielgruppe ist für uns ein harter Filter. Wenn wir das Gefühl haben, ein Projekt ist zu alt oder zu jung für uns, verweisen wir die Macherinnen und Macher gerne zu Funk oder das lineare Fernsehen", sagt Kristian Costa-Zahn im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. 

Und nun wird am 7. Februar mit dem Film "Boom - Eine Band, 1000 Probleme" noch eine Produktion veröffentlicht, die auf genau diese 30- bis 50-Jährigen abzielt. In dem von Drive Beta und der Lukas & Ben GbR produzierten Streifen geht es um eine Girlband, die sich gerade auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs befindet. Doch als ihr neues Album vor der gesamten Presse vorgestellt werden soll, überschlagen sich hinter den Kulissen die Ereignisse: Die Band verliert sich in einem Streit und plötzlich steht die Gruppe vor dem Aus. Tic Tac Toe lassen grüßen, ihre Geschichte hat die Macherinnen und Macher des Films inspiriert. 

Bettina Kasten und Kristian Costa-Zahn © ARD Kultur/Guido Werner Bettina Kasten und Kristian Costa-Zahn sind die Programmgeschäftsführer von ARD Kultur

Es bleibt aber nicht bei einer losen (Nach-)Erzählung eines popkulturell historischen Ereignisses. ARD Kultur greift die Kultur in dem Film nämlich nicht nur inhaltlich auf, sondern auch produktionell. So spielt KI eine wichtige Rolle in "Boom". Zum Album-Release soll nämlich auch neuer Merch auf den Markt kommen, darunter eben eine KI-Sprachbox, die die drei Bandmitglieder Sue (Via Jikeli), Peggy (Lea Drinda) und Izzy (Sira-Anna Faal) nachahmt und mit der die Fans zu Hause interagieren können. Als die Musikerinnen die Box zufällig kurz vor der Pressekonferenz entdecken und ihnen klar wird, dass durch sie intime Geheimnisse an die Öffentlichkeit kommen werden, eskaliert der Streit endgültig. 

Der Clou an der Sache: Die KI wurde im Vorfeld der Produktion von Drive Beta tatsächlich programmiert und hat beim Dreh mit den Schauspielerinnen interagiert. Via Jikeli, Lea Drinda und Sira-Anna Faal wussten nicht, was von der KI-Box zurückkommt - und mussten ebenso improvisieren wie Regisseurin Hanna Seidel. Die groben Leitlinien waren für die KI durch das Team der Drive Beta gesetzt. "Am Ende ist es aber eine Künstliche Intelligenz, die eigenständig und daher nicht vollständig zu kontrollieren ist", sagt Costa-Zahn. Und: "Manchmal ist von der KI totaler Nonsense gekommen, der es nicht in den Film geschafft hat. Es kam aber auch sehr Pointiertes, das die Handlung vorangetrieben hat."

"Für uns war das kein einmaliges Experiment, sondern der Start für eine neue Art des Produzierens."
Kristian Costa-Zahn und Bettina Kasten


"Boom" ist damit das erste Projekt, bei dem ARD Kultur nicht nur über KI berichtet, sondern bei dem die neue Technologie ganz wesentlich zum Einsatz kam. "Für uns war das kein einmaliges Experiment, sondern der Start für eine neue Art des Produzierens", sagen Kristian Costa-Zahn und Bettina Kasten von ARD Kultur gegenüber DWDL.de. Aktuell hätten solche Projekte durchaus noch Experimentcharakter, "aber in absehbarer Zeit wird es üblich sein, dass KI und Schauspielerinnen und Schauspieler gemeinsam an Projekten arbeiten." Es sei wichtig, neue Technologien und Veränderungen positiv zu gestalten, denn man könne sie ohnehin nicht aufhalten. "KI wird, genau wie das Internet, alle gesellschaftlichen und beruflichen Zweige über kurz oder lang verändern."

Aktuell sind zwar keine weiteren KI-Projekte in der Pipeline, aber man sei offen für Vorschläge, die in diese Richtung gehen, berichten die zwei Programmgeschäftsführer. Letztlich gehe es aber immer darum, "spannende und innovative Kultur-Projekte" umzusetzen - egal ob mit KI oder ohne. Grundsätzlich wünschen sich Kristian Costa-Zahn und Bettina Kasten, dass Produktionsfirmen Projekte, die sie dem Team von ARD Kultur vorschlagen, "breitenwirksam" denken. "Beflügelt durch den Erfolg der Dokus rund um Viva und Echt haben wir den Anspruch, Hits für die ARD-Mediathek oder ARD-Audiothek zu produzieren. Das ist nicht immer das wichtigste Kriterium. Aber wir stehen dafür, dass Kultur kein Nischenthema ist", sagt Costa-Zahn. Erklären will man das den Produzentinnen und Produzenten oder auch anderen Kreativen am 22. März beim 2. Netzwerktreffen von ARD Kultur, dort treffen die Filmemacher nicht nur auf Costa-Zahn und Kasten, sondern auch auf sämtliche Kulturchefs der ARD.

Neuer Podcast: "Fuck you very, very much!"

Ein neues und bislang noch unbekanntes Format, das wohl ebenfalls in die Richtung "breitenwirksam" zielt, ist der sechsteilige Podcast "Fuck you very, very much! Die größten Beefs im Musikbiz", der sich, der Titel lässt es schon erahnen, mit Streitereien in der Musikbranche auseinandersetzt. Als Hosts hat man mit Jennifer Weist und Markus Kavka zwei Personen gewonnen, mit denen man in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet hat. Gegenüber DWDL.de bestätigen Kristian Costa-Zahn und Bettina Kasten, dass man sich unter anderem dem Beef zwischen Dieter Bohlen und Thomas Anders sowie dem zwischen Lady Gaga und Madonna widmen wird. 

Darüber hinaus arbeitet ARD Kultur auch noch an einem neuen Video-Format mit Rocko Schamoni, der auch schon an der ersten Staffel von "Szene Report" mitgewirkt hat. Künftig wird er in seinem eigenen Format zu sehen sein, inhaltlich gibt es dazu aber noch keine Informationen. Der Modepodcast "Iconic" mit Aminata Belli soll weitergehen und mit der "Buch-Lounge" gibt es einen neuen Podcast, der am 13. März in der Audiothek erscheint und mit dem man das Thema Literatur auf unterhaltsame Art und Weise vermitteln will. Moderatorin Mona Ameziane tourt dabei durch kleine und große Literaturhäuser und spricht mit Autorinnen und Autoren aus der jeweiligen Region. Auf der Buchmesse will ARD Kultur eine Live-Sendung produzieren. Dann arbeitet man auch noch zusammen mit der Bayerischen Staatsoper an einem Projekt, das voraussichtlich im Sommer erscheint. Schneller geht’s mit der zweiten Staffel der Doku-Serie "Beyond Fashion", hier meldet sich Host Avi Jakobs bereits am 13. Februar zurück. 

"Boom - Eine Band, 1000 Probleme" ist ab dem 7. Februar in der ARD-Mediathek verfügbar.