Der "Independence Day" für Kabelhaushalte rückt näher: Ab dem 1. Juli darf der Kabelanschluss in Miethaushalten nicht mehr wie bislang über die Nebenkosten abgerechnet werden, das sogenannte "Nebenkostenprivileg" ist dann Geschichte. 12,5 Millionen Haushalte sind davon alles in allem betroffen, um die nun verschiedene Anbieter kämpfen. Während Vodafone möglichst viele zu direkten Endkunden machen möchte, erhoffen sich alternative Anbieter aus dem IPTV-Bereich wie die Telekom, Waipu oder Zattoo aber natürlich auch der Satellitenbetreiber Astra, der zuletzt seine Marktführung bei TV-Anschlüssen in Deutschland ausgebaut hat, ein Stück vom Kuchen.
In den kommenden Wochen dürfte die Marketingschlacht also nochmal weiter an Fahrt aufnehmen. Es gibt aus Sicht der Branche nur ein Problem: Wenn man gar nichts tut, dann kann in der Regel auch nach dem 1. Juli sein TV-Signal weiter wie bislang aus der Kabelanschlussdose beziehen - und würde damit zum Schwarzseher. Denn einfach so abschalten kann Vodafone das Signal nicht. "Es gibt hier keinen zentralen Schalter bei uns auf dem Campus, den man umlegen kann und dann wird überall der Bildschirm schwarz", räumt Marc Albers von Vodafone auf dem Panel der ANGA COM denn auch ein.
Stattdessen müssen ein Technikerinnen und Techniker vor Ort den Anschluss einzeln abklemmen. Es wäre eine kleinteilige Mammutaufgabe - die man aber vornehmen wolle. "Wir haben das teilweise schon gemacht und einige Abschaltungen vorgenommen und wir behalten uns vor, das zukünftig weiter zu tun", so Albers. Denn: "Wir sind als Wirtschaftsunternehmen darauf angewiesen, dass der Kunde für eine Leistung zahlt, die er bekommt." So weit, so einleuchtend. Und doch würde diese Maßnahme längst nicht bei allen in der Branche auf Zustimmung stoßen.
Vor allem Andre Prahl, Chief Distribution Officer von RTL Deutschland, hielt dagegen: "Das Letzte, was das lineare Fernsehen gebrauchen kann, ist, dass der Verlust an Sehdauer, den wir alle beobachten, jetzt auch noch durch einen Verlust von technischer Reichweite überlagert und verstärkt wird." Er könne verstehen, dass auch Kabelnetzbetreiber natürlich Geld für ihre Leistung sehen wollten, aber diese Maßnahme stelle für RTL das "Worst Case Szenario" dar. Das physische Abklemmen von TV-Haushalten, die das lineare Fernsehen noch nutzen, dürfe allenfalls die allerletzte Maßnahme darstellen. "Jeder abgeklemmte Zuschauer ist keiner mehr. Das wollen wir verhindern".
Stattdessen müssen aus Prahls Sicht alle Marktteilnehmer - Sender wie Infrastrukturanbieter - alle Marketingmöglichkeiten nutzen, um all diese Millionen Haushalte in legale Vertragsverhältnisse zu überführen. Während sich Vodafone-Mann Marc Albers in der Diskussion darüber zurückhaltend zeigte, hielt Zattoo-CEO Nick Brambring dagegen und hielt ein Plädoyer fürs Abklemmen und stellte die Frage: "Warum sollten Haushalte einen kostenpflichtigen Vertrag abschließen, wenn der Nachbar den Kabel-Anschluss weiter kostenlos nutzt?
Aus Andre Prahls Sicht könne das gelingen, indem die Anbeiter die Komfortfunktionen in den Vordergrund stellen, die mit einem aktuellen TV-Produkt möglich sind - Stichwort zeitversetzte Nutzung, Restart, Aufnahme, mobile Nutzung, moderne Oberfläche. Das Problem dürfte sein, dass man damit kaum alle erreicht. Vodafone-Manager Marc Albers erläuterte nochmal, dass es einen "nicht geringen Anteil" an "Fernseh-Puristen" gebe, die einfach nur lineares Fernsehen ohne jegliche Zusatzfunktionen nutzen wollten. Auch der hohe Anteil an Leuten, die noch immer ein reines SD-Signal empfangen, spricht dafür.
Und auch Brambring gab zu bedenken: "Natürlich gibt es User, die ein modernes TV-Erlebnis haben wollen, aber es gibt offenbar viele, denen lineares TV reicht. Diese Haushalte hätten alle Zeit der Welt gehabt, sich die Angebote von Zattoo, Magenta, Waipu oder Joyn zu holen - und haben das nicht getan. Wenn jetzt die Strategie ist, dass sie es sich dann überlegen, wenn sie das, was sie bislang über die Umlage bezahlt haben auch noch kostenlos kriegen, dann erschließt sich mir diese Überlegung nicht".
Etwas anders als Andre Prahl positionierte sich seine ProSiebenSat.1-Kollegin Nicole Agudo Berbel. Auch ihr kann freilich nicht an sinkender technischer Reichweite gelegen sein, sie sagte aber: "Wir haben nicht vor, das Schwarzseher-Thema auf uns sitzen zu lassen." Da sie nicht davon ausgehe, dass schnell physisch abgeklemmt werde, werde man versuchen, den Anteil an Schwarzsehern nachzuhalten. "Das werden wir uns genau anschauen und überlegen, was man da tun kann. Wir haben da auch schon die ein oder andere Idee." Welche, behielt sie allerdings für sich.
Bleibt noch die Frage, ob der Wegfall des Nebenkostenprivilegs überhaupt so große Umwälzungen beim TV-Empfang mit sich bringen wird. Da waren sich alle auf dem Panel relativ einig: Zumindest kurzfristig erwart man keine maßgeblichen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse, auch wenn die Kabelnetzbetreiber wohl etwas verlieren und IPTV etwas gewinnen wird. Die Verschiebungen würden sich eher mittelfristig zeigen. Und letztlich sah Nicole Agudo Berbel es entspannt: "Uns ist egal, wie sich der Haushalt am Ende entscheidet. Hauptsache er schaut weiter fern oder streamt." Nur die Zahl derjenigen, die ob linear oder im Streaming ganz auf TV-Inhalte verzichten, sollte natürlich nicht schubweise ansteigen. Zattoo-CEO Nick Brambring war sich aber sicher: "Ich bin überzeugt, dass die Relevanz von Fernsehen groß bleiben wird. Und dass die Leute Wege finden, die relevanten Inhalte auf legalen Wegen zu schauen."