Wer meint, dass es Sportjournalist Alex Schlüter bis dato mit Filzbällen nicht so hatte, der liegt schon mal falsch. "Ich habe selbst schon immer viel Sport gemacht. Egal ob die Bälle klein oder groß waren. Tennis war tatsächlich meine erste Sportart, so habe ich das als Jugendlicher immer gespielt. Aber ich habe eine Weile pausiert. Vor drei Jahren bin ich wieder in eine Mannschaft eingestiegen", sagt der Mann, der bis vor einigen Wochen eines der prägenden Gesichter von DAZN war und vor seiner Zeit beim Streamer erste redaktionelle Erfahrungen im Fußballradio 90elf und bei Sport1.FM gesammelt hatte. In erster Linie war Schlüter bis dato in der Tat für Sportarten mit größeren Bällen, also Fußball und Basketball, bekannt.



Doch dieser Sommer bringt viel Neues mit für den 39-Jährigen. Seit Montag und bis einschließlich übernächsten Sonntag wird er für Prime Video Wimbledon moderieren. Es ist sein erstes großes Tennis-Turnier vor der Kamera und sein erster Auftrag für Prime. Dass ab Herbst die großen Fußballabende folgen werden, wurde zwar vor Wochen schon berichtet, ist von Prime selbst aber bis heute nicht offiziell bestätigt. Schlüter fokussiert sich aktuell ganz auf die Filzbälle. Und wie! "Ich habe mich so intensiv auf dieses Tennisturnier vorbereitet wie ich es noch nie für ein Fußball- oder Basketballspiel getan habe. Ich habe mittlerweile zwei große Dateien – unterteilt in Männer und Frauen – mit allem, was ich an Infos gefunden habe. Ich brauche dieses Wissen für meine Sicherheit. Damit habe ich eine Basis. Das war auch im Basketball und Fußball so, dass ich mir vorab eine Basis erarbeitet habe", sagt Schlüter zu DWDL.de. Durch all das könne er sich dann auch "von der Spontaneität kitzeln lassen", nennt des der gebürtige Göttinger. "Wenn man nicht gut vorbereitet ist, steht man ohnehin auf wackligen Beinen. Wenn dann etwas Unvorhergesehenes passiert, dann haut es einen vielleicht um."

 

Von der Psyche zur Physis, ich erwarte 14 besondere Tage."

 

Dass das womöglich kräftezehrende zwei Wochen werden, ist dem Niedersachsen bewusst. "Der Unterschied zur Arbeit in der Bundesliga oder Champions League heißt Tunnel: Wir tauchen jetzt diese zwei Wochen lang ganz tief ein. Dann wird das sehr intensiv, aber dann kommt man durch. Es wird auch körperlich anders. Es muss ein Mix sein aus Phasen, in denen man tief drin ist und auch ruhigeren Momenten – und sei es nur eine Jogging-Runde zum Kopf-Ausschalten. Von der Psyche zur Physis, ich erwarte 14 besondere Tage."

Speziell in der ersten Woche starten die Prime-Livesendungen mittags – dauern können sie bis weit in die Nacht. Am Moderationstisch wechselt sich Schlüter dann mit Katharina Kleinfeldt ab, die Wimbledon in den zurückliegenden Jahren für ihren damaligen Arbeitgeber Sky präsentiert hatte. "Ich bin Wolfsburger. Alle meine Freunde, die dort geblieben sind, arbeiten bei VW – Schichtarbeit bin ich also gewohnt. In der Regel werde ich Katharina nach toller Vorarbeit ablösen – in einem Roof-Top-Studio am höchsten Punkt der Anlage. Wir blicken auf den Centre Court und den Einser, haben also die beiden größten Plätze direkt bei uns. Wir wollen das Zwischenspiel aus fantastischem Tennis und dem ganzen Leben auf der Anlage transportieren – so nah dran für das Publikum wie möglich."

Was ein bisschen wie eine Floskel klingt, ist schon ein Unterschied zum vorigen Rechteinhaber Sky. Dieser war zwar auch mit in der Regel zwei Reportern, zwei Moderatoren und einem Experten vor Ort, ließ die Spiele aber aus München kommentieren. Prime hat sein komplettes Turnier nun in England vor Ort, wie sich bereits am ersten Turniertag eindrucksvoll sehen ließ. Da meldeten sich Kommentator und Co-Kommentator gut gelaunt aus den (etwas beengten) Boxen direkt über den Spielfeldern.

"Ich glaube fest daran, dass man jetzt auch bei Wimbledon sieht, wie besonders die Übertragungsqualität von Prime Video ist. Ich freue mich wie ein Kind, dass ich dabei sein darf", sagt Schlüter. Es sei nicht selbstverständlich, dass die komplette Crew am Ort des Geschehens ist. "Aber nur vor Ort kann man eben so sehr eintauchen. Das ermöglicht das höchste Level an Qualität und ist somit unter dem Gesichtspunkt durch nichts zu ersetzen", meint der Sportjournalist.

Für Prime in Deutschland ist Wimbledon der erste ganz große Aufschlag in Sachen Tennis, international kann der Streamer aber auf Erfahrung in Sachen Filzball-Sport blicken. So überträgt man in Frankreich bereits Roland Garros, in England hatte man bis Ende vergangenen Jahres die ATP-Tour im Angebot. Schlüter weiß um die Besonderheit des Tennis-Sports. "Wir werden noch tiefer in die Charaktere reingehen. Wir schauen, was sind Stärken und was sind Schwächen. Es ist etwas anderes, ob man allein am Platz steht – oder zehn Leute beim Fußball neben sich hat, die im besten Fall meine Fehler ausbügeln", sagt er und fügt an: "Dieser spezielle Spotlight auf den Einzelsportler macht das Moderieren reizvoll. Außerdem: Das Drumherum, diese Atmosphäre, ist wohl mit keinem Ort, an dem ich bisher gearbeitet habe, zu vergleichen. Es ist sehr anders, aber anders toll."

Neben Schlüter arbeiten bei Prime zahlreiche Experten

Neben Schlüter werden etliche Experten auf das Geschehen auf den Plätzen blicken: Andrea Petkovic, Sabine Lisicki, Michael Stich, Mischa Zverev, Dustin Brown, Barbara Rittner, Daniela Hantuchova, Sascha Bajin, Barbara Schett, Benjamin Ebrahimzadeh und Markus Zoecke wurden vom Streamer angekündigt. "Vor einigen Wochen war ich mit Expertin Andrea Petkovic schon auf der Anlage. Sie sagte zu mir, dass sie sich freut, mal bis zum Ende des Turniers da zu sein. Als Spielerin war Rasen ja nicht ihr Lieblingsbelag. Früher sei sie nur mit Handtasche angereist. Der Satz gibt Vorgeschmack auf das, was wir machen werden", sagt Schlüter mit Augenzwinkern und erklärt: "Wir wollen diesen Sport auch mit einem Lächeln präsentieren. Wir wollen alles nicht zu ernst nehmen, bei aller Demut, der auf so einer Anlage nötig ist."



Nach Fußball und Basketball kommt für Schlüter in diesen Tagen mit Tennis also eine neue Herausforderung zu. Und weitere sind nach seinem DAZN-Abschied wahrscheinlich. Nur vorsorglich – für alle Sportarten steht der 39-Jährige nicht bereit. "Ich habe auf Vieles Lust, aber es gibt Sportarten, bei denen ich gerne Nummern weitergebe von Menschen, die das besser können. Motorsport und Boxen zum Beispiel. Aber wahrscheinlich werde ich in dem Bereich auch nicht angerufen. Alles, was Ballsport ist, ist deutlich mehr meins." Gut, dass in Wimbledon die Bälle fliegen.