Wenn Medienmagazine oder auch Tageszeitungen in ihren Wirtschaftsteilen über DAZN berichten, dann geht es meist um die verschiedenen Sportrechte, die sich der Streamer gesichert hat. In den vergangenen Jahren ließ sich so auch ohne Probleme eine gute Wachstumsgeschichte schreiben: Hier der junge Streamer, der den vermeintlich arrivierten Pay-TV-Giganten Sky unter Druck setzte und ihm zahlreiche Sport-Highlights vor der Nase wegschnappte. Zuletzt gab es wieder viele dieser Schlagzeilen, denn ab der kommenden Bundesliga-Saison wird DAZN erstmals die von Sky groß gemachte Bundesliga-Konferenz zeigen können, aber auch der Pay-TV-Sender hält viele Rechte.
Doch nicht nur in Sachen Sportrechte ist DAZN in den zurückliegenden Jahren groß geworden, auch in der Vermarktung ist der Streamingdienst mittlerweile ein Schwergewicht. Im vergangenen Jahr kam man alleine in Deutschland erstmals auf mehr als 100 Millionen Euro Werbeeinnahmen, wie Haruka Gruber, SVP Media Central EU bei DAZN, vor einigen Wochen in einem "Horizont"-Interview erklärt hat. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Streamingdienst die Werbevermarktung erst seit 2020 so richtig systematisch im eigenen Haus angeht. Die Wachstumszahlen in den vergangenen fünf Jahren waren atemberaubend.
Seit der zweiten Jahreshälfte 2024 arbeitet DAZN im deutschsprachigen Raum zudem profitabel. Für Streamingdienste ist das ein echter Meilenstein, wie zahlreiche andere Beispiele beweisen. In Europa ist Deutschland mittlerweile der mit Abstand größte Markt für DAZN, wenn es um Werbeeinnahmen geht. Das bestätigt Haruka Gruber im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Auf den weiteren Plätzen folgen Italien, Spanien und Frankreich. Es ist exakt die Reihenfolge, in der DAZN in den verschiedenen Ländern gestartet ist.
"Die Vermarktung ist ein Zeitspiel", sagt Haruka Gruber gegenüber DWDL.de. Neben dem Talent zu Verkaufen müsse man Zeit mitbringen, um es beispielsweise in die Mediapläne der Agenturen schaffen. "2025 ist ein sehr spannendes Jahr für uns, weil wir aus der Hyper Growth Phase in die Maturity Phase wechseln. Wir werden weiter signifikant wachsen, aber unsere Vermarktungsumsätze nicht mehr jährlich verdoppeln können", so Gruber. Das erste Quartal 2025 sei dennoch sehr wichtig gewesen um zu zeigen, "dass wir als eine vermeintlich saturierte Vermarktungsorganisation noch immer signifikant wachsen können". Genaue Zahlen nennt DAZN nicht, aber in den ersten drei Monaten des Jahres sind die Werbeumsätze zweistellig gewachsen, bestätigt Haruka Gruber. "Die Vermarktung ist bei DAZN mittlerweile einer der wichtigsten Faktoren bei der Umsatzentwicklung, hier sehen wir das größte Wachstumspotenzial."
Bisherige Wachstumsraten nicht mehr möglich
Damit das Wachstum so weitergeht, testet DAZN viel. Da geht es einerseits um verschiedene Rechte, aber auch um Ausstrahlungsmodelle. Mit der Klub-WM der FIFA (Start am 14. Juni) hat man sich jetzt einen neuen Wettbewerb gesichert, bei dem es zu gleich mehreren Premieren kommt. DAZN wird sämtliche Spiele frei empfangbar senden - und das weltweit, also auch in den Ländern, in denen man bislang gar nicht wirklich mit einem eigenständigen Angebot verfügbar ist. Fußballfans rund um den Globus benötigen nur einen DAZN-Account. So kann man mit dem Event möglichst viele Menschen ansprechen (und Werbung verkaufen) - und ganz nebenbei auch noch analysieren, wo die Spiele besonders gut funktionieren. Dadurch wird man Rückschlüsse ziehen können über Märkte, die perspektivisch in den Fokus des weiteren Ausbaus rücken könnten.
Durch die Tatsache, dass man die Klub-WM frei empfangbar zeigt, ist aber auch klar, dass die Refinanzierung über Werbung stattfinden muss. "Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer der Klub-WM in der Folge ein DAZN-Abo abschließen, ist das ein wichtiges strategisches Ziel. Zugleich wollen wir mit der kostenlosen Übertragung aber möglichst große Reichweiten erzielen, um die Vermarktung voranzubringen", sagt Haruka Gruber gegenüber DWDL.de. Die Vermarktung sei auch gut angelaufen, so der Vermarktungschef.
Angesichts der Bemühungen, die Vermarktung durch die Klub-WM voranzubringen, kam die Entscheidung, für die deutschen Spiele Sublizenzen an Sat.1 zu vergeben, durchaus überraschend. Der Privatsender wird alle Spiele von Bayern München und Borussia Dortmund co-exklusiv übertragen. Haruka Gruber spricht gegenüber DWDL.de von einem finanziell "spannenden und lukrativen" Modell. "Am Ende ist es eine Bierdeckelrechnung: Machen wir mit der Vermarktung mehr Geld, wenn DAZN alle Spiele exklusiv überträgt? Oder machen wir mehr Geld, wenn zur Vermarktung auch noch Sublizenzerlöse hinzukommen?"
Hinzu kommt, dass DAZN die Sonderwerbeformen, also beispielsweise Sponsorings, im Rahmen der Übertragungen vermarktet - auch wenn diese Übertragungen im Sat.1-Programm stattfinden. Hier kann man wohl höhere Preise aufrufen, wenn ein reichweitenstarker Free-TV-Sender zusätzlich mit im Boot ist. Die klassischen Werbeblöcke kann Sat.1 aber in Eigenregie vermarkten. Haruka Gruber ist davon überzeugt, dass in Summe alle Beteiligten von der Partnerschaft profitieren. Als co-exklusive Broadcast-Sponsoren auf DAZN und Sat.1 stehen Betano und Ebay fest. Zudem haben Disney+, Ford, GetYourGuide und Tipico Pakete erworben, die sowohl auf DAZN als auch auf Sat.1 während der Live-Übertragung sichtbar sein werden.
"Sport und Werbung passen gut zusammen. Es gibt kein Indiz dafür, dass Werbung unser Abonnementgeschäft kannibalisiert"
Haruka Gruber, SVP Media Central EU bei DAZN
Ganz generell stellt sich bei dem starken Fokus auf die Werbevermarktung die Frage, wie lange das gut geht bei einem Streamingdienst, der ja auch zahlende Kundinnen und Kunden an sich binden will. Wie viel Werbung ist da überhaupt möglich und wie viele Inhalte lassen sich da ohne die Bezahlschranke zeigen? "Mittlerweile haben wir einen guten Überblick darüber, welcher Content relevant für das Abo-Wachstum ist", entgegnet Haruka Gruber, wenn man ihn darauf anspricht. Es gebe viele Inhalte, die man in einem gewissen Volumen auch frei empfangbar anbieten könne, ohne dass das einen negativen Impact auf die Abo-Zahlen hätte. Gleichzeitig verweist er auf Kooperationen mit Pluto TV und Samsung TV Plus, wo FAST-Channels von DAZN zu sehen sind. Auch hier sehe man keine negativen Effekte. "Sport und Werbung passen gut zusammen. Es gibt kein Indiz dafür, dass Werbung unser Abonnementgeschäft kannibalisiert", sagt Gruber, der betont, dass man Werbung immer mit Bedacht einspiele.
Blickt man auf die Unternehmen, die auf DAZN werben, zeigt sich ein diverses Bild. Es sind nicht immer nur die vielzitierten Wettanbieter, die in den Werbeblöcken aktiv sind. Das geht auch gar nicht, denn laut Haruka Gruber erlaube man pro Werbepause maximal zwei Sportwettenanbieter. Auch Automarken, Versicherer oder Marken aus dem Bereich FMCG sind inzwischen auf der Plattform vertreten. In zwei Branchen sieht Haruka Gruber aber noch erhebliches Wachstumspotenzial: Pharma und Cleaning Products. Diese seien tendenziell eher weiter weg vom Thema Sport, böten dennoch Chancen, auch weil es hier im Hinblick auf den Gesamtmarkt um viel Geld gehe. "Wir wollen wachsen und deshalb gehen wir diese Branchen jetzt auch an", kündigt Gruber gegenüber DWDL.de an.
Veränderte Preisstruktur des Media-Inventars
Auf Herausforderungen angesprochen, nennt Haruka Gruber eine mögliche Überforderung von Werbungtreibenden oder Agenturen bei immer neuen Vermarktungsmöglichkeiten. "Die Geschwindigkeit, in der DAZN immer neue Rechte, Innovationen und neue Möglichkeiten der Werbebuchung anbietet, kann überfordernd sein. Viele sind schon froh, wenn sie konvergente Reichweiten verstehen und daraus Strategien für ihre Marken ableiten können", sagt er. Die Tatsache, dass man wie jetzt bei der Klub-WM auch Sublizenzen vergebe und als Vermarkter von Sonderwerbeformen auf anderen Sendern auftrete, sei eine Botschaft, die man in den Markt bringen müsse. "Das ist nicht ganz simpel."
Gruber zeigt sich aber auch selbstkritisch, wenn es um die eigene Preisgestaltung des Media-Inventars geht. "Wir haben uns in den ersten Jahren zu viel von den TV-Vermarktern abgeschaut und komplexe Preisstrukturen aufgebaut", räumt er im Gespräch mit DWDL.de ein. Das hat man mittlerweile wieder zurückgeschraubt, denn für DAZN gibt es nur zwei Arten von Kunden. Die einen wollen nur auf DAZN im Umfeld einer bestimmten Live-Übertragung laufen und sind bereit, dafür auch mehr Geld zu zahlen. Den anderen geht es vor allem um die junge und eher männliche Zielgruppe: Für diese gibt es das "Premium-Sport-Paket", bei der Werbeflächen auf der DAZN App sowie den ebenfalls von DAZN vermarkteten Partner-Kanälen auf YouTube, kicker.de und Pluto TV gebündelt werden. "Deshalb haben wir nur noch eine Preisstruktur für diese zwei Gruppen", erklärt Haruka Gruber das vereinfachte System.
Um den Werbekunden möglichst exakte und unabhängig gemessene Leistungswerte zu bieten, arbeitet DAZN mit der AGF zusammen. Seit rund eineinhalb Jahren hat der Streamingdienst damit eine Transparenz geschaffen, die es bei Netflix, Prime Video oder auch Disney+ in dieser Form nicht gibt. Und dennoch kann man gerade am Beispiel von DAZN schön sehen, welchen Weg die AGF in Sachen konvergenter Reichweite noch zu gehen hat.
"Wir haben uns in den ersten Jahren zu viel von den TV-Vermarktern abgeschaut und komplexe Preisstrukturen aufgebaut"
Haruka Gruber, SVP Media Central EU bei DAZN
So werden zwar auch die linearen DAZN-Sender gemessen, dort macht die Reichweite aber eben nur einen Bruchteil der Gesamtnutzung aus. In den monatlichen Streaming-Hitlisten der AGF ist der Streamer dank hochkarätiger Fußballübertragungen nicht selten ganz vorne - nur: Im neuen Census+ zählt die AGF eben nicht mehr die klassische und aus dem TV bekannte durchschnittliche Sehbeteiligung, sondern Netto-Abrufe wie bei YouTube. Das mittelfristig miteinander zu verbinden und auch weitere Big Player aus dem Streaming an Bord zu holen, ist eine Herkulesaufgabe, der sich die AGF schon seit vielen Jahren verschrieben hat. Eines lässt sich jedenfalls guten Gewissens sagen: An DAZN liegt es nicht, dass die konvergente Reichweite gefühlt noch in sehr weiter Ferne liegt.
Haruka Gruber findet lobende Worte über die Zusammenarbeit mit der AGF. Man habe in den vergangenen Jahren zusammen große Fortschritte gemacht, sagt er. Und: "Die AGF ist dabei, sich neu zu erfinden. Das merkt man sehr stark." Außerdem sei die AGF ein "Treiber der Konsolidierung" im Markt. Die Herausforderungen, um zu einer konvergenten Reichweite zu kommen, seien groß und nicht von heute auf morgen zu lösen, gibt der DAZN-Vermarktungschef zu bedenken. "Da sind wir vom eigentlichen Ziel noch einige Schritte entfernt." Dennoch sei er zufrieden über die "Transparenz und die Glaubwürdigkeit, die die Zusammenarbeit mit der AGF uns bringt".
DAZN mit mehr als nur Sport?
Bleibt noch ein Blick in die Zukunft. DAZN will auch 2025 mit Werbung signifikant wachsen. Helfen sollen dabei auch die neuen Bundesliga-Rechte ab dem Herbst, hier kann der Streamer wie berichtet erstmals die Konferenz zeigen, verliert im Gegenzug aber die Freitagsspiele. "Die Konferenz am Samstagnachmittag performt überproportional gut, sowohl was die Reichweiten angeht als auch bei den Werbeerlösen." Geht es nach DAZN, bleibt das so. Man erwarte sich durch die neue Rechtekonstellation gleich mehrere Vorteile: "Mehr Abonnenten, aber auch höhere Werbeumsätze", fasst Gruber es zusammen.
Langfristig wird es darum gehen, ob DAZN ein reiner Sportstreamer bleibt - oder sich anderen Genres öffnet und sich so möglicherweise neue Zielgruppen und damit auch neue Werbetöpfe erschließt. Einen ersten, vergleichsweise kleinen Testballon gab es vor wenigen Wochen. Durch eine Kooperation mit Disney konnte DAZN die ersten drei Folgen der ersten Staffel "Andor" zeigen. "Wir überlegen, ob DAZN mehr sein kann als ein reiner Sport-Broadcaster. Wir sind noch weit davon entfernt, Entscheidungen in dieser Frage zu treffen. Aber die Kooperation mit Disney war ein erster Schritt, das auszutesten", sagt Haruka Gruber.
Es sind selbstbewusste Töne eines Managers, dessen Unternehmen in den zurückliegenden Jahren gegen den Markttrend massiv gewachsen ist. Ein Underdog ist DAZN allerdings nicht mehr, weder in der Sportberichterstattung noch in der Werbezeitenvermarktung. Damit einher gehen neue Herausforderungen und vor allem die Frage: Wie kann man die Position, die man sich erarbeitet hat, halten und im Idealfall noch weiter ausbauen? Darum wird es bei DAZN in den kommenden Jahren gehen. Und die Werbevermarktung wird dabei ein wichtiges Puzzleteil sein.
Nachdem McDonalds im Mai zeitweise etwas auf die Werbebremse getreten hatte, kehrte der Fast-Food-Riese in der zurückliegenden Woche mit Macht zurück. Mehr als 2.000 Spots schaltete das Unternehmen in den Werbeblöcken der TV-Sender, die meisten davon bei Comedy Central, ProSieben und Kabel Eins. Das reichte zu einer Bruttoreichweite in Höhe von 851 XRP und Platz eins im Ranking der reichweitenstärksten Marken. In der Woche davor hatte McDonalds den Einzug in die Liste noch verpasst. Zwischen dem 2. und 8. Juni lagen die Brutto-Werbespendings des Konzerns alleine im Bereich TV bei rund 3,6 Millionen Euro. In den sieben Tagen davor waren es nur 1,6 Millionen.
Ähnlich wie McDonalds hat auch Mondelez Deutschland bei Milka den Werbedruck in der vergangenen Woche massiv erhöht. 1.580 Spots bescherten dem Unternehmen 669 XRP und damit Platz drei im Marken-Ranking, die meisten Milka-Spots entfielen auf RTLzwei und Sender der RTL-Gruppe. Wie schon in der Vergangenheit warb Milka auf keinem einzigen Sender der Seven.One Entertainment Group. Zwischen McDonalds und Milka positionierte sich auf dem Marken-Treppchen in der vergangenen Woche auch noch Shop-Apotheke mit einer Bruttoreichweite in Höhe von 741 XRP.
Das Werberanking kurz erklärt
All Eyes On Screens (früher: AdScanner) stellt für das Ranking eine Liste aller in der vergangenen Woche im deutschen TV ausgestrahlten Werbespots zusammen und ermittelt für diese die in Summe erzielte Reichweite in den gemessenen Vodafone-Haushalten. Da hier die sekundengenaue Reichweite statt der bislang branchenüblichen Werbeinselreichweite als Grundlage dient, spricht All Eyes On Screens von XRP (Exact Rating Points). Da es sich um Brutto-Reichweiten handelt, werden dafür die Einzel-Reichweite jeder Ausstrahlung aufaddiert. Zur Veranschaulichung: Läuft ein Spot zehn Mal und erreicht dabei jeweils fünf Prozent der gemessenen Vodafone-Haushalte, ergibt das für die gesamte Woche 50 XRP - auch wenn es immer die gleichen fünf Prozent gewesen wären.