Die Veränderungen bei Sport1 in den zurückliegenden Wochen und Monaten waren enorm: Teleshopping-Flächen wurden radikal reduziert, zudem verzichtet der Sender mittlerweile auf Erotik-Flächen in der Nacht. Auch angestammte Formate wurden aus dem Programm genommen. Seitdem der neue Gesellschafter Acunmedya an Bord ist, gibt’s beim Sender stattdessen viele neue Eigenproduktionen zu sehen. Und auch wenn von denen noch keine bislang so richtig eingeschlagen sind, hält man in Ismaning am Kurs fest. Doch der umfassende Umbau bei Sport1 wird allmählich zu einem Problem für die Verantwortlichen. 

So muss sich Sport1 nicht nur mit der generellen Zurückhaltung am Werbemarkt arrangieren, ganz offensichtlich meiden Agenturen und Werbekunden den Sender aktuell ganz bewusst. Von Januar bis Mai lagen die Brutto-Werbeeinnahmen von Sport1 nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen bei rund 90 Millionen Euro. Das sind 57,7 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2024. Im April und Mai lag das Minus sogar bei mehr als 60 Prozent. Sport1 ist damit in der Nielsen-Auswertung der Sender, der mit Abstand am schlechtesten durch das Jahr kommt. 

Die Ursachen für diesen massiven Einbruch sind offensichtlich: Trotz hoher Investitionen in Show-Eigenproduktionen fruchten diese Formate bislang kaum oder gar nicht. "Exatlon" und "Darts Party" passen mit ihrem sportlichen Fokus vielleicht noch zum Sender, sorgen aber viel zu selten für hohe Einschaltquoten. Ein Kochformat wie "MasterChef" war nicht nur inhaltlich ein Fehlgriff, auch die Resonanz des Publikums war verhalten - freundlich formuliert. Und auch mit Formaten aus den Bereichen Dating ("Power of Love") und Mode ("My Style Rocks") sorgt Sport1 in der Branche für viele Fragezeichen. 

Während Harald Glööckler bei "My Style Rocks" immerhin noch in sozialen Netzwerken für einen gewissen Buzz sorgt, kann die Datingshow das nicht von sich behaupten. In der Spitze kam das Format bislang auf 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauer - in den meisten Fällen sind es aber auch deutlich weniger. Immer wieder weist die AGF für die Sendung eine Reichweite in Höhe von 0,00 Millionen aus. Oder anders formuliert: Wer soll das vermarkten? Sport1 ist im Linearen schlicht die Reichweite abhanden gekommen. Das unterstreicht auch die Tatsache, dass der Juni der schlechteste Monat für den Sender seit mindestens zwölf Jahren war (DWDL.de berichtete). 

Werbe-Minus von fast 60 Prozent

Stefan Obstmayer © Sport1/Susann Bongart Stefan Obstmayer
Von Sport1 heißt es, das von Nielsen ausgewiesene Werbeminus von fast 60 Prozent im laufenden Jahr sei vor allem auf die bewusste Reduktion von Teleshopping-Flächen und die Einstellung der Erotikvermarktung zurückzuführen. "Die für uns strategisch relevanten Erlösquellen, insbesondere die Spotvermarktung inklusive Sonderwerbeformen sowie das Sponsoring, bewegen sich mit einem leichten Rückgang im Rahmen der allgemeinen Marktentwicklung", sagt Stefan Obstmayer, Chief Sales Officer bei Sport1 gegenüber DWDL.de. Wie groß das Minus netto ist, will Sport1 nicht sagen. Die allgemeine Entwicklung im Werbemarkt spiegele sich aber auch in den Nettoerlösen "in einer Größenordnung wider, die sich im Rahmen der Gesamtmarktsituation bewegt", sagt Obstmayer.

"Die für uns strategisch relevanten Erlösquellen, insbesondere die Spotvermarktung inklusive Sonderwerbeformen sowie das Sponsoring, bewegen sich mit einem leichten Rückgang im Rahmen der allgemeinen Marktentwicklung."
Stefan Obstmayer, Chief Sales Officer Sport1


Die Fokussierung auf Eigenproduktionen bewerte man als "wichtigen Schritt, um das Profil von Sport1 zu schärfen und neue Potenziale zu erschließen", sagt Obstmayer. Man erschließe sich neue Zielgruppe, ohne dabei das sport-affine Stammpublikum aus dem Blick zu verlieren. Nur: So richtig geht diese Strategie bislang nicht auf. Hinzu kommt, dass man ab Herbst nicht mehr das Topspiel aus der 2. Fußball-Bundesliga zeigen kann, das wird künftig bei RTL oder Nitro zu sehen sein. Sport1 bricht damit ein weiterer Slot weg, auf dem man regelmäßig mehrere hunderttausend Menschen erreicht hat. 

Schon zuletzt musste unter anderem der reichweitenstarke "Fantalk" den neuen Show-Eigenproduktionen weichen - aus Sicht der Quoten hat sich dieser Schritt jedenfalls nicht gelohnt. Und auch günstiges Füllmaterial wie "Pawn Stars", das das Publikum in der Vergangenheit noch recht gut bei der Stange halten konnte, ist verschwunden. Stattdessen laufen im Sport1-Programm jetzt etliche Show-Wiederholungen, die niemand sehen will - diese Flächen sind nur ganz schwer zu vermarkten. 

Branchenbeobachter und Sport1-Insider, mit denen DWDL.de gesprochen hat, bestätigen das Problem: Linear kommt der Sender mittlerweile nicht mehr häufig genug auf hohe Reichweiten und fällt so auch aus dem Blickfeld der Mediaagenturen. Die Argumentation, mit der Streichung von Erotik- und Teleshopping-Flächen selbstgewählt auf Werbeeinnahmen zu verzichten, stimmt zwar. Hinzu kommt neben der schwierigen Vermarktung der neuen Formate aber noch, dass sich Sport1 an einer anderen Stelle ins eigene Knie geschossen hat. 

Lukrativen Poker-Deal gibt's nicht mehr

Menschen, die sich mit den Vorgängen beim Sender auskennen, kritisieren vor allem den Wegfall von Poker-Sendungen. Anfang des Jahres strich Sport1 plötzlich entsprechende Übertragungen aus dem Programm. Auch dieser Schritt wurde offenkundig auf Betreiben von Acunmedya umgesetzt. Die Folge: Durch den eigentlich lukrativen Deal mit GGPoker entgingen Sport1 alleine bis zu diesem Sommer rund 3,5 Millionen Euro - plus zusätzliche Werbeeinnahmen, die sich mit den Übertragungen hätten erzielen lassen. Für einen Sender wie Sport1 sind das sehr relevante Summen. 

Auch der Wegfall der Übertragungen der Kieler Woche hat Sport1 geschadet. Die Segel-Events waren zwar keine Zuschauermagneten, durch eine entsprechende Partnerschaft mit dem Veranstalter kam aber trotzdem Geld in die Kassen. Auch das fehlt in diesem Jahr erstmals. Es sind Beispiele wie diese, die unweigerlich die Frage aufkommen lassen, wer zwischen Istanbul (Acunmedya) und Pratteln in der Schweiz (Highlight Communications) eigentlich noch das Sagen hat über das Programm. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man in Ismaning nur noch sehr wenig selbst entscheiden kann - und stattdessen vor allem die Vorgaben umsetzt, die von Acunmedya kommen. 

Und auch die Highlights im Programm werden weniger, wie der Wegfall des Zweitliga-Topspiels zeigt. Die Bundesligarechte für den Sonntagvormittag ("Doppelpass") hat man gerade erst verlängern können, demnächst werden aber auch wieder die Rechte an der Darts-WM ab 2027 ausgeschrieben. Damit feierte Sport1 in den zurückliegenden Jahren gigantische Erfolge - angesichts dessen werden wohl auch andere Sender an einer Übertragung interessiert sein. Es wird die nächste Nagelprobe für das Sport1-Management. 

Ungeklärte strategische Fragen

Matthias Reichert © Sport1 Matthias Reichert
Hinzu kommt, dass zwei strategisch wichtige Fragen bei Sport1 nach wie vor ungeklärt sind. So muss das Management um Geschäftsführer Matthias Reichert entscheiden, auf welchen Namen der Sender künftig hört. Sport1 trifft den Kern des Programms jedenfalls immer seltener, ist aber eine gelernte Marke. Im April hatte Reichert eine "zeitnahe Antwort" auf die Namensfrage angekündigt. Und dann ist weiterhin unklar, was mit der Webseite sport1.de inklusive App wird. Hier prüft man aktuell weiterhin einen möglichen Verkauf. Auch das sorgt nicht gerade für den Eindruck, als würde Sport mittelfristig noch eine sehr große Rolle bei Sport1 spielen. 

2026 werde für Sport1 das "entscheidende Jahr", erklärte Reichert im April im DWDL.de-Interview. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass schon in diesem Jahr über die Zukunft von Sport1 entschieden werden könnte. Sollte an der Front mit den Eigenproduktionen nicht schnell eine Besserung eintreten, dürfte jedenfalls auch Acunmedya nervös werden. Deren Strategie, bewährte Formate in eigenen Produktionshubs auch einfach für Deutschland zu produzieren, ist erkennbar nicht aufgegangen - zumindest nicht für Sport1.

Dass muss man sich auch in der Schweiz ankreiden lassen, bei Highlight Communications, dem zweiten großen Sport1-Gesellschafter. "Für uns ist es entscheidend, die Reichweiten in der Primetime zu steigern. Da werden die meisten Einnahmen generiert", sagte Highlight-CEO Bernhard Burgener im Sommer 2024 im DWDL.de-Interview. Seither sind die Reichweiten in der Primetime eher noch geschrumpft - und mit ihnen die Werbeeinnahmen von Sport1. 

 

AEOS Werberanking ©

Amazon hat seinen Werbedruck in der vergangenen Woche extrem erhöht: Etwas mehr als 2.500 gebuchte Spots sorgten für eine Bruttoreichweite in Höhe von 768 XRP, im Markenranking reichte das für Platz zwei hinter Kinder und Milka. Für Amazon war es im laufenden Jahr die mit Abstand werbeintensivste Woche im deutschen Fernsehen - und der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Der Prime Day, der auch 2025 mehr als nur einen Tag umfasst und vom 8. bis 11. Juli andauert. 

Zwischen Mittwoch und Sonntag schaltete Amazon täglich mehr als 400 Spots, Montag und Dienstag waren es noch etwas weniger. Von den mehr als 2.500 Spots waren mehr als zwei Drittel Werbung für den Prime Day. Darüber hinaus warb Amazon auch noch generell für das Prime-Abo und für sich als Unternehmen. Alleine für die Werbung zum Prime Day lag der Brutto-Werbewert bei mehr als 3 Millionen Euro, mit der anderen Werbung lag der Wert bei rund 4 Millionen. Netto dürfte Amazon weniger bezahlt haben. Dennoch ist klar erkennbar, wie intensiv Amazon in den zurückliegenden Tagen werbetechnisch - gerade in Bezug auf den Prime Day - unterwegs war. 

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Das Werberanking kurz erklärt

All Eyes On Screens (früher: AdScanner) stellt für das Ranking eine Liste aller in der vergangenen Woche im deutschen TV ausgestrahlten Werbespots zusammen und ermittelt für diese die in Summe erzielte Reichweite in den gemessenen Vodafone-Haushalten. Da hier die sekundengenaue Reichweite statt der bislang branchenüblichen Werbeinselreichweite als Grundlage dient, spricht All Eyes On Screens von XRP (Exact Rating Points). Da es sich um Brutto-Reichweiten handelt, werden dafür die Einzel-Reichweite jeder Ausstrahlung aufaddiert. Zur Veranschaulichung: Läuft ein Spot zehn Mal und erreicht dabei jeweils fünf Prozent der gemessenen Vodafone-Haushalte, ergibt das für die gesamte Woche 50 XRP - auch wenn es immer die gleichen fünf Prozent gewesen wären.