Herr Kluge, Sie wollen mit der Initiative 18 freie, sichere und nachhaltige Medien als 18. Nachhaltigkeitsziel in die Agenda 2030 der Vereinten Nationen aufnehmen lassen. Wie weit sind Sie mit diesem Vorhaben in den letzten 12 Monaten gekommen? Eine entsprechende Petition hat nicht einmal 2.000 Unterschriften erhalten.
Manfred Kluge: Es hat sich seit der Vereinsgründung im April und dem offiziellen Launch der Initiative18 im September letzten Jahres tatsächlich schon viel getan. Wir sind bereits im 1. Quartal 2025 ausführlich mit der ständigen deutschen Vertretung in der UN in New York in Kontakt gewesen. Das die Vereinten Nationen gerade große interne Spannungen aushalten müssen, dürfte bekannt sein und ist gerade auch nicht hilfreich. Wir haben aber ein sehr positives Echo auf unseren Vorstoß bekommen. Und wenn wir nach Deutschland schauen, sind wir stolz darauf, gemeinsam mit anderen Verbänden und Unterstützern ganz wesentliche Punkte im Koalitionsvertrag der neuen Regierung hinterlegt zu haben: das klare Bekenntnis zur Stärkung der Medienvielfalt, um eine freie öffentliche Debatte abzusichern. Oder der entschlossene Kampf gegen Desinformation und die Prüfung einer verschärften Haftung von Plattformen für deren Inhalte. Die Petition wird im Übrigen einen Boost erfahren, sobald wir demnächst aufmerksamkeitsstark für die Ziele der Initiative18 werben werden.
Ein Unterziel ist die "Verantwortungsvolle Allokation von Werbeinvestitionen". Inwiefern hat die Initiative zu einem konkreten Umdenken bei den Werbungtreibenden geführt? Es ist ja immer noch viel von Krise die Rede und ich habe nicht das Gefühl, als würde es Unternehmen bei ihren Buchungen vor allem darum gehen, den unabhängigen Journalismus zu stärken.
Wir sind seit Monaten dabei, eine entsprechende Awareness für dieses Thema zu schaffen und haben dazu beigetragen, dass das Thema Verantwortung für Medienvielfalt nun gesetzt ist bei den relevanten Industrie-Summits. Zusätzlich sind wir auch sehr viel direkt mit Werbetreibenden, aber auch mit den betreuenden Mediaagenturen, im Austausch, um dafür zu sensibilisieren, dass Werbeaufwendungen bei journalistisch orientierten Medienhäusern wie grüner Strom ist. Gut für unsere demokratische Luft und mit hoher ROI-Wirkung.
Die Initiative 18 ist im vergangenen Jahr von Expertinnen und Experten aus der Medien- und Kommunikationsbranche gegründet worden. Manfred Kluge, aktuell auch Chairman der Omnicom Media Group in Deutschland und damit einer der wichtigsten Mediaplaner in diesem Land, ist Vorsitzender der Initiative, die sich die Sicherung einer vielfältigen und unabhängigen Medienlandschaft und den Kampf gegen Desinformationen auf die Fahnen geschrieben hat. Der Verein fordert die Aufnahme freier, sicherer und nachhaltiger Medien als das 18. Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen. Unter Werbe-Entscheidern und Media-Experten sorgt vor allem die Forderung nach einer "verantwortungsvollen Allokation von Werbeinvestitionen" für Diskussionen. Über die Initiative 18
Und doch sind die bisherigen Veränderungen überschaubar, oder? Wie wollen Sie die Werbekunden von Ihren Zielen überzeugen?
Eines ist unbestritten: Werbeaufwendungen finanzieren bisher erhebliche Anteile von Journalismus und niemand kann ein Interesse daran haben, dass final die Angebotsmacht im Werbemarkt bei ganz wenigen Playern liegt, die selbst keine journalistische Kompetenz haben. Das ist schädlich für unsere Demokratie, aber auch für das Business von Unternehmen. Und es gibt nun immer mehr Kunden, die sich mit dieser Entwicklung kritisch auseinandersetzen.
"Werbeaufwendungen finanzieren bisher erhebliche Anteile von Journalismus und niemand kann ein Interesse daran haben, dass final die Angebotsmacht im Werbemarkt bei ganz wenigen Playern liegt, die selbst keine journalistische Kompetenz haben."
Eine Umsetzung der Forderungen der Initiative 18 würde wohl unweigerlich zu einer Schwächung der großen Tech-Plattformen führen und zu einer Stärkung heimischer Medien. So genau haben Sie das aber nirgends formuliert. Wieso eigentlich?
Wir rufen keineswegs zum Boykott verschiedener Marktteilnehmer auf, weisen aber auf absehbare Konsequenzen hin, wenn der Markt nicht zu einer nachhaltigeren Allokation von Werbebudgets kommt. Am Ende entscheiden die Unternehmen ganz individuell, wie sie die Werbebudgets im Sinne ROI und sonstiger Ziele investieren. Wir dürfen hier ja auch unsere anderen Forderungen nicht vergessen: Plattformen müssen Verantwortung für ihre Inhalte übernehmen, schließlich vermarkten sie diese ja auch. Und dazu gehören auch Rahmenbedingungen, die Qualitätsmedien im Wettbewerb mit den Plattformen ein gleichberechtigtes Spielfeld garantieren
Seit dem Start der Initiative hat sich durch die neue Bundesregierung politisch einiges getan, Sie hatten das schon angeschnitten. Wie bewerten Sie diese Veränderungen konkret?
Wie bereits erwähnt sind wir stolz, hier auch einen Beitrag geleistet zu haben. Die Verbände, egal ob Medien-, Kunden- oder Agenturseitig haben ebenfalls viel Wirkung entfacht. Wir arbeiten hier sehr gut zusammen. Der Koalitionsvertrag enthält eine Reihe von wichtigen Punkten, nun muss die Regierung auch liefern. Wir als Initiative18 hoffen in diesem Kontext auch sehr, dass DMA und DSA [Digital Markets Act und Digital Services Act, Anm.] auf europäischer Ebene im Zuge des Zollstreits nicht zu stumpfen Schwertern werden. Wie im Autoverkehr brauchen wir klare und verbindliche Regeln für alle Verkehrsteilnehmer, es darf im digitalen Raum nicht das Gesetz des Stärkeren oder Anarchie gelten. Intransparenz, mangelnder Jugend- und Datenschutz und zuhauf schädliche Inhalte sind nicht tolerierbar.
"Wir müssen uns im Falle KI darauf einstellen, dass sie von machtgierigen Menschen brutal missbraucht und Desinformation nie geahnte Dimensionen annehmen wird. Hier gilt es mit allen Mitteln entgegenzusteuern."
Desinformationen haben in den vergangenen Monaten eher noch zugenommen. Wie kann man diesem Trend möglichst effektiv begegnen?
Gezielt gestreute Desinformation ist laut Weltwirtschaftsforum seit nunmehr 24 Monaten das größte globale Risiko, führt diese doch zur Destabilisierung bzw. Spaltung von Gesellschaften. Wahlen werden mehr und mehr beeinflusst, Menschenrechte eingeschränkt. Hier gilt es, dass wir gemeinsam, also Politik und Wirtschaft, die Verantwortlichen stärker in die Pflicht nehmen. Die Entscheidung von Meta, den Faktencheck abzuschaffen mit dem verwirrten Hinweis auf Zensur ist auf alle Fälle ein Schritt in die völlig falsche Richtung gewesen.
Wie bewerten Sie das ganze Thema KI, vor allem im Hinblick auf die Erstellung von Desinformationen?
Soziale Medien und auch KI sind wie Feuer. Dieses hat wunderbare Eigenschaften, produziert es doch Wärme und Energie, aber falsch eingesetzt hat es auch eine immense Zerstörungskraft. Wir müssen uns im Falle KI darauf einstellen, dass sie von machtgierigen Menschen brutal missbraucht und Desinformation nie geahnte Dimensionen annehmen wird. Hier gilt es mit allen Mitteln entgegenzusteuern.
Welche konkreten Maßnahmen setzt die Initiative 18 im zweiten Jahr ihres Bestehens, um die formulierten Ziele zu erreichen und noch mehr Awareness zu schaffen?
Der Countdown läuft für unsere erste große Awareness-Kampagne. Diese wird sehr eindrücklich die Relevanz unserer Kernbotschaft transportieren: Freiheit braucht das ganze Bild. Medienvielfalt schützt Demokratie. Anfang September werden wir in Südafrika im Rahmen des M20 Gipfels die Initiative18 vorstellen. Eine zweitägige Konferenz über Medien- und Informationsintegrität, die parallel zum G20-Programm stattfindet. Im Herbst werden wir zwei exklusive Veranstaltungen durchführen, jeweils mit prominenten Medienpartnern, um ganz gezielt den C-Level von Unternehmen für unsere Ziele zu sensibilisieren. Ferner wird das gemeinsam mit #usethenews und dem rheingold salon initiierte Projekt Zuversicht in die zweite Phase gehen. Nach der erfolgreich umgesetzten Studie geht es nun darum, in den Bereichen Politik/Institutionen, Medien/Journalismus sowie Unternehmen/Marken Konzepte für eine gesteigerte Selbstwirksamkeit von Menschen in unserer Gesellschaft zu entwickeln. Die Stimmung in Deutschland ist viel schlechter als der Zustand unseres Landes. Statt rumjammern, gilt es Lösungen für eine bessere Zukunft zu entwickeln. Außerdem stehen wir im Kontakt zu demokratiefördernden Stiftungen, um Unterstützung für Projekte und eine professionelle Geschäftsstelle zu bekommen.
Vielen Dank für das Gespräch!
In der kommenden Woche geht es an dieser Stelle um die Frage, wie der Markt die Initiative 18 mittlerweile bewertet und ob man dort möglicherweise schon ein verändertes Buchungsverhalten der Werbekunden registriert.
In der vergangenen Woche berichteten wir an dieser Stelle noch über die Werbe-Strategie von Mondelez Deutschland bezüglich Milka und die erstaunliche Entscheidung, mit ProSiebenSat.1 eine der beiden großen Sendergruppen ziemlich konsequent außen vor zu lassen. In just dieser vergangenen Woche wurden die Werbeaktivitäten für Milka dann nach fünf Wochen mit etwas stärkerer Zurückhaltung auch gerade wieder hoch gefahren. Im Bruttoreichweiten-Ranking von All Eyes On Screens stürmt Milka mit fast 900 XRP und 2.254 ausgestrahlten Spots direkt auf Platz 1 noch knapp vor Dr. Oetker nach vorne. Und erneut lief übrigens kein einziger davon bei Sendern von ProSiebenSat.1.
Auf die Werbebremse getreten hat dafür die Molkerei Müller, die mit ihren Müller-Milch-Produkten in der Vorwoche noch das Ranking angeführt hatte Diesmal reichte es nun nur noch für Platz 14 in der Bruttoreichweiten-Hitliste.
Das Werberanking kurz erklärt
All Eyes On Screens (früher: AdScanner) stellt für das Ranking eine Liste aller in der vergangenen Woche im deutschen TV ausgestrahlten Werbespots zusammen und ermittelt für diese die in Summe erzielte Reichweite in den gemessenen Vodafone-Haushalten. Da hier die sekundengenaue Reichweite statt der bislang branchenüblichen Werbeinselreichweite als Grundlage dient, spricht All Eyes On Screens von XRP (Exact Rating Points). Da es sich um Brutto-Reichweiten handelt, werden dafür die Einzel-Reichweite jeder Ausstrahlung aufaddiert. Zur Veranschaulichung: Läuft ein Spot zehn Mal und erreicht dabei jeweils fünf Prozent der gemessenen Vodafone-Haushalte, ergibt das für die gesamte Woche 50 XRP - auch wenn es immer die gleichen fünf Prozent gewesen wären.