Nachdem die deutschen Fernsehsender im vergangenen Jahr netto erneut ein Minus bei den Werbeeinnahmen hinnehmen mussten, sieht es für 2025 aktuell nicht besser aus. Die Marktforscher von Nielsen weisen für den Brutto-TV-Werbemarkt zwischen Januar und August ein Minus in Höhe von 3,9 Prozent aus - netto dürfte es noch mehr sein. ProSiebenSat.1 hat seine Jahresprognose zuletzt gesenkt und auch bei der RTL Group waren die Werbeeinnahmen im ersten Halbjahr rückläufig. Überall hofft man nun auf einen Jahresendspurt - doch ob es den tatsächlich geben wird, ist unklarer denn je.
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Frank Vogel
Einige von DWDL.de befragten Vermarkter zeigen sich für den Rest des Jahres allenfalls verhalten optimistisch. Ein Großteil der Vermarkter blickt zurückhaltend auf das traditionell so wichtige vierte Quartal, das 2024 überraschend schwach war. "Traditionell ist das vierte Quartal ein Zugpferd. Dieses Jahr sehen wir bislang keine deutlichen Signale – allenfalls einen relativen Anstieg zum schwachen Vorjahr", sagt Frank Vogel, Geschäftsführer Ad Alliance, gegenüber DWDL.de. Viele Kunden würden weiterhin vorsichtig agieren und ihre Budgets sehr genau prüfen. Generell sei das Jahr geprägt von "schwacher Konjunktur und anhaltender Unsicherheit", so Vogel. Das wirke sich unmittelbar auf den Werbemarkt aus. "Besonders die klassischen Gattungen wie TV und Print stehen unter Druck; im linearen TV liegt der Markt im ersten Halbjahr deutlich im Minus."
Der Geschäftsführer der Ad Alliance verweist im Gespräch mit DWDL.de auch noch auf eine strukturelle Veränderung, die sich die klassischen TV-Vermarkter derzeit stellen müssen. "Parallel verschieben sich Budgets in relevanter Größenordnung zu Streaming-Angeboten – das zeigt, wie sehr sich der Markt strukturell verändert." Davon profitieren allerdings nicht nur RTL+ oder auch Joyn, sondern allen voran auch die großen US-Dienste wie Netflix und Prime Video.
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Markus Messerer
Auch Markus Messerer, Chief Commercial Officer bei ProSiebenSat.1 und Vorsitzender der Geschäftsführung Seven.One Media, sagt gegenüber DWDL.de, dass das makroökonomische Umfeld im deutschsprachigen Raum "weiterhin von erheblicher Unsicherheit geprägt" sei. Messerer: "Die zuvor von Forschungsinstituten prognostizierte wirtschaftliche Erholung wird nun wahrscheinlich nicht eintreten." So begründete man vor wenigen Wochen auch die gekürzte Jahresprognose. Auch für das vierte Quartal erwartet man in Unterföhring eine wirtschaftlich schwierige Lage. Das zeige sich mittlerweile auch in den ersten Indikatoren für Oktober, "die sowohl im linearen TV als auch bei den digitalen Werbeprodukten unter den Erwartungen liegen", so der P7S1-Vermarktungschef.
Stabiles Q4 schon das höchste der Gefühle?
Für ProSiebenSat.1 ist das eine ziemlich schlechte Nachricht. Joyn wächst zwar weiter kräftig, wenn es um Nutzungszahlen geht, auf die Einnahmen hat das aber offenkundig noch keinen durchschlagenden Effekt. Schon gar nicht kann man damit die bröckelnden Einnahmen aus der klassischen TV-Werbung kompensieren. Dennoch sagt Markus Messerer jetzt gegenüber DWDL.de, dass man auf dem Weg der digitalen Transformation 2025 "große Schritte vorangekommen" sei. Dabei verweist er auf die Reichweiten- und User-Rekorde, die Joyn zuletzt immer wieder aufgestellt hat. "Das ist auch für uns in der Vermarktung ein großer Meilenstein, weil die Werbekunden gerade im Streaming hochwertige und reichweitenstarke Umfelder auf dem Big Screen brauchen, um ihre potenziellen Kund:innen zu erreichen."
© Visoon
Kai Ladwig
Und auch vor den Vermarktern der kleineren Sendern macht die Krise keinen Halt. Visoon, zuständig unter anderem für die Vermarktung von Welt, Nick, Comedy Central oder auch Paramount+, trifft die Werbemarktflaute ebenfalls. Von eben dieser Flaute spricht Kai Ladwig, CMO und zweiter Geschäftsführer, gegenüber DWDL.de. Bedingt sei die durch die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland und zunehmend politische Unsicherheiten. "Es gibt Verschiebungen innerhalb der Werbegattungen, wobei das TV-Segment bisher unter dem Vorjahresniveau liegt", so Ladwig, der aber auch sagt, dass sich der gesamte Bereich CTV weiterhin gut entwickele. Für das vierte Quartal erwartet der Visoon-Manager "keine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr", aber zumindest stabile Einnahmen im TV-Bereich.
Herbst der Veränderungen bei El Cartel
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Stephan Karrer
So oder so spannend wird das vierte Quartal für Stephan Karrer, aktuell noch Geschäftsführer des RTLzwei-Vermarkters El Cartel. Zusammen mit der Vermarktungseinheit von Warner Bros. Discovery (WBD) verschmilzt man ab November bekanntlich zu El Cartel Brothers - schon alleine deshalb herrscht in München und Grünwald aktuell mehr als ohnehin schön geschäftiges Treiben. Gegenüber DWDL.de spricht Karrer von einem Jahr "mit Höhen und Tiefen". Karrer: "Positiv entwickeln sich vor allem die digitalen und crossmedialen Angebote – hier sehen wir eine wachsende Nachfrage und spannende neue Projekte. Im klassischen TV spüren wir dagegen die Marktherausforderungen deutlicher. Insgesamt sind wir stabil unterwegs, wissen aber, dass Flexibilität und Kreativität aktuell wichtiger sind denn je." Die Rahmenbedingungen für das traditionell wichtige vierte Quartal würden "anspruchsvoll" bleiben, so der El-Cartel-Chef. Man gehe aber mit "vorsichtigem Optimismus" in die letzten Monate. Bedingt durch das Joint Venture mit WBD sind es im Markt der kommerziellen Vermarkter, wenn überhaupt, die El Cartel Brothers, die aktuell ein Momentum im Markt haben.
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Iris Plach
Zufrieden zeigt man sich mit dem eigenen Geschäftsverlauf bei Sky Media. Zwar nehme der druck auf den TV-Markt spürbar zu und man sehe in der Planung eine starke Veränderung mit kurzfristigen Prognosen und Entscheidungen, sagt Iris Plach, Vice President Sales & Marketing bei Sky Media. "Trotzdem ist es uns bei Sky Media gelungen [...] eine gute Performance zu erzielen." Werbepartner würden Planbarkeit und Verlässlichkeit schätzen. "Wirklich positiv hat sich zudem unser Digitalbereich entwickelt, der weiterhin wächst. Unsere digitalen Produkte funktionieren alle sehr gut und sind ein zentraler Bestandteil unserer Vermarktungsstrategie", so Plach, die den Dezember 2024 als "besondere Herausforderung" bezeichnet. Man hoffe, "dass sich dieses Jahr eine spürbare Verbesserung einstellt", wenn es um das vierte Quartal gehe. Man sei vorsichtig optimistisch.
Andere Stimmung bei Vermarktern von ARD und ZDF
© ZDF Werbefernsehen
Hans-Joachim Strauch
Eine Sonderstellung in der TV-Vermarktung nehmen die Öffentlich-Rechtlichen ein. ARD Media und das ZDF Werbefernsehen erlebten 2024 auch wegen den sportlichen Großereignisse ein starkes Jahr, diese haben in diesem Sommer gefehlt. Hans-Joachim Strauch, Chef des ZDF Werbefernsehens, spricht gegenüber DWDL.de trotzdem von einem "sehr erfolgreichen Sommer". Strauch: "Im Vergleich zu den kommerziellen Vermarktern verliefen sowohl das letzte Quartal in 2024 als auch 2025 bisher durchaus gut. Auch mit Blick auf das letzte Quartal in diesem Jahr sind wir zuversichtlich."
© ARD Media
Ralf Hape
Auch bei ARD Media zeigt man sich mit der Entwicklung des Vermarktungsgeschäfts "sehr zufrieden", sagt Geschäftsführer Ralf Hape. Starke Programmmarken würden sowohl in TV also auch im Audio-Bereich hohe Reichweiten liefern. Ins letzte Quartal 2025 gehe man optimistisch. "Unsere öffentlich-rechtlichen Formate behaupten sich stark – selbst in hochkompetitiven Bereichen wie der Fußball-Bundesliga, wo die Samstags-Sportschau mit Spitzenreichweiten überzeugt. Das gibt uns Zuversicht", so Hape. Gleichzeitig wissen man, dass die Werbemärkte "sehr sensibel auf politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagieren". Entscheidend werde, so der Geschäftsführer von ARD Media, ob es im Herbst "mehr Stabilität und Perspektive" geben würde – "das wäre ein wichtiges Signal für die gesamte Branche".
Impulse von der Politik? Fehlanzeige
Auf eben diese Stabilität und Perspektive hatten viele Branchenteilnehmer schon wesentlich früher gehofft. Anfang des Jahres gab es in weiten Teilen der Branche noch die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung Impulse setzen wird, um die Wirtschaft anzukurbeln. Einige Monate später gibt es zwar viele Themen, die in der Medienpolitik besprochen und vorangebracht werden sollen, der Wirtschaft geht es aber nach wie vor nicht nachhaltig besser - und das sorgt für Druck bei den Werbeausgaben. Entsprechend enttäuscht zeigen sich einige Marktteilnehmer.
"Viele haben sich von der neuen Bundesregierung Impulse erhofft, die bislang ausgeblieben sind. Stattdessen erleben wir das dritte Rezessionsjahr in Folge, dazu kommt Unsicherheit durch die Zollpolitik – für international agierende Unternehmen ist das eine spürbare Belastung. Das spiegelt sich unmittelbar im Werbemarkt wider", sagt Ad-Alliance-Geschäftsführer Frank Vogel, der aber auch "Lichtblicke" erwähnt. Damit meint er etwa positive Signale, die etwa die Automobilindustrie zuletzt auf der IAA gesendet habe. Oder die Digitalbranche, die auf der DMEXCO Impulse gesetzt habe.
Stephan Karrer, Geschäftsführer El Cartel Media, sagt, die Branche habe sich von der neuen Bundesregierung spürbare Impulse erhofft - "bisher merken wir davon allerdings wenig". Auf europäischer Ebene seien wichtige Schritte eingeleitet worden, um fairere Wettbewerbsbedingungen zwischen klassischen Medien und internationalen Plattformen zu schaffen. "Entscheidend ist aber, dass diese Maßnahmen jetzt schnell und konsequent wirken. Für uns als Vermarkter zählt am Ende, dass verlässliche Rahmenbedingungen entstehen und der Markt damit mehr Stabilität und Investitionssicherheit gewinnt." Und Visoon-Geschäftsführer Kai Ladwig erklärt: "Werbetreibende aus verschiedenen Branchen berichten von einer spürbaren Zurückhaltung der Käufer und keinen positiven Effekten der neuen Bundesregierung auf den deutschen Konsum. Wir hoffen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die die Kaufkraft deutlich steigern."
Ralf Hape, Geschäftsführer ARD Media, spricht von einem "enormen Potenzial", das Europa und Deutschland hätten. "Doch derzeit hemmen geopolitische Spannungen, Handelskonflikte und der Krieg gegen die Ukraine die politischen Gestaltungsspielräume. Gleichzeitig fehlen überparteiliche Ansätze, um Zukunftsthemen wie Arbeit im Zeitalter der KI, Bildung oder Altersvorsorge wirklich mutig und nachhaltig anzupacken." Was bisher auf den Weg gebracht worden sei, reiche nicht, "um Kurs und Dynamik neu zu justieren", wird Hape deutlich. "Hier wünsche ich mir mehr Entschlossenheit – und den Mut, Chancen zu nutzen statt Risiken zu verwalten. Denn: Wir haben alle Voraussetzungen, um stärker aus dieser Phase herauszugehen."