In Deutschland leiden die großen TV-Sender nun schon seit einiger Zeit unter dem Rückgang linearer TV-Werbeeinnahmen. Was dabei aber oft in den Hintergrund gerät: Es ist kein deutsches Phänomen, weltweit haben TV-Sender zu kämpfen, weil Reichweiten zurückgehen und Streamingdienste sowie die großen Big Techs Werbegelder an sich binden, die früher vielleicht an das Fernsehen gegangen wären. 

In der Schweiz ist die Situation nicht anders - im Gegenteil. Dort ist die Lage für die klassischen TV-Sender und ihre Geschäftsmodelle, die vor allem auf den früher hochmargigen TV-Werbeeinnahmen basieren, noch schlechter. Das hat mit einer speziellen Regelung zu tun, die es im Land gibt. So ist es in der Schweiz bis heute gesetzlich erlaubt, TV-Sendungen aufzuzeichnen und zeitversetzt zu sehen. IPTV-Dienste wie Zattoo haben daraus ein ganzes Geschäftsmodell gemacht und sind so groß geworden. Auch bei den großen Netzbetreibern ist die Funktion verfügbar. 

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist das äußerst komfortabel, können sie so doch auch die linearen Werbeblöcke überspringen. Das wurde aber natürlich schnell zum Problem für die TV-Sender und ihre Vermarkter. Denn wenn ein beträchtlicher Teil des Publikums die Werbung überspringt, kann man dafür nicht mehr das gleiche verlangen wie zuvor. Heute werden rund 30 bis 40 Prozent der TV-Inhalte in der Schweiz zeitversetzt konsumiert – Tendenz steigend.

Vor ziemlich genau drei Jahren gab es einen ersten Kompromiss innerhalb der Branche, der das Problem auffangen sollte: Replay-TV-Werbung. Private Gruppen wie CH Media, Seven.One Entertainment Group und RTL Deutschland einigten sich damals auf das sogenannte Replay-Modell. Auch die Netzbetreiber und IPTV-Dienste zogen mit. Konkret wurden damals drei neue Werbeformen für zeitversetzte TV-Nutzung eingeführt: Start-Ad, Fast-Forward-Ad und Pause-Ad. 

Das heißt, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer der entsprechenden Sender seit Oktober 2022 in aller Regel Werbespots sehen, sobald sie einen der Kanäle starten. Auch beim Vorspulen sowie dem Drücken der Pause-Taste wird Werbung eingespielt. Damit wollten die Sender und ihre Vermarkter die bröckelnden linearen Werbeeinnahmen auffangen, das Problem aber war, dass es keine branchenweite Lösung gab, weil sie SRG nicht mitmachte. 

Flächendeckende Branchenlösung für Replay-TV-Werbung

Das ändert sich künftig: Ab dem 1. November ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Schweiz beim Modell der Replay-TV-Werbung mit an Bord. Als das vor wenigen Wochen bekannt wurde, sprachen die Beteiligten von einem "bedeutenden Schritt hin zu einer flächendeckenden Branchenlösung, welche den Medienplatz nachhaltig stärkt". SRG und der Verband Schweizer Privatfernsehen (VSPF) sprachen auch von einer "Weiterentwicklung des Modells für Replay-TV-Werbung" ohne genaue Details zu nennen. 

Tatsächlich ist die Neuerung jetzt nicht nur, dass die SRG mit an Bord ist. Wie ein Unternehmenssprecher gegenüber DWDL.de erklärt, wurde auch das Modell als solches leicht angepasst. "Beim Start der Replay Ad im Jahr 2022 wurden zentrale Anliegen der SRG in der entsprechenden Branchenvereinbarung nicht berücksichtigt. Die Branche einigte sich in der Zwischenzeit jedoch auf Anpassungen der Branchenvereinbarung für Replay Ad, die der SRG schließlich den Beitritt ermöglichte. Die wesentlichste Anpassung betrifft die Start Ad, die auf eine Standard-Länge für TV-Spots verlängert wurde", heißt es von der SRG. Damit könne man den TV-Werbetreibenden mit bestehenden Spots auch eine Buchung als Replay Ad anbieten.

"Beim Start der Replay Ad im Jahr 2022 wurden zentrale Anliegen der SRG in der entsprechenden Branchenvereinbarung nicht berücksichtigt."
SRG-Sprecher


Für die SRG gehe es mit dem Schritt darum, "den Medienplatz als Ganzes zu unterstützen", so der Unternehmenssprecher weiter. Einige Schweizer Boulevardmedien kritisieren die SRG für die Einführung der Replay-Werbung und begründen das auch damit, dass das öffentlich-rechtliche Unternehmen aktiv Nutzerbeschränkungen einführe. Die SRG sagt dazu gegenüber DWDL.de: "Die TV-Werbung im linearen Fernsehen dauert meist viel länger und kann auch nicht übersprungen werden. Das Publikum kennt also diese Situation seit Jahrzehnten. Mit dem dualen Finanzierungssystem muss sich die SRG zusätzlich zu den Einnahmen aus der Medienabgabe aus kommerziellen Werbeerträgen finanzieren. Die Möglichkeit von Replay-TV-Werbung wird vom Gesetzgeber auch für die SRG vorgesehen und hilft ihr dabei, dieses duale Finanzierungssystem in die Zukunft zu führen."

"Nutzerfreundliche Umsetzung"

SRG und VSPF werben mit einer "nutzerfreundlichen Umsetzung", können oder wollen auf DWDL.de-Nachfrage aber nicht sagen, was das genau bedeutet. Gibt es also eine maximale Anzahl an Werbeunterbrechungen pro Stunde bzw. eine maximale Dauer der Unterbrechung, wenn das Programm angehalten oder vorgespult wird? "Die Werbeform ist klar strukturiert und zeitlich begrenzt", teilt der Privatsender-Verband mit. Und: Die Unterbrechungen sind kürzer als klassische Werbeblöcke im linearen Programm. Wie viel Umsatz man bereits heute um Replay-Werbung macht, will der Verband nicht sagen. 

"Wichtig für die Branche ist die zusätzliche Erlösquelle durch Replay Ads. Weil im Replay-TV Werbung überspult werden kann, gehen Werbeeinnahmen verloren. Die Replay-Ads tragen dazu, diese Verluste teilweise zu kompensieren. Die Werbung ist somit notwendig, damit TV-Sender auch künftig attraktive Programminhalte finanzieren können", so eine VSPF-Sprecherin gegenüber DWDL.de. Durch die Teilnahme der SRG am Modell würden nun landesweite Werbekampagnen im Replay-TV möglich. "Die Beteiligung stärkt die Branchenlösung entscheidend und schafft die zusätzliche Reichweite, um das Produkt Replay-Ads für Werbekunden besser planbar und noch attraktiver zu machen."

Für Kundinnen und Kunden, die sich an das Überspringen der Werbung gewöhnt haben und nicht darauf verzichten wollen, gibt es übrigens nach wie vor eine Lösung: Sie können bei den verschiedenen Anbietern meist dafür zahlen, die Replay-Werbung nicht angezeigt zu bekommen. Damit haben SRG und VSPF kein Problem, erhalten sie in diesem Fall auf Basis einer entsprechenden Vereinbarung doch eine anteilige Vergütung.