Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens waren bereits angebracht, als RTL vor vier Jahren, inmitten der Corona-Pandemie, ein neues Nachrichtenmagazin für die Primetime ankündigte. Mit "RTL Direkt" um 22:15 Uhr an den Start zu gehen, wirkte nicht nur wegen der unmittelbaren Konkurrenz zu den etablierten ARD-"Tagesthemen" riskant, sondern auch hinsichtlich des Audience Flows, auf den viele Fernsehmacher akribisch achten – in der ständigen Sorge, das mühsam zu sich gezogene Publikum schon durch kleinste programmliche Störfeuer an die Konkurrenz wieder zu verlieren.

Mit Blick auf den Audience Flow war "RTL Direkt" das denkbar größte Störfeuer, weil etablierte Magazine plötzlich später als üblich begannen, Günther Jauch das Quizfragenstellen unterbrechen musste und selbst die Promi-Quälereien im Dschungelcamp zu warten hatten, wenn Jan Hofer und Pinar Atalay anklopften, um das Publikum aus dem wohligen Eskapismus zu reißen und stattdessen über das Kriege, Krisen und Konflikte zu informieren.

Man werde den "Audience Flow fortan mutmaßlich neu definieren müssen", stellte DWDL.de schon nach der ersten Sendewoche im August 2021 fest und attestierte einen "Bruch im Programm". Dass Programmchefin Inga Leschek nun "massive Nutzungsveränderungen" als Grund für das gerade bekannt gewordene Ende von "RTL Direkt" anführt und erklärt, es werde "immer wichtiger, mögliche Umschaltpunkte zu reduzieren, um die Verweildauer der Zuschauer beim Sender zu erhöhen", mag zwar in der Sache korrekt sein, hätte man jedoch ehrlicherweise bereits von Beginn an als Argumente gegen eine solche Sendung nennen können.

Doch "RTL Direkt" scheiterte nicht nur daran, das Publikum in ausreichendem Maße vor dem Fernseher zu halten, sondern auch daran, neue Zuschauerinnen und Zuschauer für sich zu gewinnen. Einen spürbaren Einschaltimpuls, wie ihn etwa das ZDF allabendlich mit dem "heute-journal" gelingt, ließ sich jedenfalls nicht feststellen – was wiederum auch inhaltliche Gründe haben könnte. Unter Pinar Atalay bekam "RTL Direkt" zwar mehr Drive als unter ihrem zuvor aus der ARD-Rente geholten Vorgänger Jan Hofer; die Schlagzeilen aber dominierte das Berliner Nachrichtenmagazin trotz seines Hauptstadt-Vorteils nur selten.

Schmitters Herzensprojekt

Für das RTL-Publikum mag es also letztlich verschmerzbar sein, wenn "RTL Direkt" in wenigen Wochen der Stecker gezogen und wieder etwas mehr Ordnung ins Programmschema einziehen wird; für Stephan Schmitter, den heutigen CEO von RTL Deutschland, ist das Aus jedoch auch ein persönlicher Rückschlag, schließlich galt das Magazin vor allem als sein Herzensprojekt, das er einst noch in der Funktion als Geschäftsführer von RTL News durchboxte. Dass nach nur vier Jahren Schluss ist, muss daher auch vor dem Hintergrund der anhaltenden TV-Werbekrise gesehen werden, die keinerlei Spielraum mehr lässt für teure Prestigeprojekte wie "RTL Direkt".

Ohnehin wird von der einst ausgerufenen Informationsoffensive in zwei Monaten nicht viel mehr übrig bleiben als ein auf drei Stunden verlängertes "Punkt 12". Die zusätzliche "Explosiv"-Ausgabe gehört ebenso längst der Vergangenheit an wie eine weitere "RTL aktuell"-Ausgabe, die eine Zeit lang am Nachmittag gelaufen ist. Auch die Wochenendausgabe von "Explosiv" spart sich der Sender seit geraumer Zeit. Und die eigene RTL-Redaktion, die "Stern TV am Sonntag" zu einem relevanten Format formen sollte, wurde jüngst aufgelöst und das Format in die Hände der Produktionsfirma i&u TV gelegt, die nun voraufgezeichnete Sendungen abliefert, denen es erkennbar an Tagesaktualität mangelt. Angesichts der schwachen Quoten scheint es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Experiment beerdigt wird.

Für das Fernsehen, insbesondere das private, sind das freilich keine guten Nachrichten - nicht nur, weil mehr Nachrichten immer besser sind als weniger, sondern auch, weil im Gegenzug perspektivisch die vermeintliche "Nummer Sicher" wahrscheinlich noch häufiger Einzug ins Programm halten wird. Alleine schon um das zu verhindern, wäre "RTL Direkt" ein dauerhafter Erfolg zu wünschen gewesen. Auch wenn eigentlich sämtliche Fernsehregeln dagegen sprachen.

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