Am vergangenen Donnerstag konnte Jan Hofer einem fast ein wenig leid tun. "Liebe Fans von 'Sankt Maik', auf euch warten zwei weitere Folgen - nach unserem Blick auf das Wichtigste des Tages", kumpelte er etwas verkrampft in Richtung des RTL-Publikums. Der Mann, der bis Ende 2020 über mehr als drei Jahrzehnte hinweg die "Tagesschau" verlas, wirkte für einen kurzen Moment wie ein Rummelverkäufer, der den Besuchern auf dem Weg zum Riesenrad noch schnell ein Softeis schmackhaft machen will.

Es war die vierte Ausgabe von "RTL direkt", die Hofer präsentierte, doch so richtig rund wirkte die Nachrichtensendung aus der Hauptstadt, mit der RTL neuerdings in Konkurrenz zu den öffentlich-rechtlichen "Tagesthemen" tritt, noch immer nicht. Das liegt einerseits an Hofer, der bislang eher unauffällig moderiert, aber auch an der Sendung selbst, deren Konzept noch etwas undurchsichtig wirkt. 

Als zum Auftakt die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zu Gast im Studio war, hatte RTL zunächst die Chance verpasst, das alles dominierende Thema des Tages, die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban, mit einem eigenen Ansatz aufzugreifen. An den darauffolgenden Tagen wiederum kam "RTL direkt" zwar aktueller daher, aber dennoch nicht rund, weil die Übergänge zwischen Talks und Beiträgen mitunter ungelenk erschienen. Das Beste aus zwei Welten vereinen zu wollen, geht selten gut. Auch der Ansatz, die Sendung satirisch zu beenden, wirkte vor allem angestrengt, ganz besonders der "Rap der Woche", der am Donnerstag den Schlusspunkt markierte.

Jan Hofer, Stephan Schmitter, Lothar Keller © TVNOW / Jörg Carstensen Moderator Jan Hofer, RTL-News-Geschäftsführer Stephan Schmitter und Redaktionsleiter Lothar Keller.

Hört man sich im Sender um, dann herrscht vorwiegend Ernüchterung. Der große Wurf, den sich nicht wenige von der prominenten Verpflichtung erhofften, blieb zumindest in den ersten Tagen aus - und die relevanteren Beiträge und Gespräche liefen in den "Tagesthemen" und im "heute-journal". Dort reagiert man hinter vorgehaltener Hand gelassen und bisweilen amüsiert über den neuen Mitbewerber. Dabei hatte RTL noch im Vorfeld vollmundig "eine Sendung wie keine andere" angekündigt und durch die Verbindung von aktuellen Nachrichten mit einem ausführlichen Studio-Talk die bewusste Abgrenzung zu den Angeboten der Öffentlich-Rechtlichen gesucht. 

Nach dem verspäteten Afghanistan-Schwerpunkt am Dienstag machte "RTL direkt" am Mittwoch die Lage an den Schulen angesichts steigender Inzidenzen zum Thema, ehe am Donnerstag ein Impfforscher der Charité Jan Hofer einen Besuch abstattete. Immerhin mit der vierten Ausgabe war man bei den 14- bis 49-Jährigen zum ersten Mal stärker als die "Tagesthemen".

RTL will noch kein Zwischenfazit ziehen

Stärker bedeutet: Ein Marktanteil von 9,6 Prozent, was für RTL nicht gerade ein Erfolg ist - wenngleich er im generell schwachen "Sankt Maik"-Umfeld zumindest als ordentlich bewertet werden kann. Nach dem Start mit mehr als elf Prozent war die Quoten am Dienstag gegen die Supercup-Konkurrenz auf 5,4 Prozent zusammengeschrumpft, einen Tag später fiel "RTL direkt" schließlich erstmals unter die Marke von einer Million Zuschauerinnen und Zuschauer. Zu gerne hätte man gewusst, wie RTL die erste Sendewoche offiziell bewertet, doch äußern wollen sich die Verantwortlichen lieber noch nicht. Nach der ersten Woche sei es noch "zu früh für eine valdie Einschätzung", sagte eine Sprecherin auf DWDL.de-Nachfrage.

Die erste Sendewoche stellte jedoch zumindest schon mal unter Beweis, dass noch stark an "RTL direkt" gearbeitet werden muss, sondern auch am übrigen Programmablauf. Der wirkte nämlich, als habe die Programmplanung noch gar nicht Notiz genommen von dem neuen Nachrichtenmagazin. Stur spulte "Extra" am Montag seinen obligatorischen "Bauer sucht Frau"-Bericht ab, obwohl die Kuppelei zu diesem Zeitpunkt schon 20 Minuten zurücklag. Am Dienstag wiederum versuchte RTL am späten Abend das Publikum von "Schwiegertochter gesucht" mit den "größten Liebes-Sendungen" bei der Stange zu halten.

Weil "RTL direkt" allerdings für einen echten Bruch im Programm sorgt, wird der Kölner Sender den Audience Flow fortan mutmaßlich neu definieren müssen. Mit dem bisherigen Modell fiel "Extra" jedenfalls auf einen der schwächsten Werte des Jahres und erzielte weniger als acht Prozent Marktanteil, das Liebesshow-Ranking versagte im Anschluss an "RTL direkt" sogar mit kaum mehr als fünf Prozent. Auffällig, dass selbst "Stern TV" am Mittwoch klar einstellig blieb. In Köln ist man daher gut beraten, in den nächsten Wochen nicht nur das neue Nachrichtenmagazin im Auge zu behalten, sondern auch das Anschlussprogramm. Das dürfte auch im Sinne von Jan Hofer sein, der nach seinem stilvollen "Tagesschau"-Abschied sicher nicht als Rummelverkäufer in Erinnerung bleiben möchte.

"RTL direkt", Montag bis Donnerstag um 22:15 Uhr, RTL

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