Was wäre Deutschland ohne Zuwanderung? Nicht bloß kulturell, kulinarisch, sozial und wirtschaftlich ärmer; auch am Bildschirm ginge es ohne Nachfahren italienischer, portugiesischer, türkischer Gastarbeiter, wie sie einst hießen, öde zu. Umso erstaunlicher, dass ein sehr sichtbarer Migrationsvordergrund in Film & Fernsehen seltsam unterbelichtet ist: der griechische. Okay, Familie Sarikakis hat das „Akropolis“ der „Lindenstraße“ von Folge 1 bis 1758 durchgängig betrieben, während der (armenisch-deutsche) Dialektvirtuose Rick Kavanian für Bully Herbig immerhin deren Akzent imitieren darf.

Ansonsten aber gibt es zwar generell mehr fremdwurzelnde Figuren in tragender Serienfunktion als früher. Neben Adam Bousdoukos waren es jedoch kaum welche attischen Ursprungs. Jetzt allerdings kriegt Fatih Akins Dauerdarsteller ganz oben auf der Besetzungsliste Gesellschaft. Gut 50 Jahre, nachdem Udo Jürgens griechische Gastarbeiter weinselig ins bundesdeutsche Gedächtnis sang, spielt ihr Nachfahre Jasin Challah nicht nur die Hauptrolle der ZDF-Serie „Rembetis“. Als Hauptautor, Co-Regisseur und Komponist der eigenen Kreation, hat er seiner halben Sippe obendrein tragende Rollen verschafft.

Sie heißt genau wie der Achtteiler, verkauft – klaro – Gyros am Spieß und betätigt sich parallel als Geisterjäger. Ein Nebenerwerb, der jahrelang brachlag. Bis Vater Marcos (Pavlos Kourtidis) stirbt und der gescheiterte Schlagersänger Paris (Jasin Challah) zur Beerdigung in sein Heimatdorf zurückkehrt. Kaum angekommen, öffnet er versehentlich das Tor zur Hölle, die neun Tage später in der Apokalypse enden könnte, falls Familie Rembetis nicht einschreitet. Also kämpft der Erstgeborene mit seinem Bruder Hektor (Samy Challah) und ihrem (nur scheintoten) Vater gegen Mumien, Monstren, Mutationen der bizarren Art.

Zum Auftakt: Ein fieser Mett-Wurm, der Besitz von Frau Meierling (Johanna Gastdorf) ergreift und ihren Mann tötet. War offenbar doch keine so gute Idee von Paris, nach Gosse zu kommen. Wobei schon der Name seiner Geburtsstadt andeutet, dass diese Fehlentscheidung Teil einer noch größeren war. Denn abgesehen von der drolligen Idee griechischer Gastronomen, die sich mit einer Reihe antiker Mythen von Eris, der Zwietracht-Göttin, über Medusa und Sirenen bis hin zum Höllenhund Zerberus herumplagen, ist nahezu alles am Laienschauspiel bestenfalls auf zwei Liter Ouzo zu ertragen.

Und das liegt noch nicht mal allein daran, dass drei Generationen griechischer Immigranten darin gebrochenes Deutsch miteinander reden und ständig billige Zoten über Travestie oder Taubstumme reißen, bis die (Südländer halt) Schnauzbärte nur so rascheln. Noch schlimmer ist, mit wie wenig innerer Überzeugung das Ensemble sein Stück gegen die Wand fährt. Bestes Beispiel: Jasin Challahs Bruder Samy. Eigentlich sattsam geschult in einer Reihe seriöser Produktionen wie „King of Stonks“ und „Ivo“, überdreht Hektor sämtliche Gesichtsausdrücke, als wäre er Borat auf Bifteki.

Rembetis © ZDF/Nina Poppe

Abseits von Alexandra Schalaudek als Ex des (witzig!) Veganers Paris mit (witziger!) Metzger-Mann, agieren aber alle auf dem Niveau der Scherzkeksbäckerei „Smeilingen“, die selbst Didi Hallervordens Klobrillengläser-Humor noch unterbietet. Insgesamt mag es lobenswert sein, aus Nonsens Content zu kreieren, der obendrein Arbeitsplätze unter Crews und Kreativen schafft. Zumal die Primärzielgruppe der GenZ Unterhaltung nicht nach Maßstäben der klassischen Fernsehkritik bewertet. Weil sie affektiver, sprunghafter, Meme-orientierter tickt, könnte sie daher wohl auch mit den Musical-Elementen der Serie was anfangen.

Dass Millennials ihren Humor nicht immer nachvollziehen, hat Lutz Heinekings Produktionsfirma Eitelsonnenschein deshalb ebenso eingepreist wie zuletzt in seiner Pubertäts-Groteske „Club der Dinosaurier“. Nur: warum wildert „Rembetis“ dann so schamlos im Pointen-Fundus der Boomer? Wieso verdonnert Challah sein Team unablässig zur Glubschaugen-Mimik? Weshalb ersetzt er Kreativität durch Kalauer? Und warum wird dabei jede Haltung zu Tode chargiert? Zwei rassistische Sportschützen jedenfalls sind so zusammenhanglos reaktionär, dass sie nicht mal als sozialkritisches Feigenblatt taugen. Und weil die bodypositive Sängerin Fevronia als bodenständige Schwester ständig die heitere Inkompetenz ihrer Verwandtschaft ausbügelt, wird Alithea zur Spaßbremse. Wenn Cis-Männer Feminismus denken…

Warum sich der begnadete Komiker Michael Kessler da für einen Schlagerkönig mit dunklem Geheimnis hergibt, bleibt demnach das originellste Mysterium einer Serie, die griechische Folklore nicht persifliert, sondern verunglimpft. So reiht sie sich ins Portfolio halbgarer Neo-Originale à la „Sex Zimmer Küche Bad“ ein, mit denen der frühere Nachwuchssender seinen Altersschnitt auf 25 halbieren will. Leider landet er dabei verlässlich in der Krabbelgruppe kumulierter Furzwitze. „Bei Zeus“, sagt ein Grieche namens „Hundepeter“, als Paris auf Papas Leichenschmaus den Gyros-Teller ablehnt, „was haben die Deutschen mit dir gemacht“. Gute Comedy leider nicht…

Alle acht Folgen von "Rembetis" stehen ab dem 25. Juli beim ZDF zum Streamen bereit. ZDFneo zeigt die Serie ab dem 29. Juli dienstags ab 21:45 Uhr in Doppelfolgen