Eigentlich wollten die Vermarkter der großen Fernsehhäuser die dmexco nutzen, um zwischen weltweit agierenden Playern, aufstrebenden Tech-Companys und Content Creatorn zu zeigen, dass das gute, alte Fernsehen noch lange nicht ausgedient hat. Doch schon der Blick auf die Größe mancher Messestände machte nur allzu deutlich, wie sehr sich die Branche im Wandel befindet: Hier der vermeintliche "Superstreamer" Joyn mit stickiger Luft im Mini-Gewächshäuschen, dort der Streamingriese Netflix, der sich auf zwei Stockwerken inzwischen auch als Werbeschwergewicht zu positionieren versucht.

Zu allem Überfluss gab dann auch noch der ProSiebenSat.1-Vorstand am Dienstag, wenige Stunden vor Beginn der Kölner Digitalmesse, den "Party Pooper" und kündigte an, seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr zu senken, weil die Werbenachfrage noch immer unter den Erwartungen liegt. Von "erheblicher Unsicherheit" war die Rede und davon, dass die von Forschungsinstituten prognostizierte wirtschaftliche Erholung "nun wahrscheinlich nicht eintreten" werde. Besonders bitter: Nicht nur das lineare TV-Geschäft bereitet dem gerade vom Berlusconi-Konzern MFE übernommenen Medienkonzern Sorgen - selbst das Geschäft mit digitalen Werbeprodukten läuft schleppend.

Rückenwind für die Gattung Fernsehen sieht anders aus. Und so sehr sich die TV-Vermarkter auf der sogenannten "Future-TV-Stage" auch ins Zeug legten, um mit vielen Argumenten und noch mehr Buzzwords für sich zu trommeln - immer wieder drängte sich der Eindruck auf, dass dort eine Branche, umgeben von all den SEO-Optimierern und GEO-Verstehern, fast schon verzweifelt um Aufmerksamkeit kämpft. Sicher, die Nackedei-Realityshows von RTL+ auf Mezzo-Mix-Dosen mögen ebenso ein "Perfect Match" sein wie der Playmobil-Pirat, der auf der "Masked Singer"-Bühne bei ProSieben sein Unwesen trieb. Doch hier, auf der "Screenforce"-Bühne der dmexco, wird nur allzu deutlich: Das Fernsehen hat ganz schön zu kämpfen im Wettbewerb mit den jungen Wilden und internationalen Schwergewichten, die sich ein paar Schritte weiter auf der "Tech Stage" oder "Creator Stage" tummeln.

Wie schön wäre es da, zur Abwechslung mal die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Dass es die großen deutschen Medienhäuser in diesem Jahr verpasst haben, die letzten Taler zusammenzukratzen, um noch einmal ein "Screenforce Festival" auf die Beine zu stellen, könnte sich bitter rächen. Eine Branche, die es nicht einmal schafft, in großem Stile für sich selbst zu werben, will, dass es andere bei ihr tun? Gerade in Krisenzeiten könnte ein selbstbewusster Auftritt doch ein Hebel sein, um mit großen Stars und bewegten Bildern die zentrale Botschaft in die Welt zu senden: Mit uns ist noch zu rechnen!

Auf der dmexco war es für die TV-Vertreter hingegen ungleich schwerer, einen solchen Impuls zu setzen. "Das Medienhaus der Zukunft muss ein Tech-Haus sein", sagte ProSiebenSat.1-Vermarktungschef Markus Messerer am Mittwoch. Keine 24 Stunden später stand ein Google-Manager auf der Bühne – und mit ihm das selbstbewusste Motto: "YouTube-Creator sind das neue Hollywood."

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