Welcher Deal hat hierzulande zu wenig Beachtung gefunden?

Electronic Arts (EA) wird für 210 US-Dollar je Aktie in einem rund 55 Milliarden US-Dollar schweren Take-Private von einem Konsortium um den Public Investment Fund aus Saudi-Arabien (PIF), Silver Lake und Affinity Partners übernommen. EA entwickelt, veröffentlicht und betreibt Videospiele und Live-Services für Konsole, PC und Mobile inklusive Sportlizenzen, In-Game-Inhalten und Abo-Modellen. Zu den beliebtesten Spielen gehören u.a. "EA Sports FC" (ehem. "FIFA"), die Lebenssimulation "The Sims" oder die Multiplayer-Shooter-Reihe "Battlefield". Konsortiumsführer, bei dem laut EA "größten Sponsor-Take-Private aller Zeiten", ist der PIF, Saudi-Arabiens Staatsfonds, der knapp eine Billion US-Dollar verwaltetes Vermögen haben soll. Er finanziert sich aus verschiedenen Quellen: staatlichen Kapitalzuführungen, Asset-Transfers (v. a. Aktien des Energie- und Chemieriesen Aramco) und Fremdkapital. Seine Gaming-/Entertainment-Beteiligungs-Strategie ist klar. PIF baut einen vertikalen Stack aus IP/Publisher, Distribution/ Plattform (u.a. Minderheitsbeteiligung an DAZN) und Live-Events/Locations im Sinne einer "Vision 2030".

Interessant ist aber auch die Rolle von Affinity Partners. Dahinter steckt nämlich niemand anderes als Jared Kushner, der Schwiegersohn des US-Präsidenten. Pikant: Affinity wurde 2023 mit zwei Milliarden US-Dollar vom PIF angeschoben, und sitzt nun als Co-Investor beim EA-Deal mit am Tisch. Das hilft dann sicherlich bei der mehrheitlichen Übernahme der amerikanischen EA durch einen ausländischen Investor. Gamer sind außer sich. Ein User kommentiert sauer auf Social Media: "Ich glaube wirklich nicht, dass den Leuten klar ist, wie schlecht es für die Kunstform ist, wenn die Saudis und Trumps Schwiegersohn den von EA gehaltenen IP-Katalog kontrollieren. Wenn du meinst, Mainstream-Gaming sei vorher schon langweilig gewesen, dann wird es jetzt obendrein den konservativsten Leuten des Planeten gehören. Wir stehen kurz davor, Ausmaße an Sportswashing und Propaganda des militärisch-industriellen Komplexes zu erleben, denen diese Branche nicht gewachsen ist." Nun, er muss nicht recht haben, aber ich empfehle allen Journalist*innen, das weiter zu beobachten.

Einzelheiten zum EA-Deal findet ihr hier

Worüber wollte ich hier schon lange mal schreiben?

Über die Auswirkungen, die das Anzeigen von KI-Suchergebnissen bei Google Search auf Publisher und News-Sites hat. Nun bin ich auf eine US Studie gestoßen. Die findet heraus: Google Search liefert vielen Publishern seit den AI Overviews (seit Mai 2025) deutlich weniger Klicks (-26 %), während ChatGPT-Verweise (+25x) stark gestiegen sind. Allerdings kompensiert der ChatGPT-Zuwachs die Google-Verluste bei weitem nicht und bleibt absolut (noch) deutlich kleiner. ChatGPT bevorzugt darüber hinaus auch einzelne Quellen, wie z.B. Reuters. Die Zero-Click-Rate, also Suchanfragen, bei denen Nutzer*innen keinen Klick auf eine externe Website machen, sei seit der Einführung auf 69% gestiegen. Ich kann das an mir selbst auch nachvollziehen. Also sind die Folgen für Publisher (und nicht nur für die), die von Google Klicks abhängig sind, durchaus dramatisch.

Wie reagiert man, auch in Deutschland? Erstens: Raus aus der Abhängigkeit. "Owned Demand" hochfahren (Newsletter, App-Push, Login/Membership), klare Mehrwerte hinter die Registrierung setzen und die Startseite / App wieder zur Gewohnheit machen ("Der Spiegel" macht das, finde ich, schon recht gut). Zweitens: Statt "Was ist passiert?" mehr hin zu "Warum, wie und was bedeutet das?" Mit exklusiven Daten/Hintergründen, lokaler Tiefe und Serviceformaten. Die Stärken ausspielen, die guten Journalismus ausmachen. Drittens: KI nicht erleiden, sondern gestalten. Entweder Lizenz- und Attributionsdeals verhandeln oder die Nutzung knallhart begrenzen. Und über einen eigenen, Mehrwert bietenden On-Site-Assistant (z.B. über euer Archiv) nachdenken, damit Antworten und Interaktion bei euch stattfinden. Erste Schritte gibt es mit "WELTgo" (seit 2024) und dem Handelsblatt "Smart Search" (seit diesem September) bereits. Darüber muss viel mehr berichtet werden, damit diese Beispiele Schule machen.

Die erwähnte Studie zum Download gibt es hier.

Welches Thema sorgt einmal mehr für Aufregung?

Der Einsatz von KI in der Filmindustrie. Im besonderen: der Einsatz künstlich generierter "Schauspieler*innen". Habt ihr schon mal von Tilly Norwood gehört? Nein? Tilly Norwood ist eine KI-generierte "Schauspielerin", entwickelt von der niederländischen Schauspielerin/Produzentin Eline Van der Velden beim Londoner Studio Particle6. Bekannt wurde sie Ende September 2025 beim Zurich Summit, wo Van der Velden sagte, Talent-Agenturen wollten Norwood unter Vertrag nehmen. Das löste umgehend massive Kritik aus. SAG-AFTRA, die große US-Gewerkschaft für Schauspieler*innen und Medienprofis, verurteilte den Einsatz "synthetischer Performer" und betonte, Kreativität müsse menschenzentriert bleiben. Stars wie Emily Blunt reagierten ebenfalls ablehnend. Van der Velden konterte, Norwood sei als "ein Kunstwerk, kein Ersatz für Menschen" zu betrachten. Also quasi eine ganz eigene Kategorie.

Nicht alle echten Schauspieler*innen sind so negativ wie Blunt. Produzentin/Schauspielerin Reese Witherspoon etwa ermutigt vor allem Frauen sich mit dem Thema KI zu beschäftigen. Sie sagt: "Und du kannst traurig sein und dich darüber beklagen, so viel du willst – aber der Wandel ist da. Das Problem wird nie ein Mangel an Kreativität, Einfallsreichtum oder am tatsächlichen physischen, handwerklichen Bauen von Dingen sein." Ich gebe ihr Recht. Und dann ist da noch Sylvester Stallone. Er hat jüngst eine "Rambo"-Prequel-Idee gepitcht, in der er sich per KI/De-Aging selbst zum 18-jährigen John Rambo "verjüngt". Er meinte, die Technik sei "ausreichend ausgereift". Laut seiner Schilderung hielten andere die Idee für "verrückt". Die Diskussion zeigt, wie gespalten Hollywood ist. Die einen sagen: KI beschleunigt Entwicklung, senkt Kosten und eröffnet neue Formate, von Previz über Voice- und Face-Dubs bis zu sicheren, skalierbaren Produktionen. Die anderen sagen: KI bedroht Einkommen und Karrierepfade, verschiebt Macht zu Tech/Studios und birgt Risiken von Identitätsdiebstahl, Intransparenz und Lohndumping. Ich meine, damit KI Werkzeug bleibt, brauchen wir klare Regeln. Aber der Weg in die Filmproduktion wird nicht nur kommen, er ist bereits da.

Mehr zu Tilly Norwood lest ihr hier.

Passend dazu: welche Grenze verwischt immer mehr?

Die zwischen Social Media- und Video-Generierungs-Anbietern. Sora 2 von OpenAI ist da. Und sprengt als Video-Generator die Grenzen des bisher Machbaren. Es kombiniert bessere Welt-Simulationen, stabile Continuity, feine Prompt-Kontrolle und synchrones Audio in einem Modell. Das hebt die wahrgenommene Qualität deutlich über frühere Video-Generatoren. Der Clou aber ist, das Sora 2 auch als App (bislang nur iOS, invite-only) erscheint, mit eingebautem Social Network. Die App ist im Kern ein TikTok-ähnlicher Feed, in dem du per Prompt in Sekunden ultrarealistische Kurzvideos (10s) erzeugst, sie direkt remixt (inklusive zustimmungsbasierter Cameos von Freund*innen), sofort teilst und dank sichtbarem Wasserzeichen sowie Lösch- und Widerrufsrechten die Nutzung deines Abbilds kontrollierst. So verschmilzt Content-Generierung und Distribution in einem „erprompteten“ Feed, der Meta und TikTok ihre bisherigen Kernvorteile streitig macht und weiteren Time-Spent samt Werbegeldern abzieht. Aber auch für alle „Legacy Media“ ist Sora 2 keine gute Nachricht. Der Kampf mit Big Tech um Werbegelder hat in atemberaubender Geschwindigkeit einen weiteren Player bekommen. Und Meta? Hat den Konter schon angekündigt. Mit Vibes, einem AI-Video-Feed in der Meta-AI-App (Erzeugen/Remixen/Teilen). Es nutzt ab 16.12. deine AI-Chat-Interaktionen zur Personalisierung von Feeds & Ads und erzeugt so mehr Relevanz, mehr Inventar und schnellere Monetarisierung. Stellt sich noch irgendjemand die Frage, ob Tech eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Aufmerksamkeitsökonomie spielt?

Lest mehr zu Sora 2 hier

Und worauf freue ich mich richtig?

Auf "Frier und Fünfzig - Das Ende meiner Tage", produziert von Good Humor (Brainpool/Banijay), ab 10.11. auf joyn und ab 24.11. in Sat.1, mit der großartigen Annette Frier als sie selbst. Das Story-Setup: Mann verlässt sie, Tochter macht sie bald zur Oma, peinliche Rollenangebote, also beschließt Annette, eine Serie über die Wechseljahre zu pitchen und zu verkaufen. Das macht so herrlich Lust auf die Serie. Da ich in meiner Laufbahn mehrfach die Gelegenheit hatte mit Annette zusammenzuarbeiten, weiß ich: das kann nur gut werden. Gerne hätte ich hier den ersten Trailer geteilt, aber den haben die Kolleg*innen beim Sender bislang nicht veröffentlicht. Aber bitte joyn/SAT.1, da müßt ihr richtig trommeln, wenn es soweit ist, damit die Serie auch die Aufmerksamkeit bekommt, die sie sicherlich verdient. Versprochen?

Mehr Infos zur Serie gibt es hier