Lange ist in diesem Jahr unklar gewesen, ob tatsächlich alle 16 Bundesländer den Reformstaatsvertrag durch ihre Parlamente bringen. Am Ende hat es mit Biegen und Brechen geklappt, der neue Staatsvertrag gilt seit dem 1. Dezember. Ein neues Verfahren zur Beitragsfestsetzung ist aber an Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gescheitert, hinzu kommt der anhaltende Streit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und der Politik rund um den nicht erhöhten Rundfunkbeitrag. Oder um es anders zu formulieren: Hinter ARD, ZDF und der Medienpolitik liegen aufreibende Monate. 

Kurz vor Weihnachten sorgt die KEF nun für eine Bescherung, mit der niemand gerechnet hat. 

Überraschend und entgegen der üblichen Praxis will die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten im kommenden 25. Bericht der Politik eine weniger starke Beitragserhöhung vorschlagen. Der Rundfunkbeitrag soll ab dem 1. Januar 2027 nicht mehr von 18,36 auf 18,94 Euro steigen, sondern nur noch auf 18,64 Euro. Kommt diese Erhöhung, wären die Öffentlich-Rechtlichen für die gesamte Beitragsperiode (2025-2028) bedarfsgerecht finanziert (DWDL.de berichtete). 

Man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass dieser Vorschlag der KEF im kommenden Jahr im Mittelpunkt der medienpolitischen Debatten rund um ARD und ZDF stehen wird. Bei Sendern und Ländern, die den nun öffentlich gewordenen KEF-Entwurf schon länger kennen, dürfte es bereits intensive Diskussionen darüber geben, wie man mit dem neuen Vorschlag der Kommission umgeht. Nach den diversen Eskalationen in den zurückliegenden Jahren täten nun alle Beteiligten gut daran, einen Gang zurückzuschalten und jeweils einen Schritt auf die andere Seite zuzugehen. 

Der neue KEF-Vorschlag zum Rundfunkbeitrag könnte für Öffentlich-Rechtliche und Medienpolitik die letzte Möglichkeit auf einen gesichtswahrenden Kompromiss sein. Eine zweite Chance, um das gesamte Verfahren der Beitragsfestsetzung nicht gänzlich zum implodieren zu bringen. Wie das geht? Es sind wahrscheinlich schmerzhafte Kompromisse auf beiden Seiten nötig. 

Welche Möglichkeiten gibt es jetzt?

ARD und ZDF könnten etwa ihre Verfassungsbeschwerde zurückziehen. Diese hatten sie 2024 vor einer wichtigen Ministerpräsidentenkonferenz angekündigt - und die Länder damit nachhaltig verärgert. Mit einer Rücknahme der Beschwerde würden sie nicht nur ihren guten Willen demonstrieren, sondern den Ländern das Heft des Handelns zurück in die Hand geben. Dass sich die Länder mit einem Thema beschäftigen, das noch währenddessen durch Karlsruhe abgeräumt werden könnte, erscheint nicht wirklich vorstellbar. Und die Bundesländer müssen endlich wieder das von ihnen selbst beschlossene Festsetzungsverfahren respektieren - und die KEF-Empfehlung umsetzen. 

Dabei muss es auch um Tempo gehen. 2026 wird in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt. In allen Ländern wird die AfD voraussichtlich stark hinzugewinnen, in zumindest zwei Ländern könnten die Rechtspopulisten die stärkste Partei werden - und damit möglicherweise auch den Ministerpräsidenten stellen. Und dann? Es wird intern in den Anstalten bereits darüber gesprochen, was passiert, wenn die AfD einen der Länder-Staatsverträge kündigen sollte. Ein solcher Schritt hätte unabsehbare Folgen für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

An dieser Stelle müssen nun die demokratischen Parteien in den vermeintlich sauren Apfel beißen und in einem Wahljahr eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags beschließen. Ansonsten hält die Hängepartie an und Entscheidungen werden weiterhin in Karlsruhe getroffen, was weder dem Ansehen der Öffentlich-Rechtlichen noch der Medienpolitik hilft. 

Es darf keine Ausreden mehr geben, auch nicht in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In den kommenden Jahren wird es schwer genug, Mehrheiten für ÖRR-Reformen zu finden, sollte es nicht noch eine Neugestaltung der Entscheidungsfindung geben. Dass nach wie vor alle 16 Länder gemeinschaftlich auch nur kleinste Änderungen in den Staatsverträgen absegnen müssen, wirkt in Zeiten von aufstrebenden Kräften am politischen Rand immer mehr wie aus der Zeit gefallen. Die neue KEF-Empfehlung könnte jetzt auch nochmal die Gelegenheit sein, um die geplante Reform des Beitragsfestsetzungsverfahren durchzubringen. 

Die konstruktive Rolle der KEF

"Ich appelliere an alle, die sich verschanzt haben, sich zu überlegen, welchen Beitrag sie leisten können", sagte Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, im Oktober im DWDL.de-Interview. Man müsse endlich aus den Schützengräben herauskommen, hieß es zuletzt mehrfach hinter vorgehaltener Hand von mehreren Seiten. Jetzt ist die Zeit dafür gekommen. 

Anstatt sich in gegenseitigen Beschuldigungen zu verhaken, spielte die KEF in der ganzen Sache mal wieder eine äußerst konstruktive Rolle. Sie hat sich in dem Konflikt auf keine Seite ziehen lassen und lässt schlicht die Zahlen sprechen. Dass man dabei jetzt zu einem solchen Ergebnis kommt, ist zugegebenermaßen sehr überraschend. Aber die Kommission zeigt den Anstalten und Ländern so eine gesichtswahrende Lösung auf dem Silbertablett auf. Jetzt müssen sie nur noch zugreifen. 

Einigen sich Anstalten und Länder nicht, wird wohl doch Karlsruhe entscheiden, wie es in Sachen Rundfunkbeitrag und Festsetzungsverfahren weitergeht. Das kann eigentlich niemand wollen. Doch es gibt zwischen den Beteiligten so viele unterschiedliche Interessen und Meinungen, dass am heutigen Tag nichts fix ist. Außer vielleicht: 2026 wird ein spannendes Jahr. Nun haben Intendantinnen und Intendanten sowie Politikerinnen und Politiker über Weihnachten Zeit, um in sich zu gehen und zu überlegen, welchen Weg man im kommenden Jahr bestreiten will.